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Rechtschreib-Debakel



Sie also verfassungsgemaess, die Rechtschreibreform. So hat unser oberster
Gerichtshof heute befunden.
Ob sie auch vernuenftig ist, darueber haben die Richter ausdruecklich
nicht geurteilt!
Zu diesem Thema habe ich heute an verschiedene Zeitungen einen Leserbrief
gesandt, den ich dieser Liste wegen der besonderen Betroffenheit des
Bibliotheks- und Informationswesens nicht vorenthalten moechte.
Vermutlich werden die meisten denken, dass ich da gewaltig uebertreibe.
So wurde allerdings auch reagiert, wenn man vor 10 Jahren auf die fehlenden
zwei Ziffern bei Datumsangaben hinwies...
Mir ist bekannt, dass die einschlaegigen bibliothekarischen Gremien laengst
begonnen haben, sich ueber die Auswirkungen der R.Reform auf unsere Kataloge
Gedanken zu machen.
Mir ist auch bekannt, dass es schon laengst bei vielen Woertern
unterschiedliche Schreibweisen gibt, und dass wir damit ja immer schon leben.
Im Englischen vielleicht noch mehr als im Deutschen.
Ich denke nur, dass man die bekannten Probleme der Kataloge und Suchmaschinen
etc. durch die Reform nochmals verschaerft, keineswegs verbessert.
Zu aendern ist nichts mehr, man sollte aber wissen, auf was man sich
einlaesst.

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Rechtschreibreform - ein neues "Jahr-2000-Problem"?

Noch gilt es nicht als ausgemacht, daß Computersysteme weltweit die
Jahrtausendwende überstehen werden. Unterdessen bereitet sich aber schon,
und noch weithin unerkannt oder unterschätzt, ein neues und wiederum selbst-
gemachtes Debakel vor, wenn auch nur in deutschen Landen: die Rechtschreib-
reform wird unerwünschte Folgewirkungen haben. Überall da wird sie Mißmut
stiften, wo Computer nach Wörtern suchen müssen.
Denn was tun Programme, wenn sie etwas suchen sollen? Sie suchen nur
nach den Zeichenketten, die man _eingetippt_ hat, nicht nach den Begriffen,
die man _gemeint_ hat. Die "Brennnessel" mit nnn wird nicht gefunden, wenn
man "Brennessel" eingetippt hat. Wer im Internet ein wenig Erfahrung mit den
sog. "Suchmaschinen" hat, dem ist die tiefe Kluft zwischen der künstlichen
und der natürlichen Intelligenz wohlbewußt. Weil man die immense Masse der
vorliegenden Texte nicht revidieren kann, wird sich die Ungenauigkeit und
Unzuverlässigkeit der maschinellen Suche nach Inhalten weiter verschärfen.
Gewiß, es gibt die Konzepte der phonetischen Suche, es gibt "fuzzy pattern
matching", Online-Wörterbücher und -Konkordanzen, aber daß solche Konzepte
flächendeckend und konsistent zum Einsatz kommen und überall anwendbar sein
werden, davon kann man nicht ausgehen. Man muß zudem auch darauf hinweisen,
daß solche fortgeschrittenen Techniken der "Künstlichen Intelligenz"
die Funktionsweise der automatisierten Systeme vollends undurchschaubar
machen, obwohl sie im Prinzip deterministisch bleiben.
Man benutzt schon jetzt ständig Suchsysteme, und sei es nur im Textprogramm
auf dem eigenen PC, und man ist zunehmend darauf angewiesen. Jedes
Suchsystem hat schon jetzt seine ureigenen Macken und Mucken, und die werden
durch die Rechtschreibreform verschärft. Soviel ist sicher.


Bernhard Eversberg
Universitaetsbibliothek, Postf. 3329,
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