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Zensur,Sittenwaechter,Medienkompetenz (igitt)



Hallo Inetbib,

erstmal eine "Warnung": ich werde diese interessante Diskussion
mitspeichern und meinen Kollegen (und -innen, jaja, schon gut)
die noch keinen E-Mail-Zugang haben zugaenglich machen - es freut
mich, ein bisschen Unterstuetzung zu bekommen fuer meine Standardpredigt
ueber die Sinnlosigkeit von Zensurbemuehungen.

Trotzdem, sooo einfach ist es eben nicht, sich auf Informationsfreiheit
und Bildungsauftrag herauszureden, denn alle bisher aufgefuehrten 
Analogien (Internet=Telefonnetz, Internet=Fernstrasse, Internet=Briefpost)
hinken gewaltig. Wenn jemand via Telefon, LKW oder Briefpost rechts-
widriges Material verbreitet, dann kann mir das im Prinzip egal sein. Tut
sie es aber via Internet, dann wird dieses problematische Material
natuerlich auch an meinen oeffentlichen Bibliotheks-Internet-PCs
verfuegbar, und ich habe damit ein Problem.
 (Nur am Rande erwaehnt: hier in Koeln wird mittlerweile sogar schon
  geprueft, ob man den Betreibern von Kiosken, die von der Stadt 
  gepachtet sind, nicht den Verkauf von "Jung und Frei" und aehnlichen
  Magazinen verbieten kann)

Da ich fuer eine OeB arbeite, kann ich noch nicht mal mit diesem
(ausgelutschten und ueberstrapazierten) "Forschungs"-Argument kommen, wenn
es um unbeschraenkten Zugriff auf Internet-Ressourcen geht. Ganz im 
Gegenteil, ich muss mich mit heterogenen Benutzerschichten auseinander-
setzen, denen ich "das Internet" als ganzes nicht kommentarlos zur
Selbstbedienung hinwerfen kann.

Weiteres Problem: viele, die über uns und unser Internetangebot urteilen
muessen (sei es als Politiker, Behoerdenleiter oder auch "nur" als 
verunsicherter Vater oder Mutter, deren Kind eine Einwilligung fuer
die Internetnutzung einfordert)  haben keine Ahnung von der Nutzung des
Mediums, sondern bestenfalls Wissen aus zweiter Hand. Und gleiches gilt
auch fuer Kollegen im eigenen Stall, die das Medium (noch) nicht nutzen 
koennen, es aber nach aussen mitvertreten muessen.

Deshalb reicht es eben nicht aus, lapidar auf die "Informationsfreiheit"
zu verweisen, sondern die immer wieder geaeusserten Bedenken muessen 
ernst genommen werden - und auch wenn es nervt muss halt immer wieder 
das verzerrte Bild vom Porno- und Nazimedium zurechtgerueckt werden. Das
kann nur anhand von positiven Gegenbeispielen passieren!

Aber hier nun meine "Analogie" zur Filterung:

auch bisher haben Bibliotheken immer so etwas wie "Client Side Filtering"
betrieben - sei es, weil sie nicht ALLES kaufen und beschaffen koennen,
oder sei es, weil sie bewusst eine Auswahl aus den vorhandenen
Informationen treffen. Und auch bisher haben Bibliotheken nicht alles,
was sie besitzen, frei zugaenglich gemacht. Ich weiss noch zu gut, wie
ich mal fuer eine Seminararbeit unter den strengen Augen von Biblio-
thekaren (an einer UB!) ein paar als linksradikal eingestufte Buecher
aus den Separata durchschauen musste. Niemals aber haben Bibliotheken
sich bisher fuer Zensur stark gemacht und das sollte auch so bleiben.

Ein aehnliches Verfahren stelle ich mir auch fuer Internet in einer
Bibliothek vor: Das Netz als solches muss unzensiert bleiben, aber 
gleichzeitig muss es auch Moeglichkeiten geben, auf Client-Seite eine
Vorauswahl zu treffen. Auch in unserer Bibliothek wird Client-Side-
Filtering eingesetzt werden, das ist m.E. in einer kommunalen 
oeffentlichen Einrichtung mit z.T. minderjaehrigem Publikum nicht
anders machbar. Es ist aber natuerlich im Sinne der ach so beschworenen
"Informationsfreiheit" auch moeglich, auf konkrete Anfrage gesperrte
Sites im Einzelfall freizugeben.

Was ich viel bedenklicher finde, ist die Tatsache, dass wieder mal alle
Ansaetze zum Umgang mit diesem Problem aus den USA kommen. Ich habe also
derzeit keine andere Wahl als mich bei der Konfiguration meiner Filter-
software auf das Urteil von Leuten zu verlassen, deren Kriterien eben
kulturell bedingt einfach andere sind als die bei uns anzulegenden.

Zum Schluss noch ein Wort zum "Bildungsideal der Volksbuechereien":
Heute wird das Schlagwort von der "Medienkompetenz" immer so gern
im Munde gefuehrt. Auch wenn mich der Begriff aergert - solange eben
noch nicht jeder einen Rechner zuhause stehen hat (geschweige denn
Internet-Zugang) sehe ich es auch als Aufgabe der Bibliotheken, dieses
Medium bereitzustellen, zu erklaeren und den Umgang damit zur
selbstverstaendlichen Sache werden zu lassen.

Soweit - my 2 cents

U.Babiak

(Weiteres zum Thema s.a. http://www.fh-koeln.de/fbi/pers/babiak/qnd.html)
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Ulrich Babiak, ubabiak _at__ dom.de, http://joe.law.pace.edu/staff/ub/ub.html
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