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Berliner Bibliotheksgeschichten



Folgende Gegendarstellung ist der Berliner Zeitung durch die
Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Berlin, zugeleitet
worden:



Betrifft: "Wolkenkuckucksheime der Virtualität" von Jens Bisky, Berliner
Zeitung vom 27. Mai 1998

Kritischer Journalismus ist notwendig, die subjektive Bewertung von
Tatsachen jedem Journalisten unbenommen, nur sollten sich die Artikel eines
renommierten Blattes wie der Berliner Zeitung dann auch auf Fakten und
nicht deren Unterschlagung oder Verschleierung stützen.

Schon das Bild vom "virtuellen Wolkenkuckucksheim" zeigt, daß der Redakteur
wenig bereit war, sich mit den Aufgaben und Zielen des ""Kooperativen
Bibliotheksverbundes Berlin-Brandenburg (KOBV)" sachlich
auseinanderzusetzen. An der Informationslage dürfte dies schwerlich gelegen
haben. So hatte Herr Bisky Gelegenheit, sich in einem längeren Gespräch mit
dem dann später falsch zitierten Verwaltungsmitarbeiter Herrn Kröplin
ausführlich über die Ziele des Verbundprojektes, den aktuellen Sachstand
und die geplanten Umsetzungsschritte zu informieren. Zudem bietet das
Konrad-Zuse-Zentrum jedem Interessierten unter der Internet-Adresse
http://www.zib.de die Gelegenheit, Dokumente über den geplanten Verbund
einzusehen.

Auch wurde das Projekt des KOBV nicht durch eine "großsprecherische"
Senatsverwaltung konzipiert. Vielmehr beruht das Konzept auf einem
Grundlagenpapier von drei anerkannten Sachverständigen und wurde zusammen
mit den Förderungsanträgen der vier Hochschulbibliotheken Berlins von der
Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) positiv begutachtet. In dem Artikel
ebenfalls nicht erwähnt wurde die Herrn Bisky bekannte Tatsache, daß bei
öffentlichen Aufträgen dieser Größenordnung nach EU-Recht ein öffentliches,
europaweites und jederzeit nachprüfbares Ausschreibungsverfahren
durchzuführen ist, das in die jetzt laufenden Vertragsverhandlungen mit der
Firma ExL mündet. Im Dunkeln bleibt ebenfalls, daß sich das Projekt dank
der enormen Anstrengungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
Hochschulbibliotheken und des Teams im Konrad-Zuse-Zentrum für
Informationstechnik Berlin (ZIB) innerhalb des Zeitplans befindet.

Schlichtweg unseriös ist darüber hinaus die Behauptung, daß die für den
Kooperativen Bibliotheksverbund avisierte Internet-Lösung ins
"Wolkenkuckucksheim der Virtualität" gehört. Auch Herrn Bisky muß klar
sein, daß die Funktionalität des Internets in der Praxis erprobt ist und
sich im Bibliotheksbereich idealerweise anbietet, da das Konzept des KOBV
die Verbindung von modernen Standardbibliothekssystemen auch
unterschiedlicher Hersteller durch die Suchmaschine über definierte
Schnittstellen (Z39.50) vorsieht.

Wir bleiben dabei, daß nach einer ersten Projektphase, in der in Berlin
zunächst die großen Hochschulbibliotheken angeschlossen werden, auch
weitere Bibliotheken und Subverbünde (wie z.B. die Staatsbibliothek, der
VÖBB oder ein Subverbund der Künstlerischen Hochschulen) über die erwähnten
Schnittstellen am neuen Großverbund teilnehmen werden.

Wir stimmen Herrn Bisky zu, daß die konsequente Anwendung der genannten
Prinzipien auf einen Bibliotheksverbund eine "Weltneuheit" ist. Ob wir
damit dann auch "Weltniveau" erreicht haben, werden die Nutzerinnen und
Nutzer der Bibliotheken an Hand des Ergebnisses beurteilen können.

Nun zum Verbund der öffentlichen Bibliotheken Berlins:

Auch der "Verbund der Öffentlichen Bibliotheken Berlins (VÖBB)" wurde - wie
der KOBV - nach einem europaweiten und transparenten
Ausschreibungsverfahren vergeben, das vom damaligen Landesamt für
Informationstechnik betreut wurde. Expertenteams der verschiedenen
Fachrichtungen haben nach Teststellungen der verschiedenen Anbieter eine
Bewertung vorgenommen, wobei das Schwergewicht auf der Bewertung der
Software lag. Das gesamte Auswahlverfahren und die Vertragsverhandlungen
wurden von einer externen Unternehmensberatung begleitet.

Der VÖBB als Ausleih- und Katalogisierungsverbund von ca. 160
Bibliotheksstandorten in Berlin stellt hohe Ansprüche an die notwendige
technische Infrastruktur und die einzusetzende Software, die von keinem auf
dem Markt vorhandenen Anbieter ohne entsprechende Anpassungen zu bewältigen
sind. Die Dimension der Aufgabe ist denn auch nicht der Freude des Senats
am Riesenhaften geschuldet, sondern beruht schlicht und ergreifend auf der
Größe Berlins und der Dichte der hiesigen Bibliothekslandschaft. Daß man
bereits zum Test von Software und der Ermittlung von Antwortzeiten in einem
Netz unter realen Bedingungen die entsprechende Hardware in den
angeschlossenen Bibliotheken und im Rechenzentrum benötigt, versteht sich
wohl von selbst.

Klarzustellen ist ebenfalls, daß bei einem Projekt dieser Größenordnung von
uns Aufsichtsgremien eingerichtet wurden, die sich in kurzen Abständen über
den Projektfortschritt berichten lassen und denen auch Vertreterinnen und
Vertreter der Bezirke, des LIT und des Hauptpersonalrates angehören.
Außerdem berichten wir in regelmäßigen Abständen dem Abgeordnetenhaus von
Berlin über den jeweiligen Projektfortschritt, wie auch November
vergangenen Jahres über die leider notwendige Zeitplanveränderung. Diese
Berichte werden übrigens in öffentlicher Sitzung im Unterausschuß
Kommunikations- und Informationstechnik beraten. 

Die Komplexität des Verfahrens VÖBB an dieser Stelle zu schildern, würde
den Rahmen eines Leserbriefs sprengen. Es ist ein normaler, vertraglich
zwingend vorgesehener Vorgang bei Vorhaben in der Datenverarbeitung, daß
bei Nichteinhaltung eines Termin zunächst dem Auftragnehmer eine
angemessene Nachfrist gesetzt wird. Wir haben in diesem Fall, statt eine
Nachfrist zu fordern, in Übereinstimmung mit dem Generalunternehmer, auf
einen umfassenden Projektreview durch eine unabhängige externe
Unternehmensberatung gedrungen. Die Bereitschaft des Generalunternehmers,
die nicht unerheblichen Kosten hierfür zu tragen, kann man, wie Herr Bisky,
als Indiz für ein schlechtes Gewissen werten, man kann dies aber auch als
Beweis für die Bereitschaft  sehen, konstruktiv an einer erfolgreichen
Fortsetzung des Verfahrens mitzuwirken.

Weder im Vorfeld des Reviews sind stillschweigende Veränderungen des
Vertrages mit BB-DATA vorgenommen oder Leistungsanforderungen des VÖBB
verändert worden, noch werden diese danach stillschweigend vorgenommen.
Sämtliche Grundsatzentscheidungen, die den Verbund betreffen, werden nach
demokratischer Gepflogenheit dem Abgeordnentenhaus von Berlin und seinen
Fachausschüssen zur Beratung vorgelegt.

Auch dies wurde Herrn Bisky im Gespräch mitgeteilt, war dann aber
offensichtlich - wie so vieles - nicht der Erwähnung wert.

Im leider erschütterten Vertrauen auf die Seriösität der Berliner Zeitung

verbleibe ich 

mit freundlichen Grüßen
Kerstin Schneider 
Pressesprecherin der Senatswissenschaftsverwaltung
                                                      *********

Juliane Funke
Leiterin des Referats Bibliothekswesen
der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Berlin.




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