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Re: Frage: Freihand und religioesbedingte Kleiderordnung



>>Nun hat sich neulich eine Benutzerin islamischen Glaubens geweigert 
>> ihren langen, weiten Kleidermantel abzulegen, bevor Sie unsere Bibliothek 
>> betreten wollte.
>Es wuerde mich als Bibliotheksjurist sehr interessieren, ob diese 
>Studentin sich auf ein bestimmtes religioeses Gebot (wenn ja, welches) 
>berufen hat. Es gibt da vergleichbare Faelle, z.B. ob ein Turbantraeger 
>einen Motorradhelm tragen muss, oder nicht.

Liebe KollegInnen,

mit leichtem Entsetzen nehme ich eure Diskussion zur Kenntnis. Wieweit ist
es eigentlich schon gekommen, dass wir darüber diskutieren, auf Grund
welcher rechtlichen Entscheidung unsere Benutzer welche Kleidung tragen
duerfen? Abgesehen davon, dass im Grundgesetz etwas davon steht, dass ?die
Wuerde des Menschen .. unantastbar? sei, wissen wir doch alle, dass das
Problem des Buecherdiebstahl so nicht loesbar ist. In der Bibliothek, in der
ich arbeite (TU Berlin), gibt es ein Verzeichnis im Lesesaal, wo fein
saeuberlich aus Versandhauskatalogen ausgeschnitten ist, welche Taschen,
Jacken etc. noch tolerierbar sind. Trotzdem sind ihnen Freuds gesammelte
Werke bis auf (beim letzten Mal) den Registerband zweimal geklaut worden.

Ich meine, extrem gesagt, wenn man Benutzer wie Diebe oder Untermenschen
behandelt, werden sie sich auch als solche verhalten. Waere nicht ein wenig
mehr Eingehen auf die Benutzerin da hilfreicher gewesen? Auf der anderen
Seite wissen wir auch, dass es immer Menschen gibt, die sich egoistisch,
unsolidarisch und unsozial verhalten, und um so groesser und anonymer ein
Betrieb wird, um so mehr werden sich die Benutzer unsolidarisch verhalten
(denn mit wem sollten sie noch solidarisch sein), d.h. eine vernuenftige
Kontrolle ist sicherlich notwendig. Aber wir sollten dies immer wieder
ueberpruefen, ob wir zuviel Kontrolle ausueben. In meiner kleinen
Abteilungsbibliothek (7.000 Bd) haben wir bei schon fast nicht mehr
vorhandener Kontrolle einen Schwund unter einem Prozent, d.h. 3 - 4 Buecher
pro Jahr. Dabei haben wir eine Ausleihquote als wissenschaftliche Bibliothek
wie sonst nur die OeB?s.

Insgesamt sehe ich unter den Kollegen immer wieder eine Tendenz, etwas
buerokratisch zu regeln, ich erinnere hier an die Diskussion in dieser Liste
um die Kostenerstattung fuer Kopien von vergriffenen Zsn-Heften, wo ein
wenig mehr Eingehen auf die Beduerfnisse des Gegenueber hilfreicher sein
wuerde. Regeln sind fuer den Alltagsbereich sicher hilfreich, aber lasst sie
nicht an die Stelle der Mitmenschlichkeit treten.

Karoline Neuendorff

P.S. Wie am Sign zu sehen ist, vertrete ich hier nur meine Meinung als
Privatperson. Mein Broetchengeber sieht dieses wohl ganz anders.
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Karoline Neuendorff              Hartmut Neuendorff
Stockweg 14   D-12203 Berlin     Deutschland/Germany
                Tel. ++49-30-834 26 45

"Was auch immer geschieht: Nie duerft ihr so tief sinken,
von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken!"
                                            E. Kaestner
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