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Chatnächte - Anleitung zum Glücklichsein?



Liebe KollegInnen,

die Reaktionen auf meinen Beitrag sind sehr interessant: scheinbar werden Chatnächte bislang wenig angeboten ... Im Folgenden also mein Stand der Dinge. Dennoch würde ich mich über Rückmeldungen auch von praktizierenden KollegInnen freuen ...

Seit ungefähr anderthalb Jahren veranstalten wir Chatnächte, wobei das "-nächte" bislang nur bis Mitternacht bedeutet, womit wir uns eine sicher schwierige Übernachtung ersparen. Es begann alles mit einer Fortbildung zum Thema "Kinder und Internet". Die Kollegin der Kinder- und Jugendabteilung der Amerika-Gedenk-Bibliothek in Berlin - ich habe leider ihren Namen verlegt - berichtete von ihren Erfahrungen. Allerdings bot sie "echte" Übernachtungen an, wobei natürlich keiner schlief ... 

Zur Organisation. Wir haben in der Kinder- und Jugendabteilung fünf Internetplätze ("Medienkompetenzzentrum"), weshalb wir nur zehn Jugendliche zwischen 12 und 16 Jahren nehmen. Sie müssen auf einem Vordruck von uns die Unterschrift eines Elternteils bringen (gilt als Anmeldung) und 2,50 Euro bezahlen (entspricht zweieinhalb Stunden surfen). Zwei pro Platz sind bei fünf Stunden die Höchstzahl, andernfalls wird es unruhig. Die meisten kommen ohnehin zu zweit, da die Hemmschwelle bei uns wohl doch noch höher hängt als in einem vergleichsweise anonymen Internetcafé. Ein Tipp der Kollegin aus Berlin: bei der Anmeldung wenn möglich weiblich und männlich paritätisch "besetzten", so kommt es zu weniger Reibereien mit den männlichen Jugendlichen (Halbstarkengetue). Wir hatten in letzter Zeit einen "Frauenüberschuss", was mit der häuslichen technischen Ausstattung zu tun haben mag - die paar Jungs waren zart wie Lämmer ...

Da wir ein gesichertes System besitzen (Coint), lassen wir sie frei chatten (und surfen). Ich bleibe als Aufsicht dabei, helfe, wenn Probleme auftreten (beim Anmelden, "wie chatte ich überhaupt?", Softwareprobleme, Verbindungsprobleme, ...) und schlichte, wenn es gar zu "aufregend" wird.

Gegen 22 Uhr gibt es einen "Snack" (Pizza, die eine Kollegin zu Hause zubereitet). Über den ganzen Abend gibt es Getränke (gekühlte Cola - alles andere wird abgelehnt und nur getrunken, wenn die Cola alle ist) und kleine Knabbereien (Gummibären, Lakritze, Salzstangen und ähnliches), die sie allerdings nicht am PC zu sich nehmen dürfen. Da wir aber nicht davon ausgehen, dass sich alle die Hände waschen, sind Knabbersachen zu empfehlen, die wenig Fett enthalten - bezüglich der Tastatur.

Beim letzten Mal zeigte sich, dass das Handy eine inzwischen große Rolle spielt (SMS parallel zum Chat, direkter Kontakt mit dem Chatpartner ["möchte mal seine Stimme hören"]), weshalb ich trotz Verbots in der Bibliothek Handys gestattet habe.

"Schwierig" werden die Themen in den Chats, je später es wird - die anderen "Chatter" werden älter. Es geht nur noch um Anmache und Sex. Hier müssen wir sehr tolerant sein und nur in Extremfällen eingreifen. Meistens regelt sich das aber von allein, da unsere Jugendlichen dann auch angeekelt sind und den Chat wechseln.

Insgesamt bedarf es einer großen Toleranz gegenüber der "Chat-Manie" der Kids. Auch haben wir dadurch noch nie Leser dazu gewonnen, da das Klientel ein völlig anderes ist. Dennoch haben wir ja den Auftrag, "Medienkompetenz" zu vermitteln ... Ich hoffe nicht, dass sich das zu negativ anhört, ich habe nur persönlich Probleme, dem Chatten etwas abzugewinnen. (Haben Sie es mal probiert? Bei www.chatfun.de kann man sich schnell anmelden und sofort loslegen ...)

Fazit: Bei Ausschaltung des eigenen Wertedenkens ist die Chatnacht eine sehr einfach zu realisierende Veranstaltung, die diejenigen anspricht, die wir doch so selten in die Bibliotheken kriegen: die Jugendlichen. Bei einer rudimentären Absicherung der Internetplätze oder bei zumindest zeitweiliger Überwachung der Chatter ("Zeig mal, in welchem Chat bist du denn?", "Hey, den Chat kenne ich noch gar nicht!") entsteht weder an den Kids noch an unseren Geräten irgend ein Schaden. Wichtig vielleicht, dass jüngere KollegInnen die Veranstaltung betreuen, sie können sich noch eher an das pubertäre Verhalten erinnern, und den Älteren tanzen die Jugendlichen schnell auf der Nase herum, auch wenn sie über das Fachwissen verfügen. Hier könnten wir aber noch diskutieren.

So viel zu unseren Erfahrungen. Ich stehe Nachahmern gerne Frage und Antwort, lasse mich aber auch gerne von anderen Standpunkten überzeugen. 

Einen sommerlichen Gruß

Bernhard Bökenkamp 
Stadtbibliothek Leer



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