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Re: AW: Verlags-Dissertationen





Heinrich C. Kuhn schrieb:

Liebe Liste,

ein paar Ueberlegungen und Fragen (meine Sicht: Nutzer, kleinere Institutsbibliothek, Autor):
1. Unbestritten: die Hemmschwelle sich eine elektronische Version einer Diss anzugucken ist geringer als die
das Buch anzuschaffen oder aus einener anderen Biblio-
thek auszuleihen. Voraussetzung ist aber, dass man auf
irgendweine Weise mitbekommt, dass es diese Diss. gibt.
Und zumindest in einigen Faechern gibt's halt kein
Gegenstueck zu arxiv.org, wo man von Zeit zu Zeit
reingucken kann ob's da in letzter Zeit was Neues auf
dem eigenen Gebiet gegeben hat. Daher:
2. Verlags-Dissertationen koennen die Information "da gibt's
jetzt ein Buch zu X [wozu's vorher noch nie was gab]"
ueber Prospekte an Personen und Einrichtungen bringen, die diese Information sonst nicht erhalten haetten.
3. Analog sieht's mit Rezensionen aus (durch die zumindest
ich gelegentlich von Sachen erfahre, die mich inter-
essieren, von deren Existenz ich aber vorher nichts
wusste). Solange (zumindest in einigen Faechern) keine
wesentliche Rezesionskultur fuer elektronische Dissertationen da ist, scheint mit (zumindest in solchen Faechern) die Verlagsdissertation nach wie vor
von Vorteil.
4. Es gibt Faecher da finden die Buecher oft ihre Leser erst mit betraechtlichem Zeitverzug. D.h.: Fachbiblio-
graphien sind wichtig. Wie sicher kann man derzeit sein, dass z.B. eine nur elektronisch vorliegende
Dissertation ihre Verzeichnung in der "Bibliographie internationale de l'Humanisme et de la Renaissance"
findet?
5. Wie sicher ist die Langzeitarchivierung? (Dass PDF
in 200 Jahren noch irgendwer liest, halte ich fuer
recht unwahrscheinlich; und ueber Migrationssicherheit
ueber die Jahrhunderte lassen sich was EDV betrifft
wohl noch keine echten Erfahrungswerte vorweisen: d.h.: echte Langzeitarchivierung braucht u.U. weiter-
hin Papier: und da frage ich mich, an weivielen Stellen Papierkopien der elektronischen Dissen stehen
werden, und an wievielen Exemplare der Verlagsdisser-
tationen.) Wie steht's mit der Katastrophensicherheit?
6. Manches entdeckt man weil's ein Buch ist, das neben einem anderen Buch seteht, das man sich eigentlich angucken wollte. Um bei Bibliotheken die systematisch aufstellen
den Nutzeren solche Findeerlebnisse zu ermoeglichen braucht's einen Papierausdruck im Regal. Ist da die
elektronsiche Version plus Ausdruck plus Binden immer billiger als der Erwerb der Verlagsdissertation?


Ich bitte obiges nicht als Argumentation *gegen* elektronische
Veroeffentlichung zu verstehen (elektronische Veroeffent-
lichung fuehrt gewiss zu Lektuere die's sonst nicht gaebe),
sondern als Ueberlegungen ob nicht zumindest in einigen Faechern
zumindest derzeit parallele Veroeffentlichung als Verlags-
Dissertation nicht zusaetzlichen Nutzen bringen kann.
Und ob daher nicht zumindest in einigen Faellen ein Anschaffungs-
stop fuer Verlagsdissertationen - der ja wohl zu einem
Aussterben derselben fuehren wuerde - zu auch bei Nutzern
und Autoren uenerwuenschten Ergebnissen fuehren wuerde.

  Mit freundlichen Gruessen aus Muenchen (blaue Flecken
am Himmel)

Heinrich C. Kuhn

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|    Dr. Heinrich C. Kuhn
|    Seminar fuer Geistesgeschichte der Renaissance
|    Ludwig-Maximilians-Universitaet Muenchen
|    D-80539 Muenchen / Ludwigstr. 31/IV
|    T.: +49-89-2180 2018, F.: +49-89-2180 2907
|    inst. URL: http://www.phil-hum-ren.uni-muenchen.de/
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Liebe Liste,
Man kann wohl davon ausgehen, daß sich ein Informationsdienst für geisteswissenschaftliche Dissertationen entwickeln würde, wenn es mehr geisteswissenschaftliche Dissertationen im Netz gäbe. Damit entfielen wohl auch die Punkte 2 und 3. Auch die Hersteller von Fachbibliographien werden in Zukunft in ihren - hoffentlich im Netz verfügbaren - Bibliographien elektronische Dissertationen anzeigen. Dafür könnte und sollte auch der Autor sorgen.
Wenn gedruckte geisteswissenschaftliche Dissertationen nicht mehr gekauft werden sollen, ist jedoch folgendes zu bedenken: Hier handelt es sich meist um überarbeitete Fassungen der ursprünglich abgegebenen Dissertation, d. h. um ganz normale Monographien. Dann könnte man auch den nächsten Schritt gehen und keine Monographien mehr kaufen. Mein Vorschlag ist daher, alle Dissertationen werden elektronisch veröffentlicht, die Abgabe von Pflichtexemplaren entfällt. Dissertationen, die darüberhinaus gedruckt erscheinen, sollten aber von den Institutionen gekauft werden, zu deren Sammelgebiet sie gehören. In kleinen Fächern liegen die Auflagen bei 300 Exemplaren.
Mit freundlichen Grüßen, Friederike Berger (Autorin, Bibliothekarin)




--
Dr. Friederike Berger
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Tel. +49 3328 41053, Fax +49 3328 331615
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