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Re: Verlags-Dissertationen



Liebe Liste,

Herr Hilberer schrieb:
>mittlerweile bieten fast alle Fakultaeten die Moeglichkeit, die 
>Veroeffentlichungspflicht durch die Abgabe einer Datei zu erfuellen, die 
>dann die Bibliothek elektronisch veroeffentlicht.

leider muss ich Herrn Hilberer widersprechen,
gerade im geisteswiss. Bereich erlauben nur wenige Promotionsordungen der
Veroeffentlichungspflicht durch elektronische  Diss. nachzukommen.
An dieser Stelle kann vielleicht auch durch Senatsbeschluesse etwas
geaendert werden.

Herr Strozka argumentierte:
>ich werde mich einen Teufel scheren, meine Dissertation elektronisch
>zu veröffentlichen: wer soll denn lange Texte am Rechner lesen?

Dieser Punkt ist auch Verlagen bekannt. Deshalb ist es bei einigen Verlagen
moeglich, Diss.en gedruckt zu veroeffentlichen und gleichzeitig frei
verfuegbar online aufzulegen. Diese Verlage gehen davon aus, dass gerade
eine Online-Publikation die Bekanntheit verstaerkt und die wenigsten Leser
die Arbeit selber ausdrucken, sondern eben zum schoen gebunden
Verlagsexemplar greifen und damit deren Absatz verbessert wird.

Ich glaube, bisher sind die Vorteile einer Online-Publikation vor allem in
den Geisteswissenschaften, aber auch bei Juristen und
Wirtschaftswissenschaftlern zu wenig bekannt. 
Die Argumente und auch die Umfrage von Herrn Graf helfen, Denkweisen zu
aendern.

Solange noch gilt (Zitat Herr Schneemann):
>Ja; denn eine Publikation bei einem renomierten Verlag ist für eine 
>wiss. Karriere wertvoller als eine dig. Diss. ...

und nicht alle Verlage begeistert sind zusaetzlich online zu
veroeffentlichen, erscheint 
mir auch der folgende Hinweis von Herrn Graf wichtig

> ... und der Verlag   "widerstrebend"  einwilligte, kann ich mittelfristig
(also wenn
>ich Zeit dafuer finde) meine Arbeit auf dem Tuebinger
Hochschulschriftenserver veroeffentlichen..."

Mit etwas Hartnaeckigkeit und notfalls der Option, sich einen anderen Verlag
zu suchen, spricht nichts gegen eine Online-Veroeffentlichung UND
Verlagspublikation.


Einige Anmerkungen noch zu den Ueberlegungen von Herrn Kuhn:

>2.    Verlags-Dissertationen koennen die Information "da gibt's
>      jetzt ein Buch zu X [wozu's vorher noch nie was gab]"
>      ueber Prospekte an Personen und Einrichtungen bringen, 
>      die diese Information sonst nicht erhalten haetten.
>3.    Analog sieht's mit Rezensionen aus (durch die zumindest
>      ich gelegentlich von Sachen erfahre, die mich inter-
>      essieren, von deren Existenz ich aber vorher nichts
>      wusste). Solange (zumindest in einigen Faechern) keine
>      wesentliche Rezesionskultur fuer elektronische 
>      Dissertationen da ist, scheint mit (zumindest in 
>      solchen Faechern) die Verlagsdissertation nach wie vor
>      von Vorteil.

Im Bereich der elektronischen Publikation eroeffnen sich Moeglichkeiten
(Multimedia etc.), 
die in einer gedruckten Veroeffentlichung nicht machbar sind. Wenn man
weiterdenkt, zeigt sich, dass sich auch im Umfeld der eigentlichen
Publikation andere Moeglichkeiten ergeben. Online-Publikatonen sind ueber
Suchmaschinen (Suche in Abstracts oder teilweise im Volltext...) auffindbar,
die Veroeffentlichungen koennen also auch von Personen gefunden werden, die
eher selten Rezensionen oder Fachbibliographien lesen.
Auch ist man nicht mehr auf die Einschaetzung der Rezension angewiesen, um
zu entscheiden ob eine (Fernleih-)Bestellung noetig/lohnend ist. Man kann
sich ja sofort selbst ein Bild machen.  

>4.    Es gibt Faecher da finden die Buecher oft ihre Leser 
>      erst mit betraechtlichem Zeitverzug. D.h.: Fachbiblio-
>      graphien sind wichtig. Wie sicher kann man derzeit 
>      sein, dass z.B. eine nur elektronisch vorliegende
>      Dissertation ihre Verzeichnung in der "Bibliographie 
>      internationale de l'Humanisme et de la Renaissance"
>      findet?

Die Betonung des Zeitverzuges zeigt nur einen weiteren Vorteil der
Online-Suche.

>5.    Wie sicher ist die Langzeitarchivierung? (Dass PDF
>      in 200 Jahren noch irgendwer liest, halte ich fuer
>      recht unwahrscheinlich; und ueber Migrationssicherheit
>      ueber die Jahrhunderte lassen sich was EDV betrifft
>      wohl noch keine echten Erfahrungswerte vorweisen: 
>      d.h.: echte Langzeitarchivierung braucht u.U. weiter-
>      hin Papier: und da frage ich mich, an weivielen 
>      Stellen Papierkopien der elektronischen Dissen stehen
>      werden, und an wievielen Exemplare der Verlagsdisser-
>      tationen.) Wie steht's mit der Katastrophensicherheit?

Langzeitverfuegbarkeit fuer elektronische Publikationen ist ein sehr
komplexes Thema, dazu verweise ich auf
http://www.dl-forum.de/foren/langzeitverfuegbarkeit/. Dass die Mehrheit der
heutigen Formate in 200 Jahren noch lesbar sind, nimmt wohl kaum jemand an.
Aber daraus zu schlussfolgern, dass nur Papierkopien eine Nutzung in 200
Jahren gewaehrleisten, halte ich fuer ziemlich gewagt. Ich erinnere an mit
Schreibmaschine erstellte Dissertationen oder an Publikationen auf
saeurehaltigem Papier. 
Zur Katastrophensicherheit werden auch elektronische Publikationen raeumlich
verteilt archiviert werden.

Die Koordinierungsstelle DissOnline foerdert das Publizieren von
Dissertationen in elektronischer Form und ist Ansprechpartner und
Kontaktstelle für wissenschaftliche Institutionen, Bibliotheken, Verlage und
Autoren. 

Mit freundlichen Gruessen
Nikola Korb

_____________________________________________________
Dr. Nikola Korb / Mirka Kaiser
Die Deutsche Bibliothek
Deutsche Bibliothek Frankfurt am Main
Koordinierungsstelle DissOnline
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