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Herberger ueber Deutsche Juristen und E-Publikationen



Maximilian Herberger: Rechtswissenschaftliche Texte
und elektronisches Publizieren. Zehn Thesen für die deutsche Diskussion,
in: Gedächtnisschrift für Dieter Meurer, hrsg. v. Graul, Eva / Wolf,
Gerhard, Berlin 2002, S.  655 - 664

Online:
http://www.jura.uni-sb.de/projekte/Bibliothek/texte/Herberg8.html
[Erstellungsdatum unbekannt, erschlossen: 2002; eingesehen 10.1.2003]

Dieser Beitrag, der bei deutschen Juristen keineswegs offene Türen
einrennt, verdient Applaus.

"These 1:  Die Möglichkeit des eigenen Publizierens im Internet 
eröffnet der Wissenschaft neue Chancen autonomen Handelns."

Es wird auf SPARC hingewiesen, vielleicht kannte Herberger zum (nicht
genannten) Abfassungszentrum die BOAI noch nicht:

http://www.soros.org/openaccess/g/index.shtml

"These 2:  Die Wissenschaft muß sich bei der Aufstellung von Prinzipien
für das Publizieren in erster Linie von ihren eigenen Interessen 
nicht-wirtschaftlicher Art leiten lassen."

"These 3:  Die Publikation wissenschaftlicher Ergebnisse muß zeitnah
erfolgen."

"These 4:  Elektronische Publikation schafft die Voraussetzungen für
eine intensivere Rezeption der so publizierten Texte."

Als Beispiel der "Effektivierung der wissenschaftlichen Reichweite"
nennt H. die Dissertatione: "Es ist bekannt, daß hier ein 
Flaschenhalsproblem  besteht: Nicht alle hervorragenden Dissertationen
finden Platz in wissenschaftlichen Reihen. Für die dort nicht zu
plazierenden (ich betone: Dissertationen von Qualität) gibt es außerhalb
der elektronischen Publikationsmöglichkeiten nur die Verteilung der
Pflichtexemplare an Bibliotheken   ein Zufallsspiel in Sachen
potentieller Kenntnisnahme durch die Wissenschaft. Im Vergleich dazu ist
die Prognose nicht gewagt, daß die elektronische Publikation von
Dissertationen diese Literaturgattung erstmals flächendeckend in das ihr
zustehende Recht einsetzen kann. [...] Übrigens spricht die
Unterrepräsentanz der juristischen Dissertationen in diesen Projekten
eine beredte Sprache, was die Aufgeschlossenheit der deutschen
Rechtswissenschaft für elektronisches Publizieren angeht."

Letzteres kann aus Freiburger Sicht bestätigt werden. Von den gut 600
Dokumenten auf dem Freiburger Publikationsserver FREIDOK entfallen auf
die Rechtswissenschaftliche Fakultät (die sich beharrlich weigert,
E-Dissertationen zu akzeptieren): eines.

 "These 5:  Es ist möglich, beim elektronischen Publizieren dieselben
Qualitätsmaßstäbe wie in der Print-Welt zu etablieren."

Hier ein interessantes Argument: "Auch Arbeiten, die nicht akzeptiert
wurden, können publiziert werden. Dies erhöht die Transparenz der
wissenschaftlichen Diskussionslage. Wie wir alle wissen, ist Peer-Review
keine Garantie dafür, daß nur Qualität und daß alle Qualität als solche
erkannt wird. Wer sich also zu unrecht für ausgeschlossen hält, hat in
der elektronischen Welt immerhin die Möglichkeit, seine Stimme zur
Geltung zu bringen."

"These 6:  Elektronische Publikationssysteme können genau so dauerhaft 
und nachhaltig organisiert werden wie traditionelle papiergestützte
Informationssysteme."

Die vielleicht mutigste These. Es wird auf http://www.archive.org
hingewiesen und auf die Netzpublikationen der Deutschen Bibliothek.

"These 7:  Elektronische Publikationssysteme können so organisiert
werden, daß die Zitierfähigkeit gewährleistet ist."

Nochmaliger Hinweis auf die Wayback-Machine und die Persistent
Identifier. Ergänze:
http://www.purl.org (FAQ: "Anyone can create a PURL").

"These 8: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollten auch bei
Druckveröffentlichungen das Recht behalten, ihre Werke in 
nicht-kommerzieller Weise elektronisch zu publizieren."

Deutsche Juristische Verlage sträuben sich nach Erfahrungen von H.
dagegen - meine eigenen Erkundigungen zu diesem Thema bei juristischen
Verlagen (C.H. Beck u.a.) wären nicht so pessimistisch, aber wie es sich
in Zukunft entwickeln wird, ist durchaus offen. Der Hinweis auf den
Mohr-Siebeck Reading Room
http://www.mohr.de/reading.htm
ist freilich nicht geeignet, die Argumentation zu unterstützen.
Vermutlich mangelnde Resonanz  hat den Verlag davon Abstand nehmen
lassen, regelmäßig Bücher zum befristeten freien Download anzubieten.
Die Seite ist ungepflegt, denn das PDF von dem Luther-Sammelband
existiert nicht mehr.

" These 9:  Das nachhaltig zu wünschende wirtschaftliche Überleben der 
Druckprodukte kann nur durch neue Strategien gesichert werden, die das
elektronische Publizieren einbeziehen."

"These 10: Elektronisches Publizieren erfordert eine neue Methodologie
des wissenschaftlichen Kooperierens."

Hinweis des Rechthistorikers auf das historische Beispiel der
mittelalterlichen Glossatoren des Römischen Rechts.

Nachtrag dazu: In Saarbrücken entsteht ja das http://www.jurawiki.de,
ein Wiki-Experiment, das von H. wohlwollend unterstützt wird.

Gesamtwürdigung des Aufsatzes:

Es ist zu hoffen, dass H. bei seinen Fachkollegen Gehör findet!

Formales:
Die Texte der "Saarbrücker Bibliothek" sollten mit zutreffenden
Metadaten und jeweils einem Erstellungsdatum versehen werden (die
Abfrage nach LAST MODIFIED DATE liefert keinen realistischen Wert).
Siehe auch: http://www.jurpc.de/aufsatz/20000078.htm

Unzutreffende Metadaten des Herberger-Aufsatzes:
<META name="author" content="Werner Hübner">

http://validator.w3.org/ meldet 63 Fehler.

Alle Texte der Saarbrücker Bibliothek (irreführende Bezeichnung! besser:
Saarbrücker Bibliothek juristischer E-Texte) sollten auch über SOVA
http://sova.sulb.uni-saarland.de/sova/index.html (Herberger wird
nirgends gefunden, die Saarbrücker Bibliothek kocht offenbar ihr eigenes
Süppchen)
im Volltext und mit den Titeldaten über den OPAC der UB Saarbrücken (und
via KVK) recherchierbar sein.

Tatsache ist: Der Herberger-Aufsatz wird nur in der Druckfassung via
Südwestverbund aufgrund der Aufsatzerschliessung durch BGH und Tübinger
Jura-Seminar gefunden. Von den Suchmaschinen der Standardeinstellung von
METAGER findet den Volltext nur Google (bzw. Yahoo.de). Campus-Search
muss passen (SCIRUS ist nicht erreichbar).

Durch die fehlende Einbindung in ein standardisiertes Netzwerk
(Metadaten, Bibliothekskataloge, HTML 4.0 usw.) konterkariert die
Saarbrücker Bibliothek die verdienstvollen Thesen Herbergers.

Dr. Klaus Graf
PS: Stand der am 6.11.2002 gestarteten Umfrage "Drucken oder
E-Publizieren?" 199 TeilnehmerInnen
http://klausgraf.freepolls.com/cgi-bin/polls/001/poll_center.htm
Drucken! Der E-Sektor bringt viel zu viele Nachteile mit sich (8)
                                      4%
Beides! Die richtige Mischung machts (142)
                                      71%
E-Publizieren! Für mich überwiegen die Vorteile (48)
                                      24%
Bin unschlüssig/habe dazu keine Meinung (1)
                                       1%


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.