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Re: WG: Bagdad Nationalbibliothek (Originalartikel)



Nicht alle Medien reagierten derart desinteressiert an dem Brand der Nationalbibliothek und Museen in Bagdad. Die philosophisch-politische Wochenzeitung "Neue Solidarität" widmet dem Thema den Leitartikel dieser Woche:

"Wurden Bagdads Museen im Auftrag
von US-Händlern geplündert?

Die Plünderung und Zerstörung der weltweit einzigartigen Museen und Bibliotheken ist kultureller Völkermord. Warum ließen die US-Truppen die systematischen Plünderungen zu, obwohl amerikanische Archäologen das Pentagon seit Monaten davor warnten?"
 
Der ganze eineinhalb-seitige Artikel kann diese Woche noch online gelesen werden: http://www.solidaritaet.com/neuesol/2003/17/index.htm
 
Ein wirklich interessanter Gesichtspunkt dazu!
 
Gruß
Andreas Groß 

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Gesendet: 15. Apr 2003 20:24
Betreff: Re: WG: Bagdad Nationalbibliothek (Originalartikel)

On Tue, 15 Apr 2003 13:47:10 EDT
 Wgiella _at__ aol.com wrote:
> Herr Eversberg schrieb:
>
> "Oder ist das nur ein weiteres Symptom einer
> grassierenden Indifferenz
> gegenüber
> Bibliotheken, die sich in den (wohl nicht nur deutschen)
> Medien anscheinend
> breitgemacht hat?"
>
> Wenn ich mich recht entsinne, war das schon im
> Jugoslawienkrieg so. Eines der
> ersten Ziele serbischer Kanonen in Sarajevo war - wie mir
> ein
> serbischstämmiger Professor erzählte - die
> Universitätsbibliothek, genauer
> gesagt: die Handschriftenabteilung, die einen Großteil
> der Quellen zur
> bosnischen Geschichte beherbergte. Wie jetzt in Bagdad
> wurden auch dort
> unzählige osmanische Handschriften vernichtet und die
> Erinnerung eines Volkes
> ausgelöscht. Ich habe mich heute sehr über die Meinung
> empört, dass dies kein
> Thema dieser Liste sei. Und ob die Digitalisierung in
> einem solchen Fall
> wirklich die Lösung ist, darf doch mehr als nur zu
> bezweifelt werden. 
>

Ich kann mich auch nur wundern ueber die Vermutung von
Herrn Eversberg, es koenne sich um eine Horrormeldung
handeln.

Zahlreiche serioese englischsprachige Nachrichtenquellen
(u.a. BBC) stimmten bereits gestern Nacht, als ich -
nachdem ich in den Mittagsnachrichten um 12 Uhr bei N-TV
vom Brand der Nationalbibliothek gehoert hatte -
recherchierte und dann auch zwei Meldungen in Netbib
postete, darin ueberein, dass Nationalbibliothek und
Nationalarchiv (offenbar im gleichen Gebaeude untergebracht
oder organisatorisch vereinigt) nach Pluenderungen
vollstaendig ausgebrannt sind.

Man ueberzeuge sich auch bei Google News:

http://news.google.com/news?q=baghdad+%22national+library%22&hl=en&lr=&ie=UTF-8&sa=N

Am Augenzeugenbericht von Flint (Independent, UK) zu
zweifeln, sah ich keinen Anlass.

Ich habe eine gekuerzte Version seines Berichts mitgeteilt,
die laengere auf der Website des Independent widmet sich
einigen von ihm geretteten Archivalien und schliesst:

http://argument.independent.co.uk/commentators/story.jsp?story=397350

"For almost a thousand years, Baghdad was the cultural
              capital of the Arab world, the most literate
population
              in the Middle East. Genghis Khan's grandson
burnt the
              city in the 13th century and, so it was said,
the Tigris
              river ran black with the ink of books.
Yesterday, the
              black ashes of thousands of ancient documents
filled
              the skies of Iraq. Why?"

Im Guardian liest man:

"Almost nothing remains of the library's archive of tens
of thousands of manuscripts, books, and Iraqi
newspapers, according to reports from the scene."

Ich schliesse mich der Meinung von ICOMOS-Präsident Petzet
(ehemals Landeskonservator BY) an, der im Deutschlandradio
die Plünderung des Nationalmuseums als Verbrechen an der
Menschheit bezeichnet hat.

Ob Digitalisierung oder Mikroverfilmung oder
handschriftliche Abschriften (die einzigen Zeugnisse von
vielen Handschriften der 1870 durch den Beschuss deutscher
Truppen komplett zerstoerten Strassburger Stadtbibliothek)
- sie koennen einen Teil der zerstoerten Informationswerte
retten, und daher waere es sehr sinnvoll, alle
Informationen ueber die zerstoerten Bestaende in einer
allgemein im Internet zugaenglichen Datenbank
zusammenzutragen (wie dies bereits fuer die Bestaende des
Nationalmuseums erwogen wird).

Klaus Graf 



 

Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.