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Re: Donaueschingen digital



Sehr geehrter Herr Jochum,

Sie schreiben: "Jetzt müssen Sie mir nur noch erklären, warum der Verlust
?nicht so groß wäre?, wenn das alles digitalisiert worden wäre? Wäre das
dann etwa leichter verschmerzbar?" Ich muß es leider wiederholen: Es geht
hier definitiv nicht um die Verschmerzbarkeit. Es geht um den Erhalt der
bibliothekarischen Beständen im Rahmen des Gesetzes zum Schutz deutschen
Kulturgutes gegen Abwanderung, und dabei speziell um die Fürstlich
Fürstenbergische Hofbibliothek. Da kann es doch gar keine Frage darüber
geben, daß eine möglichst gute Dokumentation dieser Bestände besser wäre,
als die sang- und klanglose Auflösung, gegen die zu kämpfen Dr. Graf
berechtigterweise aufgerufen hat. Insofern geht es natürlich auch nicht um
die Digitalisierung, sondern um eine zeitgemäße Dokumentation, den Nachweis
und die Verfügbarkeit dieser Bestände.

Es ist doch schon sehr erfreulich, daß der bzw. die Käufer hier bekannt
werden, auch wenn der bereits eingetretene Verlust damit nicht rückgängig
gemacht wird.

Wenn Ihre Replik dazu dienen soll, das Thema durch eine Diskussion zu
beleben, so habe ich natürlich nichts dagegen - Hauptsache es wird allen
klar, daß sich die Bibliothekare dem Schutz des deutschen Kulturgutes
stärker zuwenden müssen als bisher.

Hinsichtlich der von Ihnen angesprochenen ontologischen Differenz zwischen
einem digitalen Double und dem Original sollten Sie Ihren eigenen Satz noch
einmal genau lesen. Sie schrieben, daß die "Digitalisierung alter Drucke
und Handschriften die Arbeit am Original keineswegs immer ersetzt". Sie
haben "immer" geschrieben. Und damit  wird dieser Satz ein Gemeinplatz. Daß
das digitale Double in vielen Fällen (z.B. bei Zitationen) völlig ausreicht
wissen Sie doch auch.

Mit dem Satz: "Wenn Sie das Haben von Gedanken also für beleidigend halten,
ist das nach Lage der Dinge allein Ihre Sache." haben Sie mich natürlich
jetzt noch härter getroffen als beim letzten mal. ;-)

Was die alten Miniaturen betrifft, frage ich mich, ob Sie bei deren Farben
schon einmal daran gedacht haben, daß es mit einer Digitalisierung möglich
wäre Farbenspektren exakt zu erfassen, sie für die Nachwelt ebenso exakt
rekonstruierbar und die Farbverschiebungen bei der Alterung des Originals
damit erkennbar zu machen? Ich wollte also nicht das "Spiel spielen: Es
gibt keine Realität, sondern nur Perspektiven" sondern einen Denkanstoß für
ein Problem geben, daß zu lösen nicht uninteressant wäre. Wie Sie wissen
haben wir erhebliche Probleme, genau zu sagen, wie die Originale
ursprünglich aussahen und wie sie sich verändern.  Dies ist ein
Authentizitätsproblem und keines der Perspektive.

Sie haben mich mit den Worten: ?Nationales Kulturgut kann sich zumindest
teilweise in privaten Händen befinden, es ist aber je nach Kulturwert nur
bedingt privates Eigentum.? richtig zitiert. Wie Sie daraus allerdings
schließen, "daß nicht jedes nationale Kulturgut auch eine Kulturwert
besitzt" ist mir schleierhaft. Es kann doch nur bedeuten, daß es sehr
wertvolle und weniger wertvolle nationale Kulturgüter gibt. Der Gedanke,
daß es "auch nationale Kulturgüter geben kann, die keinen Kulturwert
besitzen" ist doch eine völlig abwegige Unterstellung, die Sie nur dazu
brauchen, sich zu dem Satz: "Denn aus dem ovn Ihnen gesetzten Unterschied
ergibt sich, daß es auch nationale Kulturgüter geben kann, die keinen
Kulturwert besitzen ? und die würden Sie dann auch wohl nicht enteignen
wollen?", versteigen zu können.

Meinen Sie nicht, daß Sie langsam zu weit gehen, wenn Sie mir unterstellen,
daß ich alle anderen enteignen würde? Ich will wirklich hoffen, daß es nur
der Mangel an Sprachgenauigkeit ist, der Sie zu solchen Entgleisungen
verleitet. Sowohl der lockere Umgang mit Ihren Zitationen als auch Ihr
letzter Satz: "Ihren Dank daher vorwegnehmend bin ich mit freundlichen
Grüßen Ihr Uwe Jochum", bestärkt mich in dieser Annahme.

Wenn Ihr Text allerdings den ausgeprägten Geist für Ihren Humor
widerspiegeln soll, ist dieser allerdings sehr eigentümlich. Für einen
solchen Humor würde zwar schon die Überschrift "Donaueschingen digital"
sprechen. Trotzdem rechnen Sie dann bitte nicht damit, daß ich auf diese
Art von Humor noch öfter antworte.


MfG

Umstätter



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