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Bibliotheksverluste/Donaueschingen digital



Liebe Liste!

Immer wieder werden wertvolle Privatbibliotheken durch Einzelverkaeufe
als Ensembles zerstoert. Donaueschingen
http://www.uni-koblenz.de/~graf/index.html#kulturgut
ist nur ein besonders gravierender Fall. Im Anhang dokumentiere ich zwei
Faelle aus dem Jahr 1998 (Savignygut Trages, Schlossbibliothek
Gevelinghausen). Auf meiner oben genannten Internetseite findet sich ein
Artikel aus den Mitteilungen des Germanistenverbands 1995 "Vernichtung
unersetzlicher Quellen". Skizziert werden darin die Faelle
Donaueschingen (Inkunabelverkauf 1994 - siehe ausfuehrlich
http://www.uni-koblenz.de/~graf/don.htm), Schlossbibliothek Dyck,
Ortenburgische Handschriften Tambach, Teile der Hofbibliothek von
Wertheim. Zu weiteren Wertheimer Bibliotheksverlusten siehe meinen
Artikel http://www.uni-koblenz.de/~graf/wertheim.htm. Zur undokumentiert
im Maerz 1999 versteigerten Schlossbibliothek von Niederstotzingen habe
ich in einem Malilinglistenbeitrag (erreichbar ebenfalls ueber
#kulturgut) Hinweise gegeben.

Die Recherche ist in solchen Faellen auesserst muehselig. Noch nicht
abgeschlossen ist sie fuer mich im Fall der vor einigen Jahren (wann
genau, weiss ich noch nicht) bei Arco & Flotow in Muenchen versteigerten
Bibliothek der Fuersten von der Leyen in Waal (Schwaben).
Sekundaerliteratur zu ihr ist praktisch nicht vorhanden (siehe aber
Anhang 2).

Ich moechte auf diesem Wege eine Arbeitsgruppe "Kulturgutschutz"
(vorerst im Sinne eines Mailverbunds) initiieren, die versucht,
Lobbyarbeit zugunsten der Erhaltung solcher Kulturdenkmaeler zu
betreiben: durch Oeffentlichkeitsarbeit, Kontakte zu Denkmalaemtern usw.

Nicht nur im Fall Donaueschingen waere es sinnvoll, eine Datenbank mit
digitalisierten Informationen (Katalog mit Besitzeintraegen, aber ggf.
auch ganze Buecher) ueber den ehemaligen Bestand anzulegen. Daneben
muesste ein Verzeichnis wertvoller Bibliotheken in Privatbesitz
geschaffen werden, das deren Bedeutung fuer die Forschung anders als das
(im Bibliotheksbereich geradezu laecherliche) Verzeichnis national
wertvollen Kulturguts deutlich macht. Kulturdenkmale sind Sachen und
Sachgesamtheiten, an deren Erhaltung aus wissenschaftlichen,
kuenstlerischen oder heimatgeschichtlichen Gruenden ein oeffentliches
Interesse besteht. Die Wissenschaft sollte sich auf diesem Feld mehr als
bisher engagieren, denke ich.

Wer etwas beitragen moechte und seien es auch nur Ideen, wie man etwas
tun koennte, moege sich bitte bei mir melden: graf _at__ uni-koblenz.de oder
Tel. 02606/2165 bzw. 0177-4880893.

Freundliche Gruesse
Klaus Graf


Anhang 1:

1998: Versteigerung des Inventars von "Gut Trages", des Stammsitzes der
Familie von Savigny 

Vom 2. bis 5. März versteigerte das Stuttgarter Auktionshaus Bernd
Rieber das Mobiliar des Herrenhauses von "Gut Trages" (bei
Somborn/Freigericht zwischen Hanau und Gelnhausen), seit 1751 Stammsitz
der bedeutenden Beamtenfamilie von Savigny. Ihr berühmtestes Mitglied:
der Jurist Friedrich Carl von Savigny (1779-1861). Außer- und
Gebrauchsgegenständen wurden auch Familienunterlagen und die Bibliothek
mit wertvollen Altbeständen verkauft. "Ungewöhnlich schmerzhaft" sei in
diesem Fall die "Zerstörung eines Ensembles", schrieb Michael Stolleis
in der FAZ vom 3. März 1998. Eine solide Dokumentation fehlt: "Die
kuriosen Beschreibungen des Katalogs zeigen, daß man sich nicht die Mühe
machte, das Ausgeräumte im einzelnen zu identifizieren und zu schätzen"
(Hartwig Schultz, Savigny-Nachlaß aus Trages kam unter den Hammer, in:
Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel Nr. 26 vom 31.3.1998, S. A
217-218, hier S. A 217).

1998: Versteigerung der Schloßbibliothek Gevelinghausen

Am 16. Mai 1998 versteigerte H. Th. Wenner in Osnabrück die
erhaltenswerte Bibliothek des Schloßes Gevelinghausen (Kreis Meschede),
das seit 1796 im Besitz der Familie von Wendt war. "Die Bibliothek, die
wir in dieser Auktion unter der Besitzernummer (595) anbieten", heißt es
im Katalog Nr. 27, S. 7, "wiederspiegelt die historischen und
wirtschaftlichen Interessen einer westfälischen Adelsfamilie im Wandel
mehrerer Generationen bis etwa 1880. Alte Chroniken, topographische,
juristische Werke, Genealogien sind ebenso vertreten wie seltene
Westfalica oder alte Lehrbücher des 18. und 19. Jahrhunderts".

Anhang 2:
Fürstlich von der Leyensche Bibliothek in Waal (Kreis Schwaben und
Neuburg)

Die Herrschaft Waal hatte nach dem Aussterben des einheimischen Adels im
Mittelalter ihre Besitzer öfter gewechselt, bis sie am 17. Mai 1820 vom
Fürsten Erwin von der Leyen erworben wurde. Der Fürst vereinigte im
Schloß die wenigen geretteten Bestände der in den Revolutionskriegen
verwüsteten Blieskasteler Bibliothek (Lexika, Genealogie,
Naturgeschichte), die vom Grafen Franz Karl von der Leyen (+ 1755)
angelegt worden war, mit der Büchersammlung des Dompropstes von Mainz,
Grafen Damian von der Leyen (französische Literatur und Philosophie),
und mehrte sie durch Ankäufe. Später kam hinzu die Bibliothek des Grafen
Louis de Tascher de la Pagerie (+ 1861) mit französischen und
italienischen Memoirenwerken und militärischer Literatur. Bei den
Neuanschaffungen bevorzugt der Eigentümer Geschichte und schöne
Literatur. Die Bibliothek umfaßt 10-12000 Bände (Handschriften sind
nicht vorhanden). Ihre Benutzung durch Fremde wird in einzelnen Fällen
gestattet. 

Aus: Waldemar Sensburg, Die Bayerischen Bibliotheken. Ein
geschichtlicher Überblick mit besonderer Berücksichtigung der
öffentlichen wissenschaftlichen Bibliotheken, München 1925, S. 149.
Hierauf fußt (ohne zusätzliche Angaben): Minerva-Handbücher 1. Abt.: Die
Bibliotheken: Bd. 1 Deutsches Reich, bearb. von Hans Praesent,
Berlin/Leipzig 1929, S. 699.


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.