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Boettgers Vergesslichkeit und Naumanns Engagement



Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Frau Kollegin von Loews aus dem fernen Maghreb gestellte Frage
nach dem Engagement Herrn Staatssekretaers Naumann in Sachen
Bibliotheken kam zwar nur in INETBIB, ich nehme aber an, dass sie
spartenuebergreifend fuer alle Bibliotheken von Interesse ist (1).

Ebenso spartenuebergreifend fuer alle Bibliotheken interessant
ist ja auch die Frage nach der Realisierung einer effizienten
Nachfolge fuer das aufgeloeste DBI, gilt es doch zu erreichen,
dass die zahlreichen verschiedenen Aufgaben des Instituts nicht
zersplittert an ebenso zahlreichen Stellen angesiedelt werden,
so sich welche finden, oder im Zuge des Personalabbaus im EDBI
zwangsweise voellig eingestellt werden.

So ist also sehr wichtig, alle Kraefte dafuer einzusetzen, dass
es ehebaldigst zur Errichtung jener

          "Informatons- und Serviceagentur fuer
           das deutsche Bibliothekswesen"

kommt, die das von der Staendigen Konferenz der Kultusminister
in der Bundesrepublik Deutschland eingesetzte Expertengremium
empfohlen hat.

In der umfangreiche Aktendokumentation, die Herr Klaus-Peter
Boettger, Vositzender des neuen "Berufsverbands Information
Bibliothek (BIB)", anlaesslich des Leiziger Kongresses im Maerz
dieses Jahres (2000) vorgelegt hat, finden sich nicht weniger
als rund 360 Eintragungen.  Es ist daher verstandlich, dass bei
einer solchen Fuelle schon mal etwas unter den Tisch hat fallen
koennen und so betonte Herr Kollege Boettger ja auch in der
kurzen Einfuehrung zur Dokumentation, es erhebe die Auflistung
"keinen Anspruch auf Vollstaendigkeit".

Gewisslich rein zufaellig fehlt nun im siebenten der nicht
nummerierten Abschnitte der Dokumentation, im Abschnitt

                   "Wesentliche Dokumente",

unter den insgesamt zwar ohnehin nur sieben Eintragungen
gerade das  _wesentlichste_  Dokument, jenes, in dem die vorhin
von mir erwaehnte Empfehlung fuer eine als "Alternative A"
bezeichnete "Informations- und Serviceagentur fuer das deutsche
Bibliothekswesen" ausgesprochen und aus guten Gruenden eine
zweite Alternative, die eines sogenannten "An-Instituts",
verworfen worden war. Es mag somit nuetzlich sein, in einer
kurzen Zusammenfassung die darin ausgesprochenen Fuer und Wieder
der beiden Alternativen in Erinnerung zu rufen, zumal jetzt,
wenn der Wunsch laut wird, Herrn Staatssekretaer Naumann naeher
in die Bemuehungen zur Gewaehrleistung einer  _effizienten_
Nachfolge fuer das aufgeloeste Deutsche Bibliotheksinstitut
einzubinden.

Zur Erinnerung:

Die "Staendige Konferenz der Kultusminister in der Bundesrepublik
Deutschland" hatte angesichts der erwarteten Streichung des DBI
von der "Blauen Liste" und dessen Aufloesung eine

    "Ad-hoc-AG 'Zukunft des Deutschen Bibliotheksinstituts"

mit der Erstellung eines Konzepts beauftragt, das Alternativen
zur Weiterfuehrung

    "unverzichtbarer ueberregionaler bibliothekarischer
     Serviceleistungen"

aufzeigen sollte. Die Konzeption dieser Artbeitsgruppe sollte der
154. Amtschefskonferenz am 23./24. April 1998 vorgelegt werden.

Die Arbeitsgruppe hat ihr Konzept mit Datum vom 6. April 1998
veroeffentlicht, es ist jenes, das versehentlich nicht in die
in Leipzig vorgelegte Aktendokumentation aufgenommen worden war.
Einzusehen ist es unter der URL:
<http://www.dbi-berlin.de/dbi_inf/archiv/dbi-konz.htm>

Das Konzept sieht eine rechtlich selbstaendige eigenstandige
Einrichtung vor, die, mit einem Personalstand von 40 - 60
Personen ausgestattet, nach Aufloesung des EDBI den groessten
Teil der zuvor vom DBI gebotenen "unverzichtbaren ueberregionalen
bibliothekarischen Dienstleistungen" zu erbringen haette; wobei
    -  es ist wichtig, darauf besonders hinzuweisen  -
schon eingerechnet ist, dass eine Reihe der seinerzeitigen
Aufgaben des DBI von anderen Institutionen uebernommen zu werden
haette.

Das Konzept bietet (unter Punkt 2.4.2) zwei Alternativen an
mit der ausdruecklicken Empfehlung fuer die Alternative A.

  A: Die rechtlich selbstaendige eigenstaendige Einrichtung
  B: An-Institut bzw. Angliederung an bestehende Einrichtung

Fuer die Alternative B, die Anbindung an bestehende
Einrichtungen, spraechen gewisse Vorteile etwa durch Nutzung
vorhandener "Verwaltungs- und ggf. auch Finanzierungsstrukturen",
doch heisst es dazu sehr kritisch wie folgt:

" Die gegenueber diesen ungewissen Synergieeffekten weitaus
  schwerwiegenderen Nachteile bestehen darin, daß

  . wesentliche Teile der unter 2.4.1. dargelegten Aspekte
    weitgehend unberuecksichtigt bleiben,

  . insbesondere die interessenmaessige Unabhaengigkeit des
    Aufgabenbereichs oder An-Instituts permanenten Zweifeln
    unterlaege,

  . der Aufgabenbereich bzw. das An-Institut finanziell und
    organisatorisch weniger unabhaengig und daher im Falle von
    unabweisbaren Prioritaetensetzungen Pressionen ausgesetzt
    waere und

  . die spartenuebergreifende Zustaendigkeit auf Dauer
    gefaehrdet waere, da nur eine große wissenschaftliche
    Bibliothek für die Uebernahme der gebuendelten
    unverzichtbaren Serviceleistungen in Betracht kaeme.

Die ausfuehrliche Zitierung erscheint IMHO gerechtfertigt, da
mit grosser Wahrscheinlichkeit die allerwenigsten Kolleginnen
und Kollegen Gelegenheit gefunden haben, das Konzept naeher
einzusehen, insbesondere mit Sicherheit kaum solche aus den
kleineren Bibliotheken, die doch die ueberwiegende Mehrzahl der
vom DBV zu vertretenen Mitgliedsbibliotheken darstellen.  Das
"Konzept" spricht sich   -  im uebrigen konsequent angesichts
der eben gemachten Feststellung  -   aber durchgehend immer
wieder explizit fuer eine  _spartenuebergreifende_
Zustaendigkeit der Nachfolgeinstitution aus, wozu es etwa unter
Punkt 2.2 einleitend heisst:

" Die Arbeitsgruppe teilt die Auffassung der Experten, dass der
  aktuelle und umfassende Informationsfluss nicht nur fuer
  Kontakte und Kooperationen des deutschen Bibliothekswesens
  mit dem Ausland eine unverzichtbare Basis ist, sondern gerade
  auch fuer Bibliotheken aller Sparten auf der nationalen Ebene. "

Es ist voellig evident, dass das jetzt verhandelte "An-Institut"
an die Stiftung Preussischer Kulturbesitz, entsprechend der oben
genannten Alternative B und mit einem Personalstand von 12 (!)
festen Stellen und einigen zusaetzlichen Werkvertraeglern, einem
solchen Auftrag niemals wuerde nachkommen und die zu fordernde
_spartenuebergreifende_   Wahrnehmung der 'unverzichtbaren
ueberregionalen bibliothekarischen Serviceaufgaben' auch nicht
annaeherungsweise im notwendigen Umfang wuede erfuellen koennen.

Gerade die Erbringung dieser spartenuebergreifenden Leistungen
aber war den Experten als  _besonders_  wichtig erschienen,
wie ein Zitat aus Punkt 2.4.1 deutlich macht:

" Fuer eine spartenuebergreifende Wahrnehmung der unverzichtbaren
  ueberregionalen bibliothekarischen Serviceaufgaben spricht:

  . Die immer staerker in den Vordergrund tretenden
    endnutzerorientierten Dienstleistungen und die damit
    verbundene Kundenorientierung der Bibliotheken heben die
    traditionelle Spartentrennung weitgehend auf. Sie fuehrt
    vielmehr zu einer weitgehend funktionalen Arbeitsteilung.

  . Die Sparten des deutschen Bibliothekswesens stehen zunehmend
    vor aehnlichen Herausforderungen (Veraenderungsmanagement,
    gemeinsamer Einsatz moderner IuK-Technik, Zugang zur
    Datenautobahn, gemeinsamer Einkauf von Onlineangeboten, etc.)
    und identischen Problemen (z.B. oekonomischer Einsatz der
    vorhandenen Mittel).

  . Beide Sparten weisen jeweils spezifische
    Entwicklungsfortschritte auf, von denen die andere
    profitieren kann.

  . Das Ausland kennt die strikte deutsche Trennung in
    oeffentliches und wissenschaftliches Bibliothekswesen nicht.

  Eine nach den historisch bedingten Sparten getrennte Wahrnehmung
  der unverzichtbaren ueberregionalen bibliothekarischen Aufgaben
  wuerde bei den Unterhaltstraegern (hier insbesondere den Laendern
  und Kommunen) zu einem Mehraufwand in finanzieller und
  personeller Hinsicht fuehren oder zu einer ungleichgewichtigen
  Entwicklung insbesondere zu Lasten des oeffentlichen
  Bibliothekswesens fuehren."

Die Grundempfehlung der "Ad-hoc-AG" lautete daher:

" Die Arbeitsgruppe empfiehlt somit, kuenftig eine
     zentrale, spartenuebergreifende und gesonderte
     Einrichtung mit dem Profil einer Informations-
     und Serviceagentur fuer das deutsche
     Bibliothekswesens
  zu schaffen und zu diesem Zweck die Alternative A, also die
  Errichtung einer rechtlich selbstaendigen Institution, zu
  betreiben. "

Dem kann von uns aus gesehen nur uneingeschraenkt zugestimmt
werden, denn  _was_  in der Bundesrepublik Deutschland benoetigt
wird und was auch fuer uns uebrige deutschsprachigen Laender von
der allergroessten Bedeutung ist, ist eine leistungsfaehige
Nachfolgeinstitution, die zwar die so wichtigen internationalen
Kontakte nicht nur nicht ausser Acht laesst, sondern moeglichst
effizient pflegt und erweitert, die aber vor allem als ein

    _nationales_ Zentrum der vielfaeltigsten Hilfestellung
    fuer _alle_  Sparten des Bibliothekswesens

agiert, wie es ja in der vorzitierten Einleitung zu Punkt 2.2.2
dieses Konzepts vom 6. April 1998 ausdruecklich verlangt wird.

Abschliessend zur Frage nach Herrn Naumanns Engagement waere
ihm jetzt in Form einer konzertierten oeffentlichen Aktion in
Erinnerung zu rufen, dass der Wissenschaftsrat ausdruecklich
empfohlen hatte, "die Chance zu einer organisatorischen
Erneuerung der ueberregionalen Koordinierung und Entwicklung
des Bibliothekswesens zu nutzen" (2) und dass das hiefuer von
Experten erarbeitete Konzept vom 6. April 1998 noch auf seine
Verwirklichung wartet.

(1) Luise von Loew "Naumanns Engagement" in INETBIB am 15.05.2000
<http://www.ub.uni-dortmund.de/Listenarchive/INETBIB/200005/20000515.html#2>

(2) Geschaeftsstelle des Wissenschaftsrates:
    Wissenschaftspolitische Stellungnahme zum Deutschen
    Bibliotheksinstitut (DBI). Drs. 3248/97 vom 14.11.1997.
    Hier:  Letzter Absatz.
<http://www.dbi-berlin.de/dbi_inf/archiv/stelnahm.html>

Mit besten kollegialen Gruessen

Hans Wagner
Bibliotheksdirektor a. D., SuUB Bremen
ehem. Vorsitzender des sztg. VDB-Landesverbandes Bremen
nachmals (Leitender) Bibliotheksdirektor in Wien

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Dr. Hans Wagner
Hoher Markt 5/28
A-1010 Wien
FON: +431 533 05 38
FAX: +431 533 38 85
e-mail: hans.wagner _at__ teleweb.at
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Informationen zur DBI-Nachfolge-Problematik:
<http://www.dbi-berlin.de/dbi_ber/dobi/dobinet/schnell.htm#eigen>
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