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Diplomarbeiten [Fwd: Elektronische Pruefungsarbeiten]



Da sich vielleicht nicht jeder daran erinnert, was ich am 16.8.1997
schrieb, moechte ich es hier nochmals zur Diskussion stellen.
 
> Herbert Woeske wrote:
> 
> > Liebe KollegInnen,
> >
> > als jemand, der seit fast 20 Jahren eine Chemie-Bibliothek verwaltet,
> > finde ich diese Diskussion aeusserst anregend und setze grosse Hoffnungen in
> > diese Entwicklung. Ich muss nicht nur Dissertationen, sondern auch
> > Diplom- und Staatsexamensarbeiten in meiner Bibliothek aufbewahren.
> > Tatsaechlich ist es so, dass viele Arbeiten nach der Abgabe nie wieder
> > gelesen werden und man koennte sie als "Altpapier" bezeichnen.
> > Leider ist es aber nach guter Murphy-Regel so, dass gerade die Arbeit
> > dringend benoetigt und gesucht wird, die aus dunklen Gruenden ("natuerlicher Schwund",
> > verstellt, etc. ...) nicht aufzufinden ist. Es bedarf nahezu hellseherischer
> > Faehigkeiten, um zum Zeitpunkt der Abgabe schon die spaetere Bedeutung
> > einer Arbeit zu erkennen. Deshalb muessen wir wohl oder uebel alles sammeln,
> > was abgeliefert wird.
> > Nebenbei bemerkt gibt es auch unter unseren Absolventen immer wieder Kandidaten,
> > die sich - aus welchen Gruenden auch immer ("Duennbrettbohrer", Plagiatoren, ...)
> > - beharrlich weigern, ein Pflichtexemplar ihrer Hochschulschrift in der
> > Instituts-Bibliothek abzugeben und damit den kritischen Augen der Oeffentlichkeit
> > zugaenglich zu machen.
> > Trotzdem stehe ich vor dem Problem, dass ich eine "Praesenzbibliothek" verwalte,
> > und unsere Diplom- und Staatsexamensarbeiten nur ausnahmsweise ausleihen darf,
> > obwohl sich darunter auch hervorragende Werke befinden. Deshalb hoffe ich, dass
> > auch diese Arbeiten eines Tages ins Netz gesetzt und somit allen Interessenten
> > leicht zugaenglich gemacht werden koennen.
> >
> > Mit besten Gruessen
> > H. Woeske (Dipl.-Bibl.)
> 
> Liebe Liste,
> Herr Woeske spricht das IMHO grosse Problem der Pruefungsarbeiten ohne
> Druckpflicht neben den Dissertationen an (Diplomarbeiten,
> Magisterarbeiten, Habilitationen). Es beschaeftigt mich seit 1989, und
> auch ich setze einige Hoffnung in das Internet, denn die derzeitige
> Praxis der Bibliotheken und Universitaetsarchive wuerde ich als voellig
> unbefriedigend bezeichnen. Meines Erachtens fehlt schlicht und einfach
> (vor allem in den eigentlich zustaendigen Universitaetsbibliotheken) ein
> Problembewusstsein auf diesem Feld, weil nach wie vor eine empirisch
> durch nichts begruendete arrogante Einschaetzung dieser Arbeiten als
> wertlos vorherrscht.
> 
> Es stimmt schlicht und einfach nicht, wenn Lutz Heusinger schreibt:
> "Daß der Inhalt sehr guter Magisterarbeiten in der Regel einige Jahre
> später dank des Druckzwangs für Dissertationen doch noch das
> Licht der Öffentlichkeit erblickt, darf als bekannt vorausgesetzt
> werden."
> Zitat aus: http://fotomr.uni-marburg.de/for.htm
> 
> Magisterarbeiten vor allem deshalb nicht zu sammeln, weil damit dem
> "ueberzogenen Aufwand" (Heusinger) bei der Erstellung vorgebeugt werden
> koennte, vermischt (IMHO fragwuerdiges) hochschulpolitisches Raesonieren
> und die ueberfaellige Debatte zur Archivierungspflicht der
> Bibliothekare.
> Dass zwar die mieseste Familiengeschichte im Selbstverlag dem
> Pflichtexemplarrecht unterfaellt, nicht aber solche Pruefungsarbeiten,
> will mir ganz und gar nicht einleuchten.
> 
> Fuer die Geisteswissenschaften und insbesondere die
> Geschichtswissenschaft, fuer die ich mir ein Urteil erlauben kann,
> wuerde ich von einem nicht zu vernachlaessigenden Anteil von wichtigen
> und weiterfuehrenden Magisterarbeiten, die (aus welchen Gruenden auch
> immer) nicht zum Druck gelangen, ausgehen. So ist die (verfehlte)
> Pflichtexemplar-Regelung des Landesarchivgesetzes von Baden-Wuerttemberg
> hinsichtlich ihrer Erstreckung auf unveroeffentlichte Schriftwerke
> ausdruecklich mit dem besonderen Wert von "Examensarbeiten" fuer die
> Erschliessung des Archivguts begruendet worden (vgl.
> Bannasch/Maisch/Richter, Archivrecht in Baden-Wuerttemberg, 1990, S.
> 156).
> 
> Da in den Pruefungsordnungen kaum einmal eine Abgabepflicht normiert ist
> (abgesehen vom juristischen Problem der fehlenden gesetzlichen Grundlage
> - die gibt es nur fuer Disssertationen), ist bereits die Sicherung eines
> einzigen dauerhaft aufbewahrten Exemplars nicht gewaehrleistet, denn
> Universitaetsarchive werfen die ueber die amtlichen Akten zu ihnen
> gelangten Arbeiten oft weg bzw. waehlen vielfach nur die sie zufaellig
> Arbeiten aus der geschichtwissenschaftlichen Fakultaet aus, bewerten
> also nicht nach dem potentiellen wissenschaftlichen Wert der Arbeit (was
> an sich ganz in Ordnung waere, wenn sich die Bibliothekare darum
> kuemmern wuerden).
> 
> Als Mindestforderung waere die dauerhafte Einstellung jeder solchen
> Arbeit in wenigstens einem Exemplar in eine oeffentlich zugaengliche
> Bibliothek anzustreben. Noch besser waere natuerlich, wenn
> Pruefungsarbeiten, die im urheberrechtlichen Sinne durch die Einstellung
> zwar veroeffentlicht, aber nicht erschienen sind, auch kopiert und ueber
> die Fernleihe auswaertigen Interessenten zugaenglich gemacht werden
> duerften (die Leihverkehrsordnung schiebt dem einen Riegel vor).
> 
> Dass die Euphorie fuer E-Texte nunmehr an den hier bestehenden
> Verkrustungen nagt, ist ganz erfreulich. Wichtig waere aber auch, dass
> in Bibliotheken in konventioneller Form existierende Arbeiten in den
> OPACs der Verbuende ueberhaupt nachgewiesen wuerden. Daneben waeren
> fachspezifische Nachweisinstrumente im Internet nuetzlich, die Abstracts
> und Informationen ueber Zugangsmodalitaeten enthalten sollten.
> 
> Ich moechte somit dringend dafuer plaedieren, den Blick nicht nur auf
> die elektronischen Dissertationen zu richten, sondern auch die anderen
> Pruefungsarbeiten in die Ueberlegungen miteinzubeziehen.
> 
> Freundliche Gruesse von der Mosel
> Dr. Klaus Graf
> e-mail: graf _at__ uni-koblenz.de
> http://www.uni-koblenz.de/~graf/


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