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Zukuenftige Finanzstrategien



Liebe Kolleginnen und Kollegen,
der 91. Deutsche Bibliothekartag vom 02. ? 05.April 2001 in
Bielefeld stand unter dem Motto "Bibliotheken - Portale zum
Globalen Wissen" und sollte die Bedeutung und die Rolle der
Bibliotheken in der entstehenden Informationsgesellschaft
unterstreichen und zugleich auch reflektieren. Damit war dieser
Bibliothekartag auch als Zeichen für den Aufbruch der Bibliotheken
in die Zukunft geplant. Themen wie Vortraege und Diskussionen
sind diesem Anspruch durchaus gerecht geworden.
Dem hohen Niveau der Tagung nicht angemessen waren allerdings
die Aussagen der Verbandsvertreter zu Ursache und Loesung der
sogenannten ?Bibliothekskrise? und der Finanzprobleme, sowie ihre
Polemik gegen abweichende, aber sehr viel intelligentere
Loesungsvorschlaege.
Anlass hierfuer war die unter anderem von mir vorgetragene
Auffassung, dass es nicht genuegt, nur die schwierige Situation
der Bibliotheken hinsichtlich Zeitschriftenkrise, hoher Preise und
knapper Etats zu beschreiben und deshalb mehr Finanzmittel der
oeffentlichen Hand zur Weiterfuehrung des gewohnten
bibliothekarischen Geschaefts zu fordern. Geld für Buecher alleine
kann nicht der Zweck unser aller Bemuehungen um die
Zukunftsfaehigkeit der Bibliotheken sein. Vielmehr muessen sich
die Bibliothekare der Oeffentlichkeit mit einer Vorwaertsstrategie
praesentieren und ihre Vorbereitungen auf die Informations- und
Wissensgesellschaft sowie die moeglichen Aufgaben- und
Taetigkeitsbereiche im digitalen Zeitalter angehen.
Diese Diskussion ist fuer die aktive Gestaltung der Zukunft für die
Bibliotheken geradezu lebensnotwendig. Ich bedaure deshalb um
so mehr, dass diese bibliothekspolitisch notwendige
Standortbestimmung von Verbandsvertretern missverstanden und in
einseitiger Weise oeffentlich missinterpretiert wurde.
Zur Verdeutlichung fasse ich noch einmal meinen Standpunkt
anhand der wichtigsten Thesen zusammen. Dabei stuetze ich mich
im uebrigen auch auf Papiere des Bundesministeriums für Bildung,
Wissenschaft, Forschung und Technologie, der
Hochschulrektorenkonferenz und der Kultusministerkonferenz.

1. Die durch fehlende Erwerbungsmittel charakterisierte
"Bibliothekskrise" beruht nur vordergruendig auf einer Finanzkrise.
Vielmehr sind die finanziellen Probleme Ausdruck einer
grundlegenden Strukturkrise der Bibliotheken.

2. Die Bibliothekskrise laesst sich durch die konventionellen, d.h.
strukturerhaltenden Ansaetze nicht loesen. Vielmehr muessen die
Bibliotheken die neuen strukturellen Moeglichkeiten nutzen, die
sich durch die Bereitstellung elektronischer Formen via Internet
ergeben und so ein zeitgemaesses und effektives Management für
die Informations- und Literaturversorgung aufbauen.

3. Durch die Bibliothekskrise wird deutlich, dass die Bibliotheken
nur unzureichend auf das Internetzeitalter vorbereitet sind und sich
viel staerker als bisher an den technischen, konzeptionellen und
rechtlichen Entwicklungen des Internets und den entsprechenden
Diskussionen beteiligen muessen.

4. Die Bibliotheken muessen sich verstaerkt um die Entwicklung
elektronischer Dienstleistungen und den Ausbau der hierzu
notwendigen Infrastruktur bemuehen. Hierbei koennen und
muessen sie auch Felder besetzen, die ihre aktive Rolle als
Informationsvermittler unterstreichen. Sie muessen zusammen mit
der Informationsindustrie neue und intelligente Loesungen zur
Auffindung relevanter Informationen bereitstellen, die dem
mittlerweile unueberschaubaren Informationszuwachs wirksam
entgegengestellt werden koennen. Die Bibliotheken muessen sich
dafuer neu organisieren.

5. Aber auch fuer intelligente Loesungen braucht man mehr Geld.
Man soll es allerdings fuer die richtigen Prioritaeten und Konzepte
ausgeben.

Ich halte es fuer laengst ueberfaellig, dass die Bibliotheken die
Auseinandersetzung um die Gestaltung der eigenen Zukunft
endlich aufnehmen. Es ist kontraproduktiv, in einer solchen
Situation immer wieder nur "mehr Geld" zu fordern. Ich appelliere
dringend an alle, die Verantwortung tragen und um unsere Zukunft
besorgt sind, eine offene, konstruktive und handlungsrelevante
Diskussion zu fuehren.

Mit freundlichen Gruessen
Dr. K. W. Neubauer

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Barbara Knorn
Bibliothek der Universitaet Bielefeld
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