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Re: Bibliothekswissenschaft?



Eric Steinhauer schrieb:
...
> Man könnte natürlich darüber nachdenken, warum vor allem bei Bibliothekaren die
> Bibliothekswissenschaft umstritten ist. Immerhin sind Professionalisierung und
> Verwissenschaftlichung von Lebensbereichn immer auch mit Prestigegewinn
> verbunden. Wer das nicht glaubt, der frage einmal die Sozialarbeits- oder die
> Caritaswissenschaftler. Vor diesem Hintergrund ist die besonders kritische
> Diskussion in den eigenen Reihen nur verwunderlich.
> 
> Vielleicht - und das ist bloß eine These - liegt die "Wissenschaftsallergie"
> der "wissenschaftlichen" Bibliothekare an dem zwischem studierter Wissenschaft
> und geforderter Verwaltungspraxis hin und her oszillierenden Berufsbild.
> Darüber könnte man mit größerem Gewinn diskutieren als über die Frage, ob es
> Bibliothekswissenschaft gibt. Diese Frage hat die Praxis längst entschieden.
...

Liebe Liste,
dieser ausgezeichneten Analyse von Eric Steinhauer moechte ich mich 
anschliessen. 

Zur Untermalung ein Beispiel aus einem anderen Bereich: 
die Krankenpflege. Die meisten wissen wahrscheinlich gar nicht, 
dass man das studieren kann. Kollege Hilberer wuerde dazu 
wahrscheinlich argumentieren: " ich bin in die Krankenpflegeschule XY 
gegangen, und bilde mir ein, dort eine Menge gelernt zu haben, weil 
unsere Lehrer Praktiker waren, und mir genau gesagt haben, wie ich 
einen Verband anzulegen habe ..." 
Inzwischen gibt es aber 39 Pflegestudiengänge an 34 Fachhochschulen, 
Hochschulen und Universitäten in Deutschland, und niemand bezweifelt 
mehr (wie manchmal noch vor 10 Jahren), dass dies wissenschaftlich 
und volkswirtschaftlich sinnvoll ist.

Ob das, was sich alles Bibliothekswissenschaften nennt, diesen 
Anspruch erfuellt, ist sicherlich ein Thema; es jedoch grundsaetzlich 
in Frage zu stellen, ist schon sehr kurz gedacht.
Entscheidend ist doch die Bedeutung des Lebensbereichs. Wenn man sieht, 
wieviele Millionen DM der Bibliotheksbereich kostet, dann muss dieser 
Bereich professionell und wissenschaftlich durchdrungen werden, dann 
gibt es schlicht und einfach viele Aufgaben, die sich nicht durch 
'Praxis' adaequat bearbeiten lassen.

Zwei Beispiele: 
Wenn ich (als Dokumentar und Datenbankproduzent seit 25 Jahren) mir 
die 'Qualitaeten' von Aleph oder PICA als Datenbank anschaue und diese 
mit dem schon vor Jahren erreichten Retrieval-Standard bei DIMDI, 
FIZ Technik, STN oder anderen Hosts vergleiche, dann frage ich mich  
wirklich, wozu ein Referendariat (das die meisten Entscheidungstraeger 
wohl durchlaufen haben) eigentlich qualifiziert.

Oder dieses Gewuerge um die gemeinsame Schlagwortdatei. Seit einiger 
Zeit verbringe ich einen Teil meiner gutbezahlten Arbeitszeit damit, 
gesundheitswissenschaftliche Titel unserer UB zu verschlagworten. 
Dafuer recherchiere ich oft bei der DDB, um zu sehen, welche Begriffe 
andere fuer aehnliche Titel genommen haben - und es verschlaegt mir 
immer wieder die Sprache ... 
Entweder man arbeitet fachlich mit verschiedenen Thesauri (wie in 
der Dokumentation) oder laesst das Ganze zugunsten von automatischen 
Systemen oder Klassifikationen; das jetzige System ist eine riesige 
Vergeudung von Ressourcen. Zu diesem Themenkomplex gibt 
es  - besonders in der englischen Literatur - gute wissenschaftliche 
Untersuchungen, aber die werden in einem Referendariat vielleicht 
auch nicht beobachtet (?)

Nach diesen Provokationen, die ich einfach mal loswerden musste, 
noch zwei positive Hinweise, die den Sinn wissenschaftlichen Arbeitens 
mit Bibliotheksthemen hervorragend unterstreichen: 
 - Integratives Controlling für wissenschaftliche Bibliotheken 
   von Klaus Ceynowa
   http://www.uni-muenster.de/ULB/bibliothek/proj-controll.html
 - Leitung und Kooperation in wissenschaftlichen Bibliotheken Berlins
   - eine empirische Untersuchung von Gerhard Paul
  
http://dochost.rz.hu-berlin.de/abstract.php3/dissertationen/phil/paul-gerhard

Schoene Gruesse
Ruediger Schneemann

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