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Re: Zeit fuer Elite-Bbliotheken?



Man kann sich heute sicher an dem Wort "Nationalökonomie" stoßen. Es ist aber eine Tatsache, dass die Wissenschaftler und insbesondere die wissenschaftspolitischen Entscheidungsträger heute nationalistischer denken als früher, sonst hätten wir nicht die zunehmende Diskussion über Green Card, Brain Drain oder Studiengebühren. Nach Landwirtschaft und Industrie lebt diese Gesellschaft mehr als je zuvor von der Wissenschaft und damit vom internationalen Wettbewerb in der Erzeugung von neuem Wissen. Sie ist eine Wissenschaftsgesellschaft weil sie nichts dringender braucht als neues Wissen. Das Schlagwort Wissensgesellschaft ist genau genommen abwegig.

Was die Übertragung von Wissen anbelangt, so ist es richtig, dass wir eigentlich nur Information übertragen können.
Wenn wir dabei aber Begründungen mitliefern, warum etwas so und nicht anders ist, machen wir es für den Empfänger leichter,
dass sich das entsprechende Wissen in seinem Kopf bilden kann. So versuchen Lehrer seit langem Wissen in der Schule zu vermitteln, und Lehrbücher bzw. wissenschaftliche Aufsätze werden in diesem Sinne geschrieben.


Eine Entdeckung, Erfindung oder ein Beweis hat immer nur einen Urheber weltweit, danach werden nur noch (fast kostenlose) Kopien (Redundanzen) erzeugt, während die Landwirtschaft und die Industrie davon lebte bzw. lebt, dass sie bestimmte Produkte schafft und verkauft. Damit die fast kostenlosen Redundanzen der Marktwirtschaft gerecht werden, betreibt man die tollsten Anstrengungen, um diese Kopien zu verknappen, nur damit nicht jeder daran kommt und damit die Preise hoch bleiben. Auf diesem Wege werden im Digital Divide heute die armen Völker immer ärmer und die reichen immer reicher. Das ist ohne Zweifel ein entscheidendes Stück Wettbewerbsverzerrung für die einzelnen Nationalökonomien.


MfG


Umstätter


Bernhard Eversberg wrote:


On 12 Jan 04, at 12:48, W. Umstaetter wrote:



Darum hatte Harnack recht, als er die Bibliothekswissenschaft als eine Nationalökonomie des Geistes und als eigene Geistes-wirtschaft bezeichnete.


So einsichtsvoll und treffend diese Bezeichnung ist, wir sollten eine neue finden, denn sie passt nicht recht in den heutigen Sprachgebrauch.
"Wissens-Wirtschaft" wuerde wohl besser ankommen, finde ich persoenlich aber auch nicht so ganz ideal. Denn wir handeln nicht wirklich mit Wissen (oder Geist!). Was wir auffindbar machen, vorhalten und über die Theke schieben, sind *Aufzeichnungen* von Erkenntnissen und Eingebungen, nicht das Wissen selbst. Das bildet sich erst neu im Kopf des Lesers, wenn der kapiert, was er liest, es ist aber dann wohl nie 100% identisch mit dem, was der Autor sich gedacht hat, weil das Vorwissen (die "Bildung") immer individuell anders ist. Der freie und leichte Zugang zu Aufzeichnungen aller Art ist es, was der Leser braucht und Bibliotheken ermoeglichen muessen. Die Sacherschliessung allerdings, die befasst sich schon recht eng mit dem Wissen, das in den Aufzeichnungen steckt.
Aber das ist Theorie, so genau wird das nicht jeder bedenken wollen in dieser unserer Zeit.


B.E.


Bernhard Eversberg
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