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Semantisch interoperable Wissensnetze für Annotate: Topi c Maps auch für CIPACs (war: Katalog der Bayerischen S taatsbibliothek | Wikis)



Liebe Liste,

seit etlichen Jahren werden Online-Annotationsmöglichkeiten für Kataloge
gefordert, sind aber in der Praxis leider nicht anzutreffen. Dies führt zu
Mehrfacharbeit und zu einer schlechten informationellen Ausnutzung von
Ressourcen. Die Einführung von Annotationsmöglichkeiten zur Überwindung von
Medien- und Informationsbrüchen ist daher sehr zu begrüßen.

Aus Nutzersicht sind CIPACs [1] - wie der von der BSB kürzlich online
gestellte [2] - ein Notbehelf, um angesichts begrenzter Ressourcen die
Übergangszeit bis zu einer wirklichen Katalogisierung in
weiterverarbeitbaren Formaten zu überbrücken. Das heißt aber nicht, dass in
jedem Fall die Retro-Katalogisierung nach bibliothekarischen Standards
anzustreben ist.

Mit Wikis [3-5] lassen sich solche Annotationsmöglichkeiten technisch
einfach verwirklichen, auch ist sofort ein Nutzen zu sehen, gerade wenn man
den Aufwand auf die meistgenutzten Ressourcen lenkt. Der inhaltliche Aufwand
liegt dann bei den Nutzern, der Nutzen bei allen, auch bei den Bibliotheken.

Ein Grund dafür, dass Annotate bislang aus bibliothekarischer Sicht nicht
erwünscht waren, ist wohl auch darin zu sehen, dass man Angst hatte, damit
qualitätskontrollierte Sacherschließungs-Umgebungen zu "verschmutzen". Zum
Teil war dies berechtigt, da keine Mittel zu Verfügung standen,
Erschließungsdaten unterschiedlicher Güte und Herkunft auseinanderzuhalten.
Dies hat sich inzwischen geändert.

Mit Wikis kann man zwar durch dezentralen Freiwilligeneinsatz Medienbrüche
und weitere Hürden überwinden (Schreibschrift, Sütterlin, schlechte Scans),
jedoch bleibt das Problem informationeller Brüche, weil das Annotat nicht
semantisch ausgezeichnet ist, sondern Freitext.

Auf andere Nachteile von Wikis (Vandalismus war angesprochen) gehe ich hier
nicht ein.

Stattdessen möchte ich aus wissensorganisatorischer Sicht zur
Weiterentwicklung anregen. Hier zunächst nur eine kurze Skizze.

Was ist zu tun, damit Aussagen über Sachverhalte, die auch Ressourcen
betreffen können, intelligent durch viele nicht zentral koordinierte
Wissensarbeiter schrittweise und möglichst semantisch interoperabel
verknüpft werden können?

Im Rahmen der Informationsarchitektur schlage ich hierfür längerfristig
Topic Maps [6] vor, die mit OWL/RDF ein Vokabular teilen [7, 8]. Per Design
wirken diese durch virtuelle Integration Informationsbrüchen entgegen.
Was ist zu tun, damit diese einsetzbar werden?

Wir kennen die Vision smarter Produkte, die uns auf Wunsch potentiellen
Zusatznutzen offerieren, wenn wir uns in ihren Kontext bewegen. Genau das
ist auch für Informationsressourcen zu fordern, hier beispielsweise für das
gescannte Abbild einer Katalogkarte.

Grundsätzlich ist also zu fordern, dass es für Nutzer möglich sein soll,
bereits vorhandene Informationen zu einer solchen Ressource, egal woher,
beim Betrachten derselben optional anzeigen zu können.
Technisch können dazu semantische Web Services, ggf. auch auf Basis von
Topic Maps, eingesetzt werden.

Man fasse sich zunächst an die eigene Nase und bringe lokal verfügbare
Informationen ein, z.B. ob die Karte bereits im OPAC retro-katalogisiert ist
oder wie oft sie aufgerufen wurde. In OPACS kann ja bei der
Retro-Katalogisierung die Kartennummer als Bezugsquelle mit aufgenommen
werden, woraus sich diese Info automatisch generieren lässt. Das spart
Nutzern das mühselige doppelte Recherchieren in beiden Katalogen (immer erst
OPAC, nur bei 00 CIPAC).

Man wünscht sich, dass weitere Informationen ebenso einblendbar sind, und
zwar unabhängig davon, woher sie kommen. Beispielsweise ist folgende
Information nützlich: Ein Nutzer hat bereits erkannt (durch Recherche im KVK
und Zuordnung über geeignete Architektur und ansprechende
Benutzerschnittstelle), dass für eine Karte, die noch nicht
retro-katalogisiert, für das dort genannte Werk eine brauchbare Formal- und
Sacherschließung in einem Bibliotheksformat online bei einer anderen
Einreichung vorliegt. Diese Verknüpfung kann zur optionalen Anreicherung der
Köpfe benutzt werden - oder eben einfach nur beim Aufrufen der Karte in
einer virtuellen "HotSpot"-Umgebung eingeblendet werden.

Weiter sind die Scans und die Metadaten dauerhaft einzeln über URNs/PURLs
identifizier- und adressierbar zu machen. Einige CIPACs verstecken die
Karten-Instanzen ja ziemlich in Java-Applikationen. Information über die
Identität von Ressourcen [9] benötigen sowohl Topic Maps als auch in
RDF/OWL. Mehrwert: Man kann Aussagen über diese aus verschiedensten Quellen
virtuell zusammenführen, kommt also dem Ziel der Kollokation deutlich näher.

Man möchte über Themen (Ideen, gedankliche Gegenstände) Aussagen machen.
Dazu ist eine Trennung der Ideenebene von der Ressourcenebene - wie bei
Topic Maps - höchst geeignet.

Man braucht eine Möglichkeit, intellektuell erkannte Zusammenhänge zwischen
Themen (also semantische Relationen) auch in einer semantischen
Auszeichnungssprache austauschbar festzuhalten. Auch hier eignen sich Topic
Maps. Wiki-Einträge sind danach ja "nur" Hyper-Freitext. Sie können
allerdings wieder in Wissensnetze eingebunden werden.

Da auch Aussagen über Aussagen (z.B. Bewertungen, Anbieterkennzeichnung von
Metadaten) möglich sind und Gültigkeitsbereiche von Aussagen eingeschränkt
werden können (Scopes), können Metadaten von beliebigen Quellen zugelassen
werden. Die Nutzerin entscheidet mit ihrem Profil, welche sie akzeptiert.

Anwendungsbeispiel:

Damit man sich die Grundidee praktischer vorstellen kann, habe ich die
Unterlagen zu einem kürzlichen Vortrag (TU Eindhoven) online gestellt:
http://kpeer.wim.uni-koeln.de/~sigel/veroeff/publications_from_2004.html

Wie man den Folien (Kuchenheim Szenario) und teilweise auch bereits der
Online-Demo (fast immer verfügbar, bei näherem Interesse gerne
Email) z.B. entnehmen kann:

ist die Katalogkarte 40864103 aus dem Image-Quart-Katalog der BSB _über
dasselbe Werk_ von Gisbert Beyerhaus über Friedrich von Bezold und das
Problem der universalen Sympathie, zu dem auch die StUB FfM und die ULB in
Bonn Kopien halten. Weder die Image-Karte der StUB noch die der BSB haben
Metadaten. Aber die UB Bonn hat sie in SISIS.
Man erfährt auch, dass Bezold Vater zweier Töchter ist, die beim Roten Kreuz
gearbeitet haben, er an der Uni Bonn Professor war und dass seine Schüler -
darunter Beyerhaus - über ihn eine Festschrift publiziert haben, worin es
u.a. Beiträge zum Kuchenheimer Religionsklub (über das es noch ein anderes
Werk mit fast gleichlautendem Titel gibt, dessen Sacherschließung
(Freidenkener, Kirchengeschichte (katholisch) + Euskirchen-Kuchenheim,
Aufklärung!) sich für ersteres übernehmen läßt) sowie z.B. einen Beitrag von
Rudolph Meissner über die Merseburger Zaubersprüche gibt (cuoniouuidi kommt
im ersten vor). Das komplette Inhaltsverzeichnis der Festgabe findet sich
nur im COPAC. Dass diese Festgabe, vorhanden ULB, eine Aufsatzsammlung ist
sowie über Weltgeschichte handelt, entnimmt man nicht den Metadaten des
ULB-Katalogisates, sondern dem BVB. Noch kann man die Festgabe bei ZVAB
kaufen.

Bezold ist der Bezold (_selbe_Person_), der über folgende IDs
identifizierbar ist:
- 11866280 (p, DDB)
- 16.1p (Kalliope-Portal)
- WBI [12]:
         Name: Bezold, Friedrich von
   Lebensdaten: 1848-
      Beruf(e): Historiker/503
        Archiv: Deutsches Biographisches Archiv
         Fiche: I 98,68

Titel der Quelle: DÖS [= Kurztitel]
                  Deutschlands, Österreich-Ungarns und der Schweiz
                  Gelehrte, Künstler und Schriftsteller in Wort und
                  Bild. - Hannover. - 1908

 - und er war 1. Direktor des Germanischen Nationalmuseums und hat einen
Brief von Richard Zoepffel erhalten, dieser auch vorhanden ULB.

Kleinere Tippfehler in den Katalogisaten zur Festgabe fallen auf in: SBUB
(über SWB), ABES und COPAC. Wie kann ich diese Erkenntnisse annotieren,
fragt sich der Nutzer?

Das Iltis-Gateway mit seinen komplizierten Sessions ist übrigens für
Informationsagenten sehr schlecht nutzbar. Ich bin daran interessiert,
Identitätsinformation in Form ordentlich dokumentierter Published Subjects
[10] voranzubringen. Auch wenn zu hoffen ist, dass VIAF-Normdaten [11]
einschliesslich DDB-Normdaten dereinst auch in dieser Form bereitstehen
werden: Welche Möglichkeiten habe ich heute, Auszüge davon testweise zu
veröffentlichen?

Auch wenn dies nur ein erstes Beispiel ist, das noch Fehler und teilweise
krude Modellierung enthält, nicht alle Features nutzt (z.B. Reifikation,
PSIs), es händisch erstellt ist und die Austauschbarkeit mit anderen
Anbietern hier nicht Focus ist:
Es zeigt, wohin die Reise bei von Nutzern bereitgestellten Annotaten bei der
virtuellen Integration verstreuter (i.S. v. scattered) Ressourcen unter
Nutzung von Semantic Web-Technologien gehen könnte.

Es ist sicherlich spannend, solche Umgebungen auch unter Einbeziehung von
CIPACs in größerem Maßstab einzusetzen und zu sehen, wie sich die von
Nutzern bereitgestellten Wissensnetze entwickeln werden.

An einem Austausch über diese Themen und gemeinsamer Arbeit bin ich sehr
interessiert.

Referenzen:

[1]
Otto Oberhauser's International CIPAC list
http://novsrv3.ub.tuwien.ac.at/cipacs/c-i.html
[2] Pressemitteilung BSB, ÖA, Manfred Hank Katalog der Bestaende der
Bayerischen Staatsbibliothek der Jahre 1841 bis 1952 jetzt als Image-Katalog
zugänglich Inetbib 30.1.2004
http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg23510.html
[3]
Lars Aronsson
Vorschlag, Wikis zur Annotation von Katalogisaten zu verwenden Inetbib
30.1.2004 http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg23511.html
[4]
Klaus Graf
Aufforderung zum Bericht über eigene Erfahrungen mit derartiger
Lesermitarbeit Inetbib 30.1.2004
http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg23513.html
[5]
Lars Aronsson
Kurzbericht über schwedisches Wiki für Retrokonversion
http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg23517.html
[6]
Sigel, Alexander (2003): Topic Maps in Knowledge Organization
Buchkapitel in: Park, Jack [Ed.]; Hunting, Sam [Technical Ed.] (Hrsg.): XML
Topic Maps: Creating and Using Topic Maps for the Web. Boston: Addison
Wesley. (Open Knowledge Systems; 1)
früherer Entwurf online:
http://kpeer.wim.uni-koeln.de/~sigel/veroeff/XTM-Book/
[7]
Lars Marius Garshol (2003): Living with topic maps and RDF
http://www.ontopia.net/topicmaps/materials/tmrdf.html
[8]
Lars Marius Garshol (2003): The RTM RDF to topic maps mapping
http://www.ontopia.net/topicmaps/materials/rdf2tm.html
[9]
Pepper, Steve & Schwab, Sylvia (2003):
Curing the Web's Identity Crisis: Subject Indicators for RDF
http://www.ontopia.net/topicmaps/materials/identitycrisis.html
[10]
OASIS Technical Committee on Published Subjects
http://www.oasis-open.org/committees/tc_home.php?wg_abbrev=tm-pubsubj
[11]
VIAF: The Virtual International Authority File
(OCLC Project Homepage)
http://www.oclc.org/research/projects/viaf/
[12]
World Biographical Index. Internationaler Biographischer Index 12. K.G.
Saur.
(hier das allein wirklich benutzbare Braunschweiger Allegro-C-Interface)
http://www.biblio.tu-bs.de/acwww25u/wbi/

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Alexander Sigel, M.A., Researcher
sigel@xxxxxxxxxxxxxxxx, +49 221 470-5322, http://kpeer.wim.uni-koeln.de/
U Cologne, Dept. for Information Systems & Information Management
office: Pohligstr. 1, Room 406, 50969 Cologne, GERMANY
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Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.