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AACR in Leipzig (Teil 1)



Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

ich bin gebeten worden, eine Zusammenfassung der Veranstaltung
des Standardisierungsausschusses auf dem Leipziger
Bibliothekskongress zu liefern, wobei ich wie stets nur meine
subjektiven Eindruecke und Gedanken wiedergeben kann. Der Text
ist diesmal leider so lang geworden, dass ich ihn fuer Inetbib auf
zwei Mails verteilen muss... sorry!

1. Ansetzungen:
Wie Luise Hoffmann in ihrem Eingangsreferat ausfuehrte, duerfte
die Uebernahme englischsprachiger Ansetzungen bei einem
Umstieg "kaum konsensfaehig" sein. Fuer mich bleibt daher
unverstaendlich, warum bei der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung
genau diese voellig unrealistische Annahme zugrunde gelegt
wurde. Bei den beiden anderen Optionen (originalsprachlich oder
deutsch) waere die Moeglichkeit der Fremddatenuebernahme - dies
sieht Frau Hoffmann durchaus - deutlich eingeschraenkt.
Desungeachtet argumentierte sie im weiteren Verlauf der
Veranstaltung wiederholt mit der Datenuebernahme: 60 % aller DB-
Titelsaetze seien in OCLC vorhanden; eine durchschnittliche UB
koenne gar mit gegen 100 % rechnen (als Gegenbeispiel seien die
regionalen Pflichtexemplarbibliotheken angefuehrt, deren Bestand
zu einem betraechtlichen Teil nicht einmal bei der DB, geschweige
denn im Ausland vorhanden ist). Deutschsprachige Ansetzungen
haetten - so Frau Hoffmann weiter - den Vorteil einer Annaeherung
an RSWK und RAK-OeB; auch die Benutzer wuenschten sich
deutsche Namensformen. Armin Stephan wies jedoch in der
Diskussion darauf hin, dass die Ansetzungssprache auch
unabhaengig von einem Umstieg diskutiert werden koennte.

2. Vorteile fuer die Benutzer:
Im Projekt sollte auch untersucht werden, ob fuer die Benutzer ein
RAK- oder ein AACR-Katalog 'besser' ist. Die Frage scheint rein
akademisch, da wir ja nicht auf der 'gruenen Wiese' anfangen
koennen, sondern nach einem Umstieg in jedem Fall einen
heterogenen Datenbestand haetten. Auch ueber die angewandte
Methodik koennte man trefflich streiten (ich erinnere an den
Vorschlag von Herrn Ziegler: <http://www.ub.uni-
dortmund.de/listen/inetbib/msg24027.html>). Im Umstiegsprojekt
beschraenkte man sich auf eine Umfrage an zehn Bibliotheken, die
u.a. ergab, dass primaer nach Titelstichwoertern und Personen
gesucht wird. AACR sei - so Frau Hoffmann - folglich 'besser', da
es in diesen Bereichen mehr Eintragungen vorsehe. In meinen
Augen ist dies allerdings kein Argument fuer einen Umstieg auf
AACR, sondern vielmehr eines fuer die Weiterentwicklung der RAK
- denn schon die RAK2-Entwuerfe sahen viele Moeglichkeiten fuer
zusaetzliche Eintragungen vor. Weiter wurde argumentiert, dass
die Suche nach Einzelbaenden eines mehrbaendigen Werkes unter
AACR leichter sei. Pauschal kann man dies m.E. aber so nicht
sagen, da der Rechercheerfolg auch sehr vom eingesetzten OPAC
und der jeweiligen Erfassungspraxis abhaengt. Ein weiterer Vorteil
fuer die Benutzer sei, dass bei Sammelwerken nach AACR die
enthaltenen Aufsaetze in einer Fussnote angegeben wuerden.
Jedoch kann man Aufsaetze natuerlich auch nach RAK
erschliessen und als UW-Saetze in die Verbundkataloge
einbringen, wie das vielfach bereits praktiziert wird. Ob man
Aufsatzkatalogisierung betreibt, haengt also nicht vom
verwendeten Regelwerk ab, sondern von den vorhandenen
Ressourcen und dem bibliothekspolitischen Willen. Ueberdies zeigt
eine kleine Stichprobe mit deutschen Sammelwerken aus meinem
Buecherschrank, dass die Aufsatzerschliessung in den
angloamerikanischen Bibliotheken (sofern sie die Werke
ueberhaupt im Bestand hatten) keineswegs durchgaengig
praktiziert wird.

3. Kosten eines Umstiegs:
Breiten Raum nahm die Vorstellung und Diskussion der Kienbaum-
Studie zur Wirtschaftlichkeit eines Umstiegs ein. Ich habe dazu
bereits einige kritische Anmerkungen gemacht (<http://www.ub.uni-
dortmund.de/listen/inetbib/msg23938.html>). Die in der Diskussion
eingebrachten Fragen und Antworten haben fuer mich den
Eindruck bestaetigt, dass viele Kosten, die bei einem Umstieg
anfallen wuerden, unberuecksichtigt geblieben sind. So berichtete
eine Kollegin aus einem Kienbaum-Workshop, man habe dort
intensiv ueber Geschaeftsgangsnachteile eines Umstiegs diskutiert
und sich darauf geeinigt, diese nicht durch einen Nutzenabschlag,
sondern bei den Kosten zu beruecksichtigen - in der Studie habe
sie diese aber nun nirgends finden koennen. Ein konkretes
Beispiel, von einer anderen Diskussionsteilnehmerin eingebracht:
Wenn, wie von Frau Hoffmann ausgefuehrt, in amerikanischen
Bibliothekssystemen die Ausleihe ueber "item records" in den
Datensaetzen gesteuert wird, so muessten diese in saemtlichen
Bibliotheken fuer den kompletten Bestand zunaechst manuell
angelegt werden. Auch im Bereich der Bestellkatalogisierung
waeren Zusatzkosten zu erwarten - bei einem Katalogabbruch
muessten naemlich auch Erwerbungsdaten neu verknuepft werden.
Ich selbst habe gefragt, ob z.B. erhoehte Kosten bei der
Standardisierungsarbeit oder der Normdatenpflege (z.B. Einsatz
von Fremdfirmen zum regelmaessigen Update des Datenmaterials)
einberechnet sind. Antwort: Grundsaetzlich sei man davon
ausgegangen, dass die laufenden Kosten vor und nach einem
Umstieg im wesentlichen gleich sind. Um auf der sicheren Seite zu
sein, habe man jedoch generell Kosten immer eher zu hoch als zu
niedrig angesetzt (als Beispiel nannte der Kienbaum-Mitarbeiter
uebrigens ausgerechnet die Regelwerksschulungen: 20 Tage seien
da doch sehr hoch gegriffen...!). Ausserdem sei die Studie im
Kosten-Nutzen-Verhaeltnis so eindeutig ausgefallen, dass etwaige
kleinere Korrekturen fuer das Ergebnis keine Rolle spielen
wuerden.

(Fortsetzung folgt in einer zweiten Mail)
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Heidrun Wiesenmueller M.A.
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