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AACR in Leipzig (Teil 2)



(Fortsetzung von Teil 1 in getrennter Mail)


4. Nutzen eines Umstiegs: Auch meine Skepsis bezueglich des errechneten Nutzens hat die Veranstaltung nicht zerstreuen koennen. Ein Beispiel: Als ein Nutzenkriterium fuer den Umstieg wurde gewertet, dass die Katalogisierung unter AACR "einfacher" sei. Auf Nachfrage erlaeuterte Frau Hoffmann, AACR-Katalogisierung sei deswegen einfacher, weil man nicht verknuepfen muesse. Man koennte jedoch genausogut argumentieren, AACR sei schwieriger als RAK (z.B. Individualisierung, eher inhaltliche als formale Entscheidungen, mehr Eintragungen). Quantifiziert wird der zu erwartende Nutzen durch sog. "Nutzwertpunkte". Wie diese errechnet wurden, blieb auch in Leipzig ungeklaert. Ein Kollege fragte nach dem Algorithmus, mit dem der Nutzen fuer die OeBs berechnet worden sei (laut Kienbaum ueberwiegt naemlich ueberraschenderweise auch bei mittleren und grossen OeBs der Nutzen, nur fuer kleine OeBs sei der Umstieg unwirtschaftlich). Antwort: Man habe den Algorithmus verwendet, der auch sonst bei Untersuchungen im oeffentlichen Bereich gaengig sei.

5. Zeithorizont:
Die Kienbaum-Studie geht davon aus, dass die "wissenschaftlichen
Bibliotheken inkl. Verbuende (sic!) gleichverteilt innerhalb des
15jaehrigen Betrachtungszeitraumes" umsteigen (S. 22 der Studie).
Herr Eversberg wies darauf hin, dass dies eine gaenzlich
unrealistische Annahme ist - beim Umstieg eines Verbunds
muessten schliesslich alle zugehoerigen Bibliotheken mitziehen.

6. Stillwater-Report:
Patricia Burch stellte den Bericht zur Stabilitaet der Zielsysteme
vor. Auch dazu habe ich schon einige Anmerkungen gemacht
(<http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg24023.html>)
und u.a. die Frage gestellt, wie sehr nach einem Umstieg deutsche
Interessen beruecksichtigt werden koennten. Leider war dies nicht
Teil der Aufgabenstellung fuer Stillwater. Frau Hoffmann verwies
aber auf das Beispiel der russischen Bibliotheken, die Antraege
beim Joint Steering Committee (in dem nur angloamerikanische
Mitglieder vertreten sind) gestellt haetten.

7. Alternativen zum Umstieg:
Nachdem die Veranstaltung bis dato ganz von der
Umstiegsdiskussion beherrscht gewesen war, lenkten die beiden
letzten Vortraege den Blick darauf, dass es neben der
Internationalisierung 'mit der Brechstange' auch eine alternative
Moeglichkeit gibt, um etwa deutsche Daten staerker in
internationale Portale einzubringen, wie dies Herr Dugall forderte.
Besonders erhellend war Frau Hengel-Dittrichs Vortrag ueber das
Projekt einer virtuellen internationalen Normdatei fuer
Personennamen. Gudrun Henze berichtete unter dem Titel "Auf
dem Weg zu einem internationalen Regelwerk" ueber die
Ergebnisse der Frankfurter Katalogisierungskonferenz vom
vergangenen Sommer. Dass Deutschland bei beiden
Entwicklungen an vorderster Front beteiligt ist, sollte uns
ermutigen. Es zeigt, dass wir eben keineswegs isoliert auf einer
einsamen Insel sitzen, sondern vielmehr unsere
Katalogisierungstradition zum allgemeinen Nutzen selbstbewusst
einbringen koennen. Umso bedauerlicher finde ich es, dass in der
Kienbaum-Studie nur die Optionen 'Umstieg' und 'Nicht-Umstieg'
betrachtet wurden, nicht jedoch die Moeglichkeit eines 'dritten
Weges' mit moderater Anpassung der RAK an die AACR bei
gleichzeitiger aktiver Mitarbeit an internationalen Entwicklungen.

8. Abschlussstatement:
Zum Schluss der Veranstaltung betonte Herr Dugall die politische
Komponente eines Umstiegs: Typisch deutsche Entwicklungen
haetten auf Dauer keine Chance, der wissenschaftliche Bereich
habe seine Entscheidung laengst getroffen. Er verwies auf die
Einfuehrung von Bachelor- und Master-Studiengaengen - da
wuerde auch keiner nach den Kosten fragen. Und "Wind of change"
- einer der erfolgreichsten Songs einer deutschen Popband
ueberhaupt - habe schliesslich auch nicht "Wind der Aenderung"
geheissen...!
Den Vergleich mit den Studiengaengen finde ich interessant, aber
hinkend: Das Ziel hier ist eine internationale Vergleichbarkeit, die
bislang auf Grund echter Inkompatibilitaeten der beiden Systeme
(zum Bachelor gibt es eben kein deutsches Pendant) in der Tat
erschwert war. RAK, AACR und die uebrigen nationalen
Regelwerke trennt jedoch kein vergleichbar tiefer Graben. Auch
wenn sie sich in vielen Details unterscheiden, so beruhen sie
doch auf gemeinsamen Grundlagen, die auf internationalen (!)
Katalogisierungskonferenzen erarbeitet wurden. Fuer eine weitere
(durchaus erwuenschte) Annaeherung brauchen wir daher
m.E. keine Revolution (d.h. Umstieg), sondern eine Evolution
(d.h. sinnvolle Weiterentwicklung der RAK).

Mit freundlichen Gruessen
Heidrun Wiesenmueller
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Heidrun Wiesenmueller M.A.
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