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AW: (Fwd) R-Reform: Verschlimmbesserung



Liebe Liste,

Heinrich Allers zitierte G. Drosdowski:
> "... An den Schulen wurde die Rechtschreibung häufig unkritisch
> vermittelt, vieles, was der Vereinheitlichung dienen sollte
> oder nur als Orientierungshilfe gedacht war, zur starren Norm
> erhoben, jede Abweichung von der Norm streng mit dem Rotstift
> geahndet und so vielen Menschen für ihr ganzes Leben die
> Angst vor der Blamage beim Schreiben eingeflößt. Diese
> Überbewertung der Rechtschreibung belastete mehr und mehr den
> Deutschunterricht ..."
Zustimmung: Leider geht bei dieser vorherrschenden Sichtweise in unseren
Schulen der Aspekt, dass Sprache etwas ist, was natuerlicherweise
Veraenderungen unterworfen ist, etwas unter. Man darf gespannt sein, wie sich
in Zukunft diese "Herum-gechatte" und "SMSe" (alles in Kleinbuchstaben u.a.)
auf die Sprachwelt auswirkt. Warum bringt man den SchuelerInnen heute nicht
wieder mehr Sinn fuer die Veraenderlichkeit von Sprache bei. Vielleicht
wuerden sich manche dann mehr bewusst sein, was sie sprachkulturell mit ihrem
Chat-Sprachstil etc. auch zerstoeren (koennen).

Uwe Jochum schreibt:
> Wer sich mit solchem angeblichen Kleinkram nicht abgeben will,
> der sei darauf hingewiesen, daß immer noch etwa die Hälfte der
> in Deutschland erscheinenden Bücher in der ALTEN Orthographie
> gesetzt ist. Soll man das als Zeichen einer Ewiggestrigkeit
> verstehen, oder als Qualitätsbewußtsein? Immerhin gehören
> zu den Altschreibern deGruyter, Niemeyer, Hanser u.v.a.m.
> (Und übrigens: die NZZ ist heimlich zur schweizerischen
> Altschreibung zurückgekehrt...)
Vielleicht muss man an mancher Stelle wirklich noch/wieder lernen, dass der
"gemeinsame deutsche Sprachraum" eben doch etwas, nicht nur regional (auch
ethnologisch unabhaengig von der Region) nicht homogenes ist. Der Gedanke,
dass ein Regelwerk wie der Duden quasi wie ein Gesetz einheitlich die ganze
Rechtschreibung bis ins Detail festlegt (und alles was nicht da drin steht ist
automatisch falsch), ist meineserachtens eine Hinterlassenschaft des
preussischen Staatsdenkens, das politisch und kulturell einmal Deutschland
dominiert hat. Diese Zeiten sind vorbei! Schliesslich gilt in Deutschland
heute die Kulturhoheit der Laender und Sprache ist ein entscheidendes
kulturelles Element. Und dass jemand aus Flensburg anders spricht, als jemand
aus Oberstdorf (um den geographischen Abstand recht weit zu legen) sollte ja
jedem bekannt sein. Da gibt es andere Woerter und da kann man von mir aus auch
mal den einen oder anderen Begriff etwas abweichend schreiben. Da neben der
Bundesrepublik Deutschland auch weitere Staaten die deutsche Sprache ihr eigen
nennen, ist so eine Festlegung, alleinig aus der Sicht des deutschen
Sprachraums innnerhalb Deutschlands, nationalegoistisch. Wenn die NNZ sich an
das haelt, was in der Deutschschweiz sprachlich gebraeuchlich ist, dann ist
das in Ordnung. Die sprachlichen Auswuechse, die sich bei manchen Jugendlichen
finden, sind da teilweise viel schlimmer.

Dass manche Woerter geringfuegig anders geschrieben werden, ist nur ein
Aspekt. Ein weiterer Aspekt ist die Tatsache, dass sich auch Veraenderungen
bei der Bedeutung ergeben, und das betrifft nicht so sehr den Duden sondern
weitaus staerker unsere verbale Sacherschliessung. Genausowenig, wie man mit
dem Duden ein gesetzlichen status quo bis zur naechsten Reform (in knapp
hundert Jahren?) festschreiben kann, kann man alle Begriffe in der
Schlagwortnormdatei fuer einen so langen Zeitraum als gueltig erklaeren.

Schoene Gruesse aus Bern
Bernd Martin Rohde
__________

Bernd Martin Rohde, Dipl.-Bibl. (FH)
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