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Re: R-Reform: Verschlimmbess. ss in der Schweiz



Kleine Apologie des ß:

Tatsächlich kommt es für das Retrieval nicht darauf an, ob ß oder ss
geschrieben wird. Es kommt aber auf den Unterschied von ß zu ss sehr
wohl darauf an, wenn es a. um die Schreibung von Namen  b. wenn es um
die Lesbarkeit und das Sinnverstehen geht.

ad a.: Die Stadt "Gießen" möchte sicherlich weiterhin so heißen, auch
wenn dem Suchalgorithmus der Unterschied von Gießen und Giessen egal
ist. Hier geht es also um Identitäten (kulturell, juristisch,
politisch), die sich in der Orthographie niederschlagen.

ad b.: Die bisherige Regelung, nach kurzen Vokalen und im
Silbenschluß ß statt ss zu schreiben, erhöhte allerdings die
Lesbarkeit enorm. Wörter wie Nussschale und Schlussstein sind reines
Augenpulver, Nußschale und Schlußstein dagegen nicht. Und was man in
puncto Sinnverstehen mit der ss-Regelung angerichtet hat, sieht man
inzwischen daran, daß die Fehlerquote bei der Unterscheidung zwischen
Relativpronomen "das" und Konjuktion "daß/ss" enorm zugenommen hat;
immer häufiger liest man Sätze wie "Er sagte, das er bald komme."

Daß die Schweiz das ß verabschiedet hat, irgendwann in den 50er
Jahren, ist allerdings wohl eher mit deutsch-schweizerischen
Kulturbefindlichkeiten zu erklären als mit praktischen und triftigen
Überlegungen. Denn faktisch wurde natürlich auch in der Schweiz in
Büchern das ß gesetzt, sogar in der NZZ (jedenfalls noch in den 50er
Jahren), und faktisch wird es auch immer noch gesetzt, jedenfalls
dann, wenn man auch den Käufermarkt außerhalb der Schweiz im Auge hat
(man schaue in ein Buch des Diogenes-Verlages).

Uwe Jochum


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