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Diese Meldung aus dem heise online-Newsticker wurde Ihnen von "Vera
Münch <vera.muench@xxxxxxxxxxx>" gesandt. Wir weisen darauf hin, dass
die Absenderangabe nicht verifiziert ist. Sollten Sie Zweifel an der
Authentizität des Absenders haben, ignorieren Sie diese E-Mail bitte. 
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Larry Lessig's Sicht zum Urheberrecht (Bericht aus dem Heise-Ticker)
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Eine McCarthy-Ära des Urheberrechts?

Wenn 12-Jährige wegen der Downloads von Musikstücken im Internet
verurteilt werden, führt dies vor allem dazu, dass sie keinerlei Regel
mehr akzeptieren und den Staat als Unterdrücker erleben, meinte Larry
Lessig[1], Stanford-Jurist und Vordenker eines neuen Umgangs mit
geistigen Eigentum, in einem Gastvortrag anlässlich der Eröffnung des
Forschungsschwerpunktes "E-Organisation" an der Universität
Karlsruhe[2]. Lessig warnte vor einer Art "IP-McCarthyism" und erntete
mit dieser Charakterisierung der Haltung eines Großteils von Industrie
und Politik gegenüber Intellectual Property (IP) Standing Ovations von
einem Teil der rund 600 Gäste im Karlsruher Audimax.

Der "Free Culture"-Vordenker nimmt in dieser Woche auch an der
offiziellen Einführung der Creative- Commons-Lizenzen[3] für
Deutschland teil. Die Initiative Creative Commons möchte Kreative
ermutigen[4], der Allgemeinheit so viele Nutzungsrechte wie möglich zur
Verfügung zu stellen. Dafür bieten die Creative-Commons-Lizenzen
Musikern, Autoren, Fotografen und Filmemachern die Möglichkeit, sich
für ihre Werke eigene Nutzungslizenzen zusammenzustellen. Lessig warnte
nun davor, dass die "Obsession mit der Piraterie" der nachwachsenden
Generation jede Möglichkeit verwehrt, kreativ die Möglichkeiten der
neuen Technologie zu nutzen. Dabei können, demonstrierte Lessig an
einem den Kriegspartnern Bush und Blair in den Mund gelegten Duett[5],
wesentlich politischere Botschaften entstehen als durch einfache Texte.

"Wir befinden uns mitten in einem Krieg", sagte Lessig mit Blick auf
die Verschärfung der Urheberrechtsgesetzgebung in den USA und die
Kampagnen der Unterhaltungsindustrie. Noch nie hätten weniger Leute
mehr Macht über die Produktion von Kultur ausgeübt. Eine kleine, starke
Lobby drohe auf diese Weise genau die positiven Effekte zu
pervertieren, die das Internet geschaffen habe, nämlich die Beseitigung
der technologischen Barrieren für Fortschritt und Verbreitung von
Wissen und Kultur. Freie Kultur -- Titel des neuen Lessig-Buches --
bedeute dabei nicht eine Abschaffung eines ausbalancierten
Urheberrechtes, ebenso wenig wie freie Märkte bedeuten, dass es dort
keine Regeln gebe und kein Geld verdient werde.

Dass der US-Gesetzgeber den Argumenten der Lobbyisten schon so weit
gefolgt ist und das Patentamt auf Druck Microsofts kürzlich sogar ein
Veto gegen eine Veranstaltung der World Intellectual Property
Organisation (WIPO[6]) zum Thema Open Source eingelegt hat, macht
Lessig pessimistisch für die Zukunft. Im nächsten Schritt würden das
rigide Rechtemanagement nun in der Technologie eingebaut, dann könne
noch nicht einmal mehr ein Richter Auswüchse des Rechtemonopolismus
stoppen.

Ganz so düster sieht Lessigs Kollege Hal Varian[7],
Wirtschaftswissenschaftler an der Universität von San Francisco in
Berkeley und New-York-Times-Kolumnist, die Situation nicht. Doch auch
das von Varian vorgestellte Innovationsmodell stößt mit zunehmend
rigidem Rechte- und mehr noch Patentmanagement an Grenzen. Innovationen
vom Fließband Henry Fords bis zum Internet entstehen, beschrieb Varian,
aus Clustern von Einzelkomponenten, bevor sie wieder in ihre
Bestandteile zerlegt ihrerseits als Komponenten der nächsten
Innovationswelle dienen können. Wenn Komponenten über Patente
proprietär gemacht werden, stehen sie den Entwicklern nicht mehr zur
Verfügung. "In manchen Fällen ist der Punkt bereits erreicht," sagte
Varian, "zum Beispiel bei kopiergeschützten CDs, die nicht mehr von
Nutzern nach eigenen Vorstellungen zusammengefügt werden können."

Wer am Ende darüber entscheidet, wie die Zukunft des Internet aussieht?
MIT-Informatikprofessor David Clark[8] war sich da noch nicht sicher.
"Haben wir Techniker spezielle Rechte? Nein. Wir haben eine besondere
Macht, einfach dadurch, dass wir den Code schreiben." 

Neben all der Diskussion um die Zukunft des geistigen Eigentums und des
Urheberrechts kündigten die E-Organisation-Initiatoren aus der
Volkswirtschaft, der Informatik und dem Wirtschaftsingenieurwesen zwei
Projekte an, die sich mit der Erforschung des Einsatzes virtueller,
selbst organisierender Agenten zur Unterstützung komplexer
Entscheidungen etwa im Verkehr widmen wollen. Der mit den drei US-Gurus
gestartete Forschungsschwerpunkt ist nach Vorstellung von Christof
Weinhardt, Leiter des Studiengangs Informationswirtschaft in Karlsruhe,
ein erster Schritt zu einem möglichen Exzellenzzentrum. Wie andere
Universitäten rüstet man sich offensichtlich auch hier mit Blick auf
"Elite"-Mittel des Bundes. Heribert Knorr vom Ministerium für
Wissenschaft und Kunst in Baden-Württemberg sicherte der Universität
Karlsruhe volle Unterstützung bei der Bewerbung um die Ansiedlung eines
Max-Planck-Instituts für Softwareentwicklung zu. (Monika Ermert) /
 (jk[9]/c't)

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  [2] http://www.iw.uni-karlsruhe.de/
  [3] http://www.heise.de/newsticker/meldung/47746
  [4] http://www.heise.de/newsticker/meldung/33130
  [5] http://www.atmo.se/zino.aspx?articleID=399
  [6] http://www.wipo.int
  [7] http://www.sims.berkeley.edu/~hal/
  [8] http://www.lcs.mit.edu/people/bioprint.php3?PeopleID=81
  [9] mailto:jk@xxxxxxxxxxx

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