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NRW-Lizenz



On Thu, 8 Jul 2004 11:37:34 +0200
 "Geick, Heiko" <Heiko.Geick@xxxxxxxxxx> wrote:
> Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
> ich leite folgende mail im Auftrage von Frau Dusch aus
> dem Ministerium
> für Wissenschaft und Forschung des Landes NRW an diese
> Liste weiter.
> Heiko Geick

> Eine möglichst
> > breite Nutzung über die nordrhein-westfälische
> Initiative hinaus ist
> > ausdrücklich angestrebt, um für Autoren und Nutzer
> gleichermaßen
> > möglichst hohe Transparenz und Übersichtlichkeit zu
> gewährleisten
> > und eine Diversifizierung bei den rechtlichen
> Grundlagen zu
> > vermeiden.
> > 
> > Weitere Details zur Initiative DIPP NRW sowie den
> Lizenztext können
> > Sie unter der URL http://www.dipp.nrw.de nachlesen.

Um es deutlich zu sagen: Die in der Tat nicht
wuenschenswerte Diversifizierung bei den rechtlichen
Grundlagen wurde vom NRW-Ministerium bei der Formulierung
der Lizenz selbst nach Kraeften betrieben. Wenn, wie das
Ministerium selbst hervorhebt, die Berliner Erklaerung als
Konsens-Produkt zahlreicher Wissenschaftsorganisationen,
hinter denen Tausende von Forscherinnen und Forscher
stehen, die Open Access unterstuetzen, den wichtigsten
Meilenstein in letzter Zeit in Richtung Open Access
bedeutet - warum verlaesst dann die NRW-Lizenz die
Grundlage der Berliner Erklaerung in einem wichtigen Punkt?

Mit dem Verbot von Bearbeitungen weicht die NRW-Lizenz
eindeutig vom diesbezueglich eindeutigen englischen
Wortlaut (und dieser ist - im Gegensatz zu der falschen
deutschen Uebersetzung - verbindlich) der Berlin
Declaration ab. Diese sagt:

" The author(s) and right holder(s) of such contributions
grant(s) to all users a free, irrevocable, worldwide, right
of access to, and a license to copy, use, distribute,
transmit and display the work publicly and to make and
DISTRIBUTE DERIVATIVE WORKS, in any digital medium for any
responsible purpose" (Hervorhebung von mir). Auch fruehere
Open Access Erklaerungen haben diese Formulierung.

Man mag einwenden, dass die Berliner Erklaerung keine
juristische Formulierung,  wie sie eine Lizenz bietet,
darstellt. Das ist richtig. Aber sie gibt doch
vergleichsweise genau die Richtung vor (unter Verwendung
des englischsprachigen Copyright-Vokabulars, den
"derivative works" entsprechen im deutschen Bearbeitungen),
und wer von ihr abweicht, weicht vom ausserordentlich
breiten Konsens ab (s.o.).

Man mag einwenden, dass Open Access mit einer Reihe
differierender rechtlicher Regelungen und Lizenzen
vereinbar ist. Auch das stimmt. PLoS etwa hat sehr
weitgehende Creative-Commons-Lizenzen, die Bearbeitungen
und kommerzielle Nutzung einschliessen. Viele
Wissenschaftler wuerden Vorbehalte gegenueber einer
gewerblichen Nutzung artikulieren - aber genau diese
kommerzielle Nutzung etwa durch kostenpflichtige
Datenbanken, ohne dass dem Autor auch nur ein Cent
Verguetung zuwaechst, ERLAUBT die NRW-Lizenz!!

Die neulich vorgestellten deutschen
Creative-Commons-Lizenzen sind ohne weiteres kompatibel mit
dem Konsens der Berliner Erklaerung (wenn man eine waehlt,
die Bearbeitungen zulaesst), die im uebrigen kommerzielle
Verwertung weder ausdruecklich zulaesst noch ausdruecklich
ausschliesst - im Gegensatz zu den Bearbeitungen, die
explizit erlaubt werden (in NRW aber verboten sind).

NRW zwingt die AutorInnen der acht gefoerderten E-Journals
einer beliebigen gewerblichen Nutzung zuzustimmen,
verbietet aber etwa eine Uebersetzung des Beitrags in die
Sprache ienes Entwicklungs- oder Schwellenlandes ohne
Zustimmung des Autors (das waere etwa ein "derivative
work"). Grosse Konzerne muessen nicht fragen, wenn sie sich
das geistige Eigentum der sog.
NRW-Open-Access-Zeitschriften kommerziell zunutze machen
wollen, ein ehrenamtlicher Uebersetzer aber sehr wohl. Das
finde ich nicht richtig.

Die Diskussion ueber rechtliche Regelungen im Rahmen von
Open Access muss weitergehen. Die NRW-Lizenz erweist sich
aufrund ihrer klaren Abweichung vom Konsens der Berliner
Erklaerung als uebereilter Schnellschuss, der nicht zur
Nachahmung empfohlen werden kann, auch wenn das
NRW-Ministerium gern seine eigene Sicht von dem, was
sinnvoll ist, allgemein durchdruecken moechte.

Klaus Graf


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.