[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Re: Bibliothekare und Bertolt Brecht zur RSR



Sehr geehrter Kollege Eversberg,

das Verständnis für Ihre Positionen, kann nicht bedeuten,
dass entgegengesetzte Positionen "keine substantiellen Gegenargumente oder -vorschläge beinhalten."
Es kommt nur darauf an sie zu erkennen.


Ich bin wirklich erstaunt, dass gerade Sie diese trotz ihrer Jahrelangen Erfahrungen im Bibliotheks- und Dokumentationswesen
nicht sehen. Wir haben doch gerade im Computerbereich viele dieser Veränderungen längst vorweggenommen
bevor es zu einer RSR kam.
Unter anderem benutzten wir jahrelang statt ß das ss, weil es gar nicht anders ging. Natürlich geht das inzwischen.
Aber nun so zu tun, als hätte es diese Zeit nicht gegeben und als hätten die damals modernen Bibliotheken
das alles nicht mitgemacht (oder auch nur drunter gelitten), ist Geschichtsklitterung.
Und es erzeugt schon wieder den fatalen Eindruck, als kämen die Bibliotheken in ihrer Entwicklung hinterher,
wo sie so manchem anderen Bereich weit voraus waren.


Sprache muss auch und gerade im Interesse der Bibliotheken weiterentwickelt werden. Sie hat eine Evolution,
und sie braucht keine Revolution im Sinne dessen, dass wir das Rad der Geschichte wieder zurückdrehen.
Wir brauchen einen Darwin des Bibliothekswesens und eine Evolutionsstrategie der geistigen und sprachlichen Entwicklung
und keinen Cuvier mit einer neuen Kataklysmentheorie.


Menschen, die sich auf das Wissen über Bibliotheken spezialisiert haben, also Bibliothekswissenschaftler,
müssen genauer zwischen Trends, Modeerscheinungen und Irrwegen auf diesem Gebiet unterscheiden als Laien,
und gerade bei der Sprache gibt es unzählige Irrwege, weil sich unser Mangel an Wissen nirgends so deutlich zeigt, wie in der Sprache.
Da aber schon jedes Kind mit seiner Sprache seine persönliche Unkenntnis ausdrücken können muss,
brauch unsere Sprache auch ein hohes Maß an Unschärfe. Sie zeigt sich nicht zuletzt in der Vielzahl an Rechtschreibfehlern,
wobei bekanntlich auch ein hohes Maß an Sprachgefühl beteiligt ist, und über dass diskutieren hier viele bewusst oder unbewusst.


Es ist noch nicht so lange her, dass viele Menschen ein starkes Bedürfnis hatten viele Worte mit th zu schreiben,
weil man Explosivlaute so elegant abdämpfte. Das dritte Reich mochte so etwas nicht mehr.
Über solche Sprachgefühle wird hier weitgehend diskutiert und darum liegt auch so viel Emotion darin.
Für Schriftsteller sind solche Sprachgefühle eine Existenzfrage, so wie der Rock für die alten Jazzer tödlich war.


Mit sachlicher bibliothekswissenschaftlicher Trendanalyse hat das wenig zu tun, weil sonst rasch klar wäre,
dass die RSR vieles übernahm, was wir an den Computern in Bibliotheken schon Jahrzehnte vorweggenommen hatten.


Es sei hier nur daran erninnert, dass man beispielsweise in BIOSIS in den siebziger Jahren viele Worte getrennt schrieb,
(auch solche, die in Amerika zusammen geschreibenden werden) um das Retrieval zu verbessern.


MfG

Umstätter

Bernhard Eversberg wrote:

On 25 Jul 04, at 18:50, Kay Heiligenhaus wrote:



schade, daß es mit der "Aktion" gegen die RSR nichts geworden ist. Ich
zumindest fand die Diskussion hier recht interessant.



Das fanden viele, und etliche ermutigten mich, auf jeden Fall etwas zu unternehmen, zumal es ja gar keine substantiellen Gegenargumente oder -vorschläge gibt. Das soll deshalb geschehen. Es ist noch nicht zu spaet, Unterschriften zu senden!

MfG B.E.

Bernhard Eversberg
Universitaetsbibliothek, Postf. 3329, D-38023 Braunschweig, Germany
Tel. +49 531 391-5026 , -5011 , FAX -5836
e-mail B.Eversberg@xxxxxxxx







Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.