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Re: CC und c



Herr Bruening von der Universität Konstanz bat mich, seine Mail an die Liste weiterzuleiten,

Gern geschehn,
Patrick Peiffer

--- schnipp ---

Guten Tag,
als Externer und ohne den genauen Hintergrund der Diskussion zu kennen (ich
erhielt die mail über unseren Bibliotheksdirektor) möchte ich doch gerne
einige Anmerkungen machen bzw. Fragen aufwerfen:

Man muß sich m.E. ernsthaft fragen, wie frei der Zugang zu OA
(open-access)-Publikationen in einer regulierten (überregulierten?) Umgebung sein darf, ohne dass diese frei zugänglichen Materialien und die dahinter stehenden Ideen gefährdet werden. Ohne (Lizenz-)Regelung könnte jeder OA-Material, zu dem ich auch Kulturgüter, Ideen und Erfindungen rechne, kommerziell verwerten. Das ansich ist wohl von den wenigsten Urhebern so gewollt.


Es kann aber noch Schlimmeres passieren: OA-Materialien bzw. Ideen können
von potenten, gewinnorientiert Handelnden übernommen werden und mit
finanziellem Einsatz (den die OA-community nicht aufbringen kann) und durch
Einflussnahme (Lobbying im gesetzgebenden Prozess und / oder durch
Einflussnahme auf Normungsgremien) so zum eigenen Vorteil weiterentwickelt
werden, dass einem OA-Projekt die „Luft ausgeht“, es also nicht mehr als
attraktive Alternative in Konkurenz zu dem dann zum geschützten
„Handelsobjekt“ mutierten, aus ihm hervor gegangenen, steht, und das nun
über seinen Kaufpreis nicht nur die Entwicklungskosten einspielen muss.
Aus dieser Überlegung heraus halte ich eine flexible Lizensierung, wie sie
die Creative-Commons (CC)-Lizenzen bieten, die dem Urheber
Gestaltungsmöglichkeiten und Rechte an die Hand gibt, der Allgemeinheit aber den unwiderruflichen (kosten-)freien Zugang garantiert, nicht nur für
sinnvoll sondern geradezu für notwendig.
Wenn Kritik zu äußern ist, dann m.E. bestenfalls an den Formulierungen der
Erklärungen, und nicht an denen, die ihre Werke unter eine derartige Lizenz
stellen und damit im Geiste der Erklärung handeln bzw. diesen propagieren.
Ein Beispiel dafür, dass der oben genannte Prozess auch im
künstlerisch-kreativen Bereich tatsächlich stattfindet, ist die Verarbeitung Grimm’scher Märchen zu Hollywood-Produkten für die dann ein 70jähriges, in Zukunft nie endendes Copyright reklamiert wird.


Wenn ein CC-lizensierter Hochschulschriftenserver vermisst wird, dann frage
ich mich, kann es den überhaupt geben? Es sind doch die auf dem Server
zugänglich gemachten Werke, die unter eine Lizenz gestellt werden. Und da
insbesondere die hier angesprochenen CC-Lizenzen einem flexibel zu
handhabenden Lizenzbaukasten entstammen, die Werke also durchaus
unterschiedlich lizensiert sein werden, kann es keine allgemeine
CC-Serverlizenz geben, die der Server auf „seine“ Werke vererben könnte.
Es sind durchaus Bemühungen im Gange, möglichst viele und qualitativ
hochwertige Arbeiten unter einer CC-Lizenz auf universitären
Publikationsservern zur Verfügung zu stellen. Ein diesbezügliches Gespräch
fand vor wenigen Tagen mit dem Konstanzer Bibliotheksdirektor, Herrn Dr.
Franken, statt (von dem ich auch über diesen mail-Austausch informiert
wurde, was sein Interesse an der Sache unterstreicht). Dass dieses Modell,
neben dem klassischen Publikationsmodell und neben Mischformen sich
durchsetzen wird, steht in meinen Augen außer Frage. Außer Frage steht
jedoch auch, dass es noch viel Öffentlichkeitsarbeit dafür bedarf und dass
dies am besten mit der Idee aufgeschlossen gegenüberstehenden (und
etablierten) Personen und Institutionen gelingen wird.
Aus den mails geht nicht hervor, wo das Problem speziell beim Digitalisieren liegt, aber die Vorteile der Verwendung von CC-Lizenzen – und nicht nur für Digitalisierungsprojekte ? sind bereits genannt. Es ist zum einen ihre Flexibilität (der Lizenzbaukasten), dann ihre Anpassung an das deutsche Rechtssystem; was im Einzelnen bedeutet, es ist keine Frage, in wie weit deutsche Gerichte einem Lizenzvertrag folgen würden, der auf z.B. das amerikanische Copyright abgestimmt ist, so wie es viele der OA-Lizenzen derzeit sind.


Ebenfalls in den mails als Vorteil genannt wurde die
Internet-Protokoll-/Ressourcen- konforme Generierung und Verwendung von
Metadaten (HTML, XML, RDF, Dublin Core- Konformität) zum Werk selber und zur Lizenz, unter der es veröffentlicht wurde, die nicht nur jetzt schon die maschinelle Verarbeitung dieser Daten (im Netz) ermöglicht, sondern die den Weg zum Semantic-Web ebnet. Zugegebenermaßen ein Blick in die Zukunft.
Angesichts der rasanten Entwicklung in den letzten Jahren in die nicht
allzuferne Zukunft.


Neben der sowieso zu leistenden Erfassung der bibliographischen Metadaten
zum Werk beschränkt sich deren maschinenlesbare Erzeugung auf wenige
Mausklicks auf der Creative-Commons-Web-Seite. Die Einbettung der Metadaten
gerade in pdf-Dokumente durch den Import der (auf der CC-Webseite
generierten) XMP-Datei scheint mir ein einfacher Prozess zu sein, von dem
ich z.Z. nicht sagen kann, wie weit er sich automatisieren lassen kann
(dieses technische Detail können / sollten wir offline diskutieren. Fragen
oder besser noch Lösungen dazu auch an jochen.bruening@xxxxxxxxxxxxxxx, wie
gesagt, ich bin nicht Mitglied Ihrer Mailing-Liste). Die Verwendung von pdf
selber könnte – weil ein proprietäres Format – als problematisch angesehen
werden.

Zum Abschluss möchte ich alle, die Interesse an einer konstruktiven
Mitarbeit und an einem Gedanken-/Erfahrungsaustausch zu den
Creative-Commons-Lizenzen haben, auf die zugehörige deutsche Liste
http://creativecommons.org/projects/international/de/ hinweisen.
Anfang des Jahres wurde ein interessantes neues internationales Projekt
„Science Commons“  http://creativecommons.org/projects/science/proposal
begonnen, in dem speziell auf den Wissenschaftsbereich abgestimmte Lizenzen
entwickelt werden sollen. Es lohnt sich da mal reinzuschauen und, wenn das
Projekt richtig angelaufen ist, auch mitzumachen.

Beste Grüße

Jochen U. Bruening
Universitaet Konstanz, FB Informatik und Informationswissenschaft
Tel.: 07531/88-2410  Mobil: 0170-7422617
Email: jochen.bruening@xxxxxxxxxxxxxxx


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