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Promotionsordnungen, (war: Pruefungsarbeiten)



Lieber Herr Graf, liebe Liste,

vielleicht ein paar grundlegende Anmerkungen zu den Promotionsordnungen. Sie
sind Satzungen, also Gesetze im materiellen Sinn, die von der Hochschule im
Rahmen ihrer akademischen Selbstverwaltung erlassen werden. Da die Promotion
eine zutiefst akademische Angelegenheit ist, ist die Hochschule hier sehr frei
in der Ausgestaltung des Verfahrens. Der Hochschulgesetzgeber kann hier nur
einen Rahmen abstecken.
Die Frage der Ausgestaltung der Veröffentlichungspflicht liegt hier ganz bei
der Hochschule. Die von Herrn Graf zitierte Regelung des LHG Ba-Wü von 2000
ist keine Ermächtigungsgrundlage für Eingriffe in die Rechte der Doktoranden,
sondern adressiert an die Hochschulen für die Ausgestaltung der entsprechenden
Satzung (Promotionsordnung). Diese Satzung ist die vom Gesetzesvorbehalt her
notwendige, aber auch hinreichende Ermächtigungsgrundlage für Eingriffe in die
Rechte des Doktoranden. Kurz erwähnen möchte ich, daß die von Herrn Graf
zitierte Vorschrift nicht mehr in Kraft ist. Das neue Landeshochschulgesetz
Baden-Württemberg von 2005 (!) regelt in § 38 LHG-BaWü das Promotionswesen.
Dort heitß es in § 38 Abs. 4, Satz 1 und 2 LHG-BaWü nur noch: (4) Die
Hochschule führt Promotionsverfahren auf der Grundlage einer Promotionsordnung
durch, die vom Senat zu beschließen ist und der Zustimmung des
Vorstandsvorsitzenden bedarf. Die Promotionsordnung regelt die weiteren
Zulassungsvoraussetzungen, die Höchstdauer der Promotionszeit und die
Durchführung des Promotionsverfahrens. ..."
Also: Rechtsgrundlage für die Publikationspflicht ist die Promotionsordnung
als Satzung der Hochschule. Regelungen in den Landeshochschulgesetzen und im
Hochschulrahmengesetz dienen nur dazu, dem Verordnungsgeber einen
Mindeststandard vorzuschreiben.

Einige Hinweise zum Urheberrecht: Selbstverständlich ist der Doktorand Urheber
und seine Dissertation urheberrechtlich geschützt. Damit gelten für ihn alle
Rechte und Pflichten des UrhG. Was das Recht anbelangt, über die
Veröffentlichung der Arbeit zu bestimmen, § 12 UrhG, so gilt hier, daß die
Promotionsordnung eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung darstellt - sie ist
Teil der Promotionsleistung -  gegenüber der sich der Doktorand nicht aus § 12
UrhG berufen kann, vergleichbar mit einer vertraglichen Pflicht, wie sie etwa
bei Arbeitnehmern bestehen kann.
Die Hochschule kann nicht nur das "ob", sondern auch das "wie" der Publikation
bestimmen. Teilweise wird etwa die Veröffentlichung in einem Verlag von der
Zustimmung des Dekans abhängig gemacht (so die Promotionsordnung der
Juristischen Fakultät der WWU Münster). Das bedeutet auch, daß es in der Macht
der Hochschule steht, im Bereich der Dissertationen das elektronische
Publizieren und den Gedanken von open access zu fördern. Rechtlich sehe ich
hier keine Hindernisse. Die Probleme sind politisch. Vor allem an großen
Unversitäten werden Professoren ihre "teuren" Reihen in renommierten Verlagen
ungern durch eine elektronische Pflichtversion gefährdet sehen wollen.
Allerdings, das muß gesagt werden: Die Promotionsordnungen sind kein
Instrument der Subvention von Verlagen oder der Zementierung gewachsener, aber
auch kontingenter Publikationsstrukturen. Sie sind Gegenstand der akademischen
Selbstverwaltung der Hochschule und können von ihr sachgerecht ausgestaltet
werden. Und es ist unstreitig sachgerecht, daß eine elektronische Dissertation
auf einem frei zugägnlich Server eine breite und nachhaltige Öffentlichkeit
herstellt, wie es dem Wesen der Promotion entspricht.
Die Hochschulen sollten den Mut haben, hier neue Wege zu gehen. Hybrides
Publizieren und Print on demand sind dabei Stichworte, die verdeutlichen,
wohin die Reise gehen kann, wenn man nicht auf einen gedruckten Text
verzichten möchte. Bei aller Sympathie für das elektronische Format: Ein Buch
ist mir zur intensiven Lektüre immer noch lieber. Aber das eine muß das andere
ja nicht ausschließen!

Grüße aus Thüringen
Eric Steinhauer
http://www.steinhauer-home.de


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.