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[InetBib] Diplomarbeit=Hochschulschrift?



Liebe Liste,

eine kleine Beobachtung aus dem Lexikon des gesamten Buchwesens, 2. Aufl. Das Lemma "Diplomarbeit" fehlt. Im Lemma "Hochschulschriften (HSS)" von G. Pflug, Bd. 3, S. 490 ist zu lesen: "Völlig fehlen in den HSS-Verz. die bibliographischen Angaben von schriftlichen Examensarbeiten, die nur zu den Prüfungsakten genommen werden wie Staats-, Diplom- oder Magisterarbeiten. Diese Arbeiten sind daher nicht als HSS anzusehen."

Pflug benennt damit den zutreffenden Sachverhalt, daß Arbeiten, die "nur" zu den Akten genommen wernde, keine Veröffentlichungen sind. Der letzte Satz freilich geht darüber hinaus. Auch wenn diese Arbeiten publiziert werden, sind sie wohl keine Hochschulschriften und werden auch nicht in HSS-Verz. nachgewiesen. So jedenfalls lese ich das.

Das ist freilich falsch, zumindest mißverständlich! Zum einen finden sich in den von Universitäten herausgegebenen HSS.-Vert. sehr wohl Examensarbeiten. Zum anderen qualifizieren die RAK-WB publizierte (!) Examensarbeiten ausdrücklich als HSS und schreiben sogar einen HSS-Vermerk vor. Ich zitiere § 162 Nr. 6 RAK-WB: "Bei Hochschulschriften (Dissertationen, Habilitationen, Diplom-, Magisterarbeiten und dgl.)." 
Zu einschränkend sind Haller/Popst, Katalogisierung nach den RAK-WB, 5. Aufl., München [u.a.] 1996, S. 247: "Zu den Hochschulschriften gehören Dissertationen, Habilitationsschriften, Diplom- und Magisterarbeiten. Es handelt sich dabei um wissenschaftliche Abhandlungen, die zur Erlangung eines akademischen Grades verfaßt werden." Der zweite Satz stimmt, weil der erste unvollständig ist. Staatsarbeiten vermitteln keinen akademischen Grad, gehören aber nach RAK-WB ausdrücklich zu den HSS. Die Definition bei Haller/Popst ist an die Preußischen Instruktionen angelehnt, die auch auf die Erlangung des akademischen Grades abstellen, vgl. Fuchs, Kommentar zu den Instruktionen für die alphabetischen Kataloge der Preußischen Bibliotheken, 5. Aufl., Wiesbaden 1973, S. 123.

Die enge Auffassung von Pflug im LGB(2), die Examensarbeiten ausschließt, findet sich auch im bibliographischen Schrifttum, so bei Bartsch, Die Bibliographie, München [u.a.] 1979, S. 109 f.

Das ist allerdings nur insoweit richtig, als Examensarbeiten nicht publiziert sind und wenn man sich darauf verständigt, nur publiziertes Material in einer Bibliographie nachzuweisen. Sobald eine Examensarbeit aber veröffentlicht wird, was schon durch eine mit Zustimmung des Kandidaten erfolgte Einstellung in den Bibliotheksbestand gegeben ist, wird man sie redlicherweise als Hochschulschrift behandlen müssen. Die RAK-WB sind hier sehr pragmatisch: entsprechende Arbeiten müssen ja katalogisiert werden können.

Vollkommen richtig werden im hervorragenden "Reclams Sachlexikon des Buches" in dem Lemma "Hochschulschrift" die Diplom-, Staats-, und Magisterarbeiten ausdrücklich als HSS. bezeichnet. Ebenso Hiller, Wörterbuch des Buches, Lemma Hochschulschrift: "Diplom- und Magisterarbeiten", wobei die Staatsarbeiten leider fehlen. Wie so häufig, ist Reclams Sachlexikon auch hier die erste Wahl!

Fazit: Es gibt eine begriffliche Unklarheit zwischen Katalogregeln und Allgemeiner Bibliographie über die Einordnung der Prüfungsarbeiten. Diese Unklarheit setzt sich in den Schwierigkeiten fort, die Bibliotheken mit der Verwaltung des entsprechenden Schrifttums haben. Aus Sicht der Katalogregeln freilich ist die Antwort einfach: Examensarbeiten, die publiziert sind, sind wie Dissertationen als Hochschulschriften zu behandeln. Damit wären wir wieder am Anfang der Diskussion, ob und wie Examensarbeiten publiziert werden sollen und können.

Eric Steinhauer
http://www.steinhauer-home.de





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