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Re: [InetBib] Urheberrecht an digitalisierten Werken



Liebe Liste,

soll ich mich durch den direkten, persönlichen Angriff von Herrn Graf beleidigt fühlen oder nicht? Was meinen Sie? Ich bin ja bekanntermaßen sehr geduldig und tolerant. Aber erträgt diese Liste solche Äußerungen?

Zur Sache: Da kann ich nur milde lächeln. 8-); Denn Herr Graf versucht mir zu widersprechen, wo es gar nichts zu widersprechen gibt. Ich vertrete nämlich genau die vom BGH und der Kommentarliteratur zu § 72 UrhG vertretenen Auslegungen. Steht auch so in meiner Mail ("wenn dazu eine persönliche Leistung eingesetzt wird"). Sobald beim Digitalisieren "technisch-fachliche Fertigkeiten" oder andere persönlich geistige Leistungen erbracht werden, entsteht ein Rechtsschutz gemäß § 72 UrhG. Diese Vorschrift findet deshalb keine Anwendung auf das mechanische Anfertigen von Photokopien. Es gibt aber eine ganze Anzahl von Urteilen, die einen Rechtsschutz für Lichtbilder (Photos) bejahen, z.B. Photos von Beuys-Zeichnungen, Bilder aus Passbildautomaten, ärztliche Röntgenbilder usw. Wenn ich beim Digitalisieren eine Software einsetze, die das Einstellen diverser Parameter erlaubt, liegt die Annahme einer persönlichen Leistung nahe. Wie gesagt: es gibt noch kein Urteil dazu. Aber die Erkenntnisse aus der Rechtsprechung zur Analogphotographie sollten für digitale Reprographien eingesetzt werden.

Digitalisieren Sie in Ihren Bibliotheken mit eigenem Personal und unter Einsatz von hochwertiger, parametrisierbarer Software, dann entsteht mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Rechtsschutz gemäß § 72 UrhG, den die Bibliothek auf sich übertragen lassen kann (Nutzungsvertrag, Dienstvertrag). Mit diesem Satz hoffe ich, die Anfrage der Kollegin beantwortet zu haben.

Gut gelaunt grüßt

--
Dr. Harald Müller

Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht / Bibliothek
Max Planck Institute for Comparative Public Law
and International Law / Library
Im Neuenheimer Feld 535; D-69120 Heidelberg
Phone: +49 6221 482 219; Fax: +49 6221 482 593
Mail: hmueller@xxxxxxx



---------- Original Message ----------------------------------
From: "Klaus Graf" <klaus.graf@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx>
Reply-To: Internet in Bibliotheken <inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx>
Date:  Wed, 28 Sep 2005 15:13:21 +0200

>On Wed, 28 Sep 2005 14:16:14 +0200
> "Harald Müller" <hmueller@xxxxxxx> wrote:
>>
>> Liebe Frau Lübcke,
>>
>> wie mir scheint haben Sie bisher noch keine seriöse
>> Antwort auf Ihre Frage erhalten. Ich will das mal in der
>> gebotenen Kürze versuchen.
>
>Ich moechte in der gebotenen Kuerze feststellen, dass die
>von Herrn Mueller gegebene Antwort unserioes ist.
>
>
>> Obwohl es noch kein Urteil über die Frage der
>> Digitalisierung (Scannen) gibt, wollen die juristischen
>> Kommentare diese Vorschrift auch auf "digitale
>> Lichtbilder" angewendet wissen, wenn dazu eine
>> persönliche Leistung eingesetzt wird. Was bedeutet das im
>> Ergebnis?
>>
>> Durch § 72 UrhG wird die erzeugte Abbildung geschützt,
>> nicht das Original, die Vorlage. Das heißt, das
>> Digitalisat einer Bibel genießt Rechtsschutz zugunsten
>> des Herstellers, hindert Sie aber nicht daran, von der
>> gleichen Originalvorlage eine neue digitale Kopie
>> anzufertigen. Den Schutz nach § 72 können nur Menschen
>> erlangen, nicht aber Bibliotheken, Archive usw. (Man kann
>> sich aber als Bibliothek das Nutzungsrecht vom
>> Lichtbildner vertraglich übertragen lassen.)
>
>Das ist absoluter Unsinn und steht im Widerspruch sowohl
>zur Kommentarliteratur als auch zur Rechtsprechung des BGH.
>Am 7.1.2000 formulierte dieser nochmals seine Auffassung,
>die der Entscheidung Bibelreproduktion zugrundeliegt:
>
>"Unabhängig davon müßte das Bild, für das die Klägerin den
>Schutz des § 72 UrhG in Anspruch nimmt, mehr sein als eine
>bloße technische Reproduktion einer bestehenden Graphik.
>Denn der technische Reproduktionsvorgang allein begründet
>noch keinen Lichtbildschutz (vgl. BGH, Urt. v. 8.11.1989 -
>I ZR 14/88, GRUR 1990, 669, 673 - Bibelreproduktion,
>m.w.N.; Schricker/Vogel, Urheberrecht, 2. Aufl., § 72 UrhG
>Rdn. 22). Vielmehr ist ein Mindestmaß an persönlicher
>geistiger Leistung erforderlich, die dann zu verneinen ist,
>wenn ein Lichtbild oder ein ähnlich hergestelltes Erzeugnis
>nicht mehr als die bloße technische Reproduktion einer
>vorhandenen Darstellung ist."
>http://www.jurpc.de/rechtspr/20010134.htm
>
>Digitalisate, die mit Flachbettscannern (so auch RA Seiler)
>oder Apparaturen, bei denen automatisch oder manuell bei
>feststehender Digitalkamera lediglich umgeblaettert wird,
>erstellt werden, sind, sind solche blossen technischen
>Reproduktionen, da sie sich - wie die nicht geschuetzte
>Fotokopie - darauf beschraenken, eine Vorlage so
>originalgetreu wie moeglich und ohne weitere geistige
>Leistung wiederzugeben.
>
>Ein netter Versuch von Herrn Mueller, die Rechtslage auf
>den Kopf zu stellen, aber nichtsdestotrotz abwegig.
>
>Klaus Graf
>
>





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