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[InetBib] Re Newsletter Börsenverein



Sehr geehrter Herr Dr. Sprang,

es mutet seltsam an, wenn Sie dem Urheberrechtsbündnis vorwerfen, unter
falscher Flagge zu segeln. Tasächlich benutzt der Börsenverein das
URHEBER-Recht als Deckmäntelchen dafür, die wirtschaftlichen Interessen der
Verlage zu vertreten (was an sich natürlich sein gutes Recht ist).

Wenn der von Ihnen erwähnte Zivilrechtsprofessor in NJW veröffentlicht, so
trifft er diese Entscheidung wegen des Renomees der Zeitschrift. In einer
beachteten Zeitschrift zu publizieren ist aber nur das eine, wichtig ist
auch das andere, nämlich gelesen zu werden. Und da ist es ihm völlig egal,
auf welchen Wege Kollegen an seinen Artikel kommen. Dem URHEBER ist es egal,
ob andere Bibliotheken "ein Print-Abo der NJW oder eine Netzwerklizenz von
beck-online" vorhalten oder ob sie diesen Kollegen den Artikel über
elektronische Dokumentlieferdienste beschaffen. 
Diese Einstellung müssen Sie nicht gutheissen, sie ist aber de facto die
Einstellung der URHEBER. Kein Autor hat etwas dagegen, wenn seine Artikel
möglichst große Verbreitung finden. Und kein Autor veröffentlicht in einer
traditionellen Zeitschrift mit dem Hintergedanken, dass so eher wenige die
Möglichkeit haben, das Werk zu lesen. Ihre Behauptung, ein campus-weiter
Zugriff auf einen Artikel sei urheber-feindlich, da es die Entscheidung
gegen ein Open-Access-Journal missachte, ist daher wirklich lächerlich. 

Mit freundlichem Gruß  
Bernhard Mittermaier

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Dr. Bernhard Mittermaier

Forschungszentrum Jülich GmbH
Zentralbibliothek
Leitung Benutzerservice
52425 Jülich
Tel: +49 2461 61-5221
Fax: +49 2461 61-6103
e-mail: b.mittermaier@xxxxxxxxxxxxx 

-----Ursprüngliche Nachricht-----

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Message: 2
Date: Sun, 19 Feb 2006 22:55:12 +0100
From: "Dr. Christian Sprang" <christian.sprang@xxxxxx>
Subject: Re: [InetBib] [Inetbib] Re Newsletter Börsenverein (Posting
        von Christian Sprang, Justiziar des Börsenvereins)
To: "Internet in Bibliotheken" <inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx>
Message-ID: <001301c635aa$0087cc90$e82cec53@name7gtgc6lrnj>
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        reply-type=original

Lieber Herr Kuhlen,
nachdem Sie als Sprecher des sog. Urheberrechtsbündnisses bereits mehrfach
für ein Moratorium bei der Umsetzung der EU-Informationsrichtlinie
eingetreten sind, bleibe ich dabei, dass diese Lobbyvereinigung aufrichtiger
wäre, wenn Sie den Titel "Anti-Urheberrechtsbündnis" trüge. Aber wir wollen
uns nicht mit Namen aufhalten: Fakt ist, dass Creative Commons-Lizenzen ein
Konzept sind, das als Gegenmodell zu der Konzeption des Urheberrechts als
Eigentums- und Ausschließlichkeitsrecht entwickelt wurde. Wenn sich das sog.
Urheberrechtsbündnis mit Creative Commons (statt mit Urheberrechten)
beschäftigt, zeigt dies erneut, dass es eben gerade gegen das durch
EU-Informationsrichtlinie und Art. 14 Grundgesetz geschützte Autorenrecht
gerichtet ist. Wie Sie wissen, haben Verlage und Börsenverein
Wissenschaftler, die open access oder mit creative commons-Lizenzen
publizieren wollen, schon immer ermutigt, dies zu tun. Möge der Markt
darüber entscheiden, ob sich dies positiv oder negativ auf ihre
wissenschaftliche Reputation auswirkt. Vielleicht gehen Sie ja auch zu einem
Verlag, der ihr Werk open access veröffentlicht. Wenn aber bspw. ein
Professor für Zivilrecht sich bewusst entscheidet, einen Aufsatz in der NJW
(Neue Juristische Wochenschrift) und nicht open access zu veröffentlichen,
dann soll die Rechtsordnung diese Entscheidung auch akzeptieren und jede
Bibliothek, die ihren Nutzern diesen Aufsatz zugänglich machen will,
verpflichten, ein Print-Abo der NJW oder eine Netzwerklizenz von beck-online
vorzuhalten.Wenn die Bundesregierung gegenwärtig aufgrund der Sparwut der
Träger öffentlicher Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen vorsieht, den
Zugriff auf urheberrechtlich geschützte Artikel unabhängig davon zu
ermöglichen, ob sie diesen vom Verlag erworben haben oder nicht (§ 52b
UrhGE), dann darf ein Bündnis, das den Begriff "Urheberrecht" im Namen
trägt, darüber nicht jubeln bzw. dies nicht als nicht weitgehend genug (der
fragliche Artikel soll laut Urheberrechtsbündnis schließlich nicht nur in
der Bibliothek, sondern auf dem ganzen Campus ohne Genehmigung der
Rechtsinhaber abrufbar sein) kritisieren. Eine solche Haltung ist nämlich
grundsätzlich urheberfeindlich, weil sie die Entscheidung des Autors gegen
eine open access-Veröffentlichung missachtet. Herzliche Grüße Christian
Sprang



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