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Re: [InetBib] Humboldt-Universität verabschiedet Open Access Erklärung



Solche unverbindlichen Empfehlungen sind die Kosten fuer
den Event nicht wert. Gemieden wird auch nur die Spur von
Verpflichtung, obwohl es dazu in Teilbereichen durchaus
mehr oder minder unumstrittene rechtliche Moeglichkeiten
gaebe. Die Open Access-Community hat immer wieder
festgestellt, dass freundliche Aufforderungen an
Wissenschaftler kaum Effekte zeitigen.

Open Access ist fuer die Bibliotheken eine einzigartige
Gelegenheit, ihre uebliche WIDERLICHE HEUCHELEI an den Tag
zu legen.

Bekannt ist, dass die Berliner Erklaerung, auf die sich die
Humboldt-Uni bezieht, auch fuer Kulturgut gilt. 

Nun schauen wir uns den am Seitenfuss befindlichen Vermerk
bei den historischen Drucken einmal an:

"Die inhaltliche Zusammenstellung und Aufmachung dieser
Publikation sowie die elektronische Verarbeitung sind
urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht
ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf
der vorherigen Zustimmung durch die Universitätsbibliothek
der Humboldt-Universität zu Berlin. Das gilt insbesondere
für die Vervielfältigung, die Bearbeitung und
Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme."

Das ist nun zunaechst einmal reines COPYFRAUD, denn ich
kann nirgends die erforderliche Schoepfungshoehe erkennen,
die bei der elektronischen Verarbeitung eines Drucks von
1740 entsteht. Die Scans selber sind sicher keine
Lichtbilder nach § 72 UrhG, auch wenn sie mit einer Kamera
gemacht wurden. Wer unter einer Reproduktionskamera
lediglich eine einmal justierte gedruckte Vorlage
umblaettert, ist wohl auch nach Meinung derjenigen
Juristen, die die Reproduktionsfotografie fuer
schuetzenswert erachten, KEIN Lichtbildner.

Die Anordnung der Seiten ist ebensowenig geschuetzt und ob
im Scannen einiger alter Baende eine schuetzenswerte
Datenbank nach § 87a UrhG entsteht, erscheint mir doch
recht zweifelhaft.

Indem die Humboldt-Universitaet sich eines Urheberrechts
beruehmt, das ihr hoechstwahrscheinlich nicht zusteht,
betruegt sie die Wissenschaft. Ich halte Diebstahl an der
Pubic Domain genauso fuer ein "Verbrechen" wie Raubkopieren
und denke, die Bibliothekare gehoeren genau dann ins
Gefaengnis, wenn dort auch die Raubkopierer einsitzen
muessen.

Einzig und allein korrekt und im Sinne von Open Access
waere es zu sagen: Leute, der Druck ist Public Domain
(deutsch: gemeinfrei), bedient euch an den Scans, macht
fruchtbare eigene Projekte damit, ihr muesst uns nicht
fragen, wenn ihr sie verwertet aber gebt bitte die Quelle
an.

Ich zitiere mal aus den FAQ fuer Google Books Search:

"How can I reuse public domain works?

Your imagination is the limit! We hope that people of all
ages read these books and find other creative uses for
them.

Each book in our index arrived there after a careful
process of preservation by our library partners and our own
specialists. We do ask that you maintain the attribution to
Google to help those who seek the source of a book or want
to find it in a library."

Denkbar waere auch eine CC-BY-Lizenz, aber ganz generell
ist es natuerlich eine Heuchelei, sich auf die Freiheiten
der Berliner Erklaerung zu berufen, aber Nutzer der
Dokumente auf dem Dokumentenserver mit dem normalen
Urheberrecht abzuspeisen und CC-Lizenzen nicht
verpflichtend zu machen. Ich kann nicht erkennen, dass der
Humboldt-Server irgendeinen Wert darauf legt, dass den
Forderungen von Open Access, wozu auch die Beseitigung von
"permission barriers" gehoert, in irgendeiner Weise
Rechnung getragen wird.

Fazit: Grosse Worte, nichts dahinter bzw. hinter den
Kulissen schlaegt man OA in die Fresse.

Klaus Graf
   



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