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Re: [InetBib] Badische Bibliothek vor dem Verkauf? Kein Aprilscherz!



Ist das ein Fall für die Kulturstiftungen des Bundes und der Länder ?
Mit besorgten Grüßen
I. Schewe, 
Biblithek der Stiftung Stadtmuseum Berlin 
  ----- Original Message ----- 
  From: Klaus Graf 
  To: MEDIAEVISTIK@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx 
  Cc: inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx 
  Sent: Wednesday, September 20, 2006 4:30 PM
  Subject: Re: [InetBib] Badische Bibliothek vor dem Verkauf? Kein Aprilscherz!


  On Wed, 20 Sep 2006 13:28:06 +0200
   "Dr. Jürgen Wolf" <wolf@xxxxxxx> und Klaus Klein schrieben
  in den Listen MEDIAEVISTIK und Diskus:

  > Der heutigen Ausgabe der Rhein-Neckar-Zeitung (20.9.2006)
  > entnehme ich unter der Überschrift "Hilft ein Superdeal
  > dem Haus Baden aus der Klemme?", daß z.Zt. Gespräche
  > stattfinden zwischen dem Land Baden-Württemberg und dem
  > Haus Baden über die Veräußerung von Teilen "der
  > Handschriftensammlung der Badischen Bibliothek".
  > 
  > Weiß jemand der Listenteilnehmer etwas über diese
  > "Handschriftensammlung der Badischen Bibliothek", für die
  > laut Zeitungsbericht "etwa 70 Millionen Euro auf dem
  > freien Markt zu erlösen" sind? - Um die
  > Handschriftenbestände der Badischen Landesbibliothek in
  > Karlsruhe kann es sich ja wohl nicht handeln.

  Eine kleine Suche bei Google News und das Raetsel ist auf
  betroffen machende Weise geloest:

  In der Heidenheimer Neuen Presse http://digbig.com/4myty
  lesen wir:

  "Fast immer liegen Peter Michael Ehrles Schätze im Tresor.
  Selten kann man einige in Ausstellungen bewundern, keine
  hundert Experten im Jahr dürfen sie, wissenschaftliches
  Interesse vorausgesetzt, berühren: Es geht um die alten
  Handschriften, die der Direktor der Badischen
  Landesbibliothek Karlsruhe wie seinen Augapfel zu hüten
  hat. Die Vorstellung, dass vielleicht schon bald nicht nur
  das Stundenbuch des Markgrafen Christoph I. von Baden
  (1490), das Evangelistar aus St. Peter (um 1200) oder
  Lektionare von der Klosterinsel Reichenau aus dem zehnten
  Jahrhundert verkauft werden könnten, schien Ehrle gestern
  noch aus aller Welt zu sein. Nur gerüchteweise hatte der
  Bibliotheksdirektor bisher davon gehört, dass es ein ganz
  neues Interesse an den Beständen seines Hauses gibt. Von
  Details freilich wusste er bis gestern nichts. Kein Wunder.
  Während man sich in Karlsruhe auf den Festakt zum 200.
  Jahrestag der Erhebung Badens zum Großherzogtum am
  kommenden Sonntag mit Festredner Ministerpräsident Günther
  Oettinger und Prinz Bernhard von Baden vorbereitet, geht es
  hinter den Kulissen um etwas ganz anderes: Wie kann dem
  hochverschuldeten Adelshaus aus der Klemme geholfen, dessen
  einzig verbliebener Sitz, Schloss Salem am Bodensee, auf
  Dauer erhalten, der Verkauf wertvoller Gemälde und anderer
  Kunstgegenstände verhindert und ein seit Jahrzehnten
  schwelender Rechtsstreit zwischen dem Land und dem Haus für
  immer ausgeräumt werden? Unter größter Geheimhaltung
  bereiten das Land und das Haus Baden einen Deal vor, der
  allen Interessen gerecht werden soll. Die Quadratur des
  Kreises ist er gleichwohl nicht: Gewissermaßen geopfert
  werden Teile der Handschriftensammlung der Badischen
  Bibliothek. Ziel ist es, wie aus bestens unterrichteten
  Kreisen zu erfahren war, etwa 70 Millionen Euro auf dem
  freien Markt zu erlösen. Mit bis zu 30 Millionen Euro
  sollen die finanziellen Altlasten des Hauses Baden bedient
  werden. Der Rest soll in eine Stiftung Schloss Salem
  gesteckt werden. [...] Seit Jahr und Tag gibt es, anders
  als im Fall anderer Adelshäuser, zwischen Land und dem Haus
  Baden unterschiedliche Ansichten über die rechtlich
  korrekte Besitzzuordnung bedeutender Teile badischer
  Kunstschätze. Das als strittig eingeschätzte Volumen
  beläuft sich auf mehrere hundert Millionen Euro. Betroffen
  davon sind große Teile der Handschriften, aber auch
  Gemälde, die zum Bestand der Staatlichen Kunsthalle
  gehören. Um sich über Verkäufe sanieren zu können, soll das
  Adelshaus dem Land sogar mit einem Prozess gedroht haben.
  [...] Der Rechtsstreit könne zugunsten des Landes ausgehen
  - aber auch nicht. Wird der Deal wie vorgesehen vertraglich
  abgewickelt, ist der Rechtsstreit zugunsten des Landes
  beendet. Alle verbleibenden badischen Kulturgüter gehen in
  den Besitz des Landes oder der Stiftung über, darunter auch
  wertvolle Gemälde in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe
  (Cranach, Hans Baldung Grien). "Im Einvernehmen wird
  geregelt, was verkauft wird". Bibliotheksdirektor Ehrle ist
  überzeugt: Wenn 70 Millionen Euro erlöst werden, "müssen
  aus dem vom Haus Baden reklamierten Bestand "alle
  Spitzenstücke und mehr weg. Die Sammlung wäre zerstört."
  BETTINA WIESELMANN

  Zu den genannten Spitzenstuecken:
  http://www.blb-karlsruhe.de/blb/blbhtml/2006/blb-geschichte.php

  Dort auch die bisherige Lesart der Eigentumsverhaeltnisse:
  "Die Großherzogliche Hofbibliothek wurde 1872 aus der
  Hofverwaltung gelöst und dem badischen Innenministerium
  unterstellt. Durch diese "Verstaatlichung" wurde auch der
  Aufgabenbereich der neuen Großherzoglichen Hof- und
  Landesbibliothek erweitert. [...] Nach dem Ende der
  Monarchie (1918) wurde die Großherzogliche Hof- und
  Landesbibliothek in Badische Landesbibliothek umbenannt und
  dem Kultusministerium unterstellt."

  Ich kann mich nicht erinnern, dass anlaesslich des
  skandaloesen Verkaufs des Kulturguts des Hauses Baden im
  Jahr 1995 die Zugehoerigkeit von Kulturgut, das sich
  ausserhalb des in Salem und Baden-Baden und evtl. auf
  anderen Besitzungen befindlichen Privateigentums des Hauses
  Baden befindet, als strittig thematisiert wurde.
  Massgeblich ist insoweit das im Badischen Gesetzesblatt vom
  9. April 1919 veroeffentliche Gesetz (das mir jetzt nicht
  vorliegt).

  Angesichts der ungeheuerlichen Aussicht, dass
  Spitzenstuecke der Badischen Landesbibliothek im Handel
  landen wird man neben der Erzeugung politischen Drucks auf
  die Politiker, den dreisten Anspruechen des Hauses Baden
  nicht nachzugeben, an den Schutz herausragender
  Einzelstuecke durch das Gesetz gegen Abwanderungen
  deutschen Kulturgutes und geschlossener Ensembles nach dem
  baden-wuerttembergischen Denkmalschutzgesetz ins Auge
  fassen muessen. In der Vergangenheit (Hofbibliothek
  Donaueschingen, Baden-Auktion 1995 usw.) hat sich das
  Denkmalamt als zahnloser Tiger erwiesen. Betroffene
  Wissenschaftler koennten versuchen, unter Berufung auf Art.
  5 GG eine Klagebefugnis vor einem Verwaltungsgericht
  abzuleiten, da Denkmaeler Sachen und Sachgesamtheiten sind,
  die unter anderem aus wissenschaftlichem Interesse bleibend
  erhalten werden. Ansonsten steht die Forschung einmal mehr
  fassungslos da und staunt, was gierige Eigentuemer und
  willfaehrige Politiker alles zur Disposition stellen
  koennen.

  Klaus Graf
   



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