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Re: [InetBib] OT: Adelsbibliotheken werden verscherbelt



Da geht es Ihnen wie mir, Herr Graf! Zum jetzt dritten Mal (meine ich mich zu 
erinnern) weise ich auf das Schicksal der (Bibliothek der Deutschen ROM -  
Bibliothek des Künstlervereins) in der Liste hin. Allerdings habe ich auch 
nicht soviel Zeit und Mühe aufgewandt (denn das ist mein privates Vergnügen) 
wie Sie für "Ihre" Bibliotheken und Sammlungen. Auch ist wohl kein 
"Verscherbeln" mehr zu befürchten - ( was ja vielleicht noch besser wäre, denn 
dann würden die Bücher wenigstens Aufmerksamkeit erregen ). 

 
Hier noch einmal eine stichwortartige Darstellung v. 1980 des bedauernswerten 
Schicksals der "Bibliothek des Künstlervereins in Rom":

LIT.: F. Noack: Deutsches Leben in Rom. 1907; F. Noack: Das Deutschtum in Rom. 
1927; A. Hubel: Die deutsche Kulturarbeit in Italien. 1934

BESTAND: Ausgaben des 18. und 19. Jahrhunderts: Allgemeine Geistes- und 
Kulturgeschichte; Geschichte; Kunst, Archäologie; Reisebeschreibungen Italien, 
Griechenland; Gebundene Zeitschriften (Die Kunst. Ztschr. F. bildende Kunst. 
Hrsg. v. Lützke; Die graphischen Künste ... 
Um die 8000 Bände (?)

GESCHICHTE
1815 Gründung der "Bibliothek der Deutschen" (Bunsen/Kestner)
1821 Satzung der "Bibliothek der Deutschen" 
Bibliothek setzte sich zusammen aus Schenkungen von Kronprinz Ludwig von 
Bayern, Prinz Heinrich von Preußen,  Bunsen, August Kestner, Passavant, 
Steudlin, Böhmer, Witte, Schnoor, Niebuhr, Frh. v. Stein. Dr. Schlosser, W. v. 
Humboldt ...
1833  2000 Bände
Benutzung durch Ranke, Arndt, Cervenius, F. Hebbel, Moltke aber auch Leute aus 
dem Handwerkerstand
1832 "Aufstand" der Künstler: "Bibliotheksstreit".- Künstler wollten 
Nichtkünstler von der Benutzung der Bibl. ausgeschlossen sehen. Ludwig von 
Bayern zog seine Spenden zurück und stellte sie in der neuen "Bibliothek der 
deutschen Künstler zu Rom" in der Villa Malta unter.
1834 einigte man sich auf Gegenseitigkeit im Benutzerrecht

Lesezimmer und Bücherei blieben Sorgenkinder des Künstlervereins, "weil selten 
Persönlichkeiten vorhanden waren, die Zeit, Kraft und Verständnis genug 
besaßen, um die mühevolle Arbeit der Verwaltung mit der notwendigen Sorgfalt 
und Strenge durchzuführen" (Noack: Das Deutschtum in Rom 1927, S. 641)
1873 wurden die gegnerischen Bibliotheken wieder zusammengeführt
1889 - 1899 ungenutzt im Palazzo Caffarelli gelagert
1900 Übergabe beider Bibliotheken an den Künstlerverein: Zus. ca 6000 Bände
1926 wurde als Nachfolgevereinigung die "Deutsche Vereinigung Rom" gegründet, 
die die beiden Bibliotheken übernahm
1943 (?) Auflösung der "Vereinigung der Deutschen" (Im 3.Reich wurde die 
Bibliothek auch mit "Nazi-Literatur" bestückt)


VERTEILUNG DER BÜCHER IN ROM 1980

GOETHE-INSTITUT : 
Ca 3150 Bände, die inzwischen alle an die Bibliothek des Archäologischen 
Instituts gegangen sind, wo sie geschlossen im Archiv untergebracht sind.

DEUTSCHES ARCHÄOLOGISCHES INSTITUT: 
Ca 3000 Bände plus der ca 3150 Bände aus dem Goethe-Institut

BIBLIOTHECA HERTZIANA:

Akten des Künstlervereins; 1974 hat die Deutsche Botschaft in Rom einen 
Teilbestand des 1943 aufgelösten DKV-Archives der B. H. zur Treuhandverwahrung 
übergeben (die z. T. im GI Rom in Kisten gelagert waren). Vom archäologischen 
Institut hat sich die B. H. die Reisebeschreibungen ausgeliehen.

VILLA MASSIMO - Deutsche Akademie in Rom:

Ca 600 Bände (Kunstzeitschriften)
_____ 

Das Goethe-Institut hat eine Bereitstellung von Sondermitteln zur Erfassung der 
Bestände in einen Gesamtkatalog als nicht zu seinen Aufgaben gehörend 
abgelehnt. Das Archäologische Institut hatte 1980 die Katalogisierung des 
Bestandes durch einen Praktikanten in Aussicht gestellt. 1995 (glaube ich) 
ergab eine Anfrage, dass sich seit 1980 nichts in Bezug auf die Bibliothek 
getan hat. Die Kollegen (besonders Dr. Goldbrunner vom Hist. Inst. in Rom und 
Dr. Blank v. DAI) sind inzwischen im Ruhestand, bezw. traurigerweise verstorben 
(Dr. Goldbrunner). 

Der Erfolg in Sachen "Badische Handschriften" laesst mich hoffen ... Auf was? 
Auf eine Erfassung der Bestände und eine Zusammenführung an einen noblen ORT, 
der ebenso gut klingt wie  Villa Marta oder Palazzo Caffarelli - und auch den 
"Nicht-Künstlern" und "Handwerkern" wieder den freien Zutritt ermöglicht.

Luise von Löw, 
München
 


-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx 
[mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von Klaus Graf
Gesendet: Sonntag, 29. Oktober 2006 03:36
An: inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
Betreff: [InetBib] OT: Adelsbibliotheken werden verscherbelt

In der Causa Karlsruhe war die Empörung groß. Geht es aber
um weniger wichtige Kulturgüter, stehe ich mit meinem Kampf
gegen undokumentierten Ausverkauf historischer Sammlungen
wie Adelsbibliotheken weitgehend auf verlorenem Posten. Oft
nimmt nicht einmal die Lokalpresse Notiz von den
entsprechenden Verlusten.

In der FAZ vom 28.10.2006 S. 48 ("Kunstmarkt") erfährt man,
dass bei Hartung & Hartung in München vom 7. bis 9.
November Bestände aus mehreren Adelsbibliotheken
versteigert werden.

Online-Katalog:
http://www.hartung-hartung.com/HHWeb/DB_Abteilungen_Frame.aspx?Mode=1&AukNr5

Zum einen geht es um einen Schwung schöngeistiger Bücher
aus Schloss Neidstein (Familie von Brand), das in den
Besitz des Hollywood-Stars Nicholas Cage übergegangen ist
und dessen Inventarreste vor etwa 5 Wochen bei Neumeister
in München versteigert wurden, siehe
http://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Neidstein#Archiv_und_Bibliothek

Aus Neidstein stammt z.B. Nr. 21:

"21 Nürnberg. - Beschreibung der Nürnberg: Landschafft,
Welche in Chroniken und Analibus bißweilen der
Nürnbergische Craiß genant wird, wie auch der Nürnberg:
Land-Wehr... Deutsche Handschrift auf Papier. O. O. 1732.
Ca. 360:220 mm. Tit., 242 SS., 8 w. Bll. Marmor. Pp.
Schätzpreis: *R (500,- €)
Von einer Hand in brauner Tinte recht sorgfältig
geschrieben. Enthält eine genaue Beschreibung der zum
Nürnberger Gebiet gehörenden Ortschaften, darunter: Eibach,
Feucht, Fürth, Hersbruck, Katzwang, Liechtenhof,
Ochenbruck, Reichenschwandt u. Wendelstein. Mit ausführl.
Ortsregister. - Sauber. Tit. gestemp. Etwas beschabt.
Unbeschnitten. - Exlibris "Stiftung der Familie Stoer und
Stier". Aus Bibliothek Schloß Neidstein."

Die Volltextsuche "Neidstein" findet 212 Treffer, teilweise
mit Besitzvermerken derer von Brand (z.B. Nr. 1724).

Zum zweiten geht es um die dritte Tranche der bedeutsamen
Büchersammlung der Freiherren von Fechenbach zu Laudenbach,
über die ich bereits berichtet habe:
http://archiv.twoday.net/stories/2539169/
http://archiv.twoday.net/stories/1091758

Hier sind auch Handschriften betroffen beispielsweise Nr.
9:
"Fimberger, Nic. Iter Philosophiae peripatetico Christianae
Coeptum. Deutsche Handschrift auf Papier. Würzb.
1.XII.1723. 208:168 mm. 223 Bll., 2 Kupfertaf. Ldr. d. Zt.
Schätzpreis: (100,- €)
Vorlesungsmitschrift des Würzburger Studenten Joh. Phil.
Karl Anton v. Fechenbach. - Sauber. Einbd. berieben u. mit
Wurmspuren."

Nr. 14: "Kleinschrod, Gallus A. Caspar. Thematischer Theil
des Criminalrechtes nach den Vorlesungen des Herrn
Professor Kleinschrod im Sommersemester 1810. Deutsche
Handschrift auf Papier. (Würzburg) 1810. 220:195 mm. 439
unn., 1 w. Bll. Pp. d. Zt.
Schätzpreis: (240,- €)
Schöne, gut lesbare, gleichmäßige Schrift, vereinzelt
unterbrochen von kl. Verbesserungen u. Kommentaren von
anderer Hand. Mitschrift einer Vorlesung des bekannten
Würzburger Strafrechtlers (vgl. Stintzing/L. III1 461 ff.),
einem überzeugten Vertreter der naturrechtlichen,
aufklärerischen Epoche, scharf kritisiert von Feuerbach. -
Auf leicht getöntem Papier, unbeschnitten. - Beiliegt von
gleicher Hand: Anmerkungen zu Martins Lehrbuche d.C.P.
Deutsche Handschrift auf Papier. O. O. u. Dat. 220:195 mm.
128 unn. Bll. Pp. d. Zt. wie oben. (Abhandlung zum
Zivilprozeß mit Hunderten von Marginalien). - Beide Bände
mit Stempel u. hs. Besitzverm "vFechenbach", des Friedrich
von Fechenbach, der vermutlich diese Aufzeichnungen als
20jähriger Student an der Würzburger Universität
geschrieben hat. - Einbde. bestoßen und beschabt."

Es ist ein Skandal, dass die Büchersammlung des letzten
Würzburger Fürstbischofs in alle Welt zerstreut wird!

Sodann werden nach dem EALG zurückgegebene Bücher aus
Schloss Püchau, die sich in Leipziger Bibliotheken
befanden, versteigert. Nach
http://www.puechauer-schloss.de/seiten/frames.php
scheinen die Alteigentümer die Grafen von Hohenthal (es
bestand ein Fideikommiss) gewesen zu sein.

Beispiel:
"978 Lünig, Joh. Chrn. Deutsches Reichsarchiv. (Bde. 16 u.
19 v. 24:) Spicilegii ecclesiastici Fortsetzung des 1.
Theils, Von Ertz-Stifftern, Auch Teutschen u.
Johanniter-Orden. - Continuatio spicilegii ecclesiastici
Des Teutschen Reichs-Archivs... Lzg., Lanckisch Erben, o.
J. u. 1720. Fol. 26 Bll., 1084, 140, 198 SS.; 18 Bll., 1178
SS. Ldr. d. Zt. mit Rsch.
Schätzpreis: (200,- €)
Dahlm./W. 1059. - Etwas gebräunt u. stockfl. Die Tit. mit
Stempel der Schlossbibliothek Püchau (Sachsen) u. der UB
Leipzig (ausgeschieden). Einbde. berieben u. bestoßen, 3
Kapitale lädiert."

Nr. 299 ist die Schedelsche Chronik (ehemals
Stadtbibliothek Leipzig).

Und schließlich kommen unter den Hammer wervolle Bücher aus
einer hochbedeutenden Leipziger Patriziersammlung, der
Sammlung Apel, die für eine Stiftung verscherbelt werden.
Zur Sammlung Apel sehe man:
http://archiv.twoday.net/stories/529585/

Klaus Graf



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