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Re: [InetBib] Perlentaucher-Urteil



On Sat, 25 Nov 2006 17:02:15 +0100
 delin@xxxxxx (Delin, Peter) wrote:
Eine Frage an die Rechtsexperten in INETBIB:

Hat das Urteil zur Klage der FAZ und der Süddeutschen
Zeitung gegen den Perlentaucher auch Auswirkungen auf die
Verwendung von Zitaten als Annotation in den
Katalogisaten der Bibliothekskataloge? - sprich: wird man
zukünftig solche kurzen Zitate verwenden können, ohne
gegen das Urheberrrecht zu verstoßen?

http://www.perlentaucher.de/artikel/3512.html

Für eine Einschätzung wäre ich dankbar.

Die beiden Urteile (es gibt zwei, eins gegen FAZ, auf der
Seite des Gerichts online, siehe auch
http://archiv.twoday.net/stories/2981227/ ) sind noch NICHT
rechtskraeftig, sind aber gleichwohl ueberzeugend.

Es ging gerade NICHT um Zitate im Rechtssinn (§ 51 UrhG).
Die sehr kurzen woertlichen Uebernahmen erreichen nach
Ansicht des Gerichts ueberhaupt nicht die noetige
Schoepfungshoehe. Das werden einige anders sehen.

Im Kern ging es um die Frage, ob die "Inhaltsmitteilungen"
des Perlentauchers die Lektuere des Originals ersetzen, was
das Gericht verneint. Es sei eher von einem Werbeeffekt
zugunsten der Originalrezension auszugehen.

Auch wenn dem oft so ist, meine Nutzung des Perlentauchers
ist eine andere. Sofern eine Rezension nicht online ist,
begnuege ich mich mit dem Perlentaucher-Hinweis, um einen
Eindruck von den Meinungen ueber ein Buch zu erhalten. Ich
erspare mir also tatsaechlich in vielen Faellen die
Lektuere des Originals. Ich kaeme aber auch ohne
Perlentaucher nicht auf die Idee Pay-per-view ueberteuerte
Zeitungsartikel zu erwerben. Wenn die Rezension
wissenschaftlich wichtig fuer mich ist, wuerde ich ueber
eine Bibliothek die Rezension einzusehen versuchen.

Der Ansatz, danach zu fragen, ob die Inhaltsmitteilung die
Lektuere des Werks ersetze, ist schon im Ansatz grundfalsch
und das seit der Entscheidung des Reichsgerichts (!) ueber
einen Opernfuehrer. Zum Meinungsstand siehe Schricker,
UrhR, 3. Aufl. 2006 § 12 Rdnr. 29. Das Gericht hat auch dem
Grundrecht der Meinungsfreiheit, die meines Erachtens
durchaus eine vollstaendige Inhaltsangabe (z.B. eines
Romans) erlaubt, nicht ausdruecklich Rechnung getragen.

Ich kann beim besten Willen mir kein konkretes Beispiel
vorstellen, wo die Mitteilung kurzer, nicht schutzfaehiger
woertlicher Auszuege aus einem Werk (Delin: "Zitate") in
einem Bibliothekskatalog sinnvoll waere. Hier wuerde der
Bibliothekar auf einem schmalen Grat wandeln, da es immer
auf den Einzelfall ankommt und bei zu ausfuehrlichen
"Zitaten" sehr wohl in die Rechte des Urhebers eingreifen
kann. Dass es nicht in Betracht kommt, die extrem
komprimierten Inhaltsangaben des Perlentauchers zu
uebernehmen, bedarf keiner langer Eroerterung: diese sind
ihrerseits urheberrechtlich (aehnlich wie nicht-amtliche
Leitsaetze von Gerichtsentscheidungen) geschuetzt.

Zusammenfassungen (Abstracts) sind in der Regel zulaessig,
das war aber bereits vor dem jetzigen Urteil klar.

Wenn Herr Delin nach wie vor der Ansicht ist, dass kurze
"Zitate" irgendwie beim Katalogisieren helfen, dann sollte
er sich schon die kleine Muehe machen, ein paar Beispiele
anzufuehren.

Klaus Graf    

   



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