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Re: [InetBib] Google, Informationsmonopole, Rolle und Zukunft der Bibliothek



From: "Mark Buzinkay" <office@xxxxxxxxxxxx>
Das führt mich zu einer letzten Frage: was will die Bibliothek überhaupt
sein? Im Angesicht dieser Debatte ist dies eine längst überfällige Frage.

Für Bibliothekare kann das eigentlich keine neue Frage sein, 
da es zwangsläufig eine der ersten ist, die man in diesem Studium behandeln
muss. Dass die klassische Definition der Bibliothek des 19. Jh. 
heute allerdings nicht mehr zeitgemäß ist, ist richtig - und das ist das 
eigentliche 
Problem, dass noch zu lange die Definition:
"eine geordnete und benutzbare Sammlung von Büchern" (Hacker) gelehrt wurde.
Gemeint waren dann meist auch nur gedruckte Bücher, obwohl die 
Digitalisierung der Bibliotheken eigentlich 1963 (Weinberg Report) begann.

Dagegen schließt die Bibliothek als Einrichtung, die unter archivarischen, 
ökonomischen und synoptischen Gesichtspunkten publizierte Information 
für die Benutzer sammelt, ordnet und verfügbar macht (Ewert/Umstätter),

die Digitale und Virtuelle Bibliothek und z.B. die fachliche Beherrschung 
von Google zwangsläufig mit ein. Das ist die funktionsbezogene Definition 
der Bibliotheken aller Zeiten, im Gegensatz zur vereinfachten 
lokationsorientierten Definition - in der sie als Ort an dem Bücher stehen, 
definiert wurde.

An dieser Stelle muss man Lars Aronsson zumindest teilweise und 
'bedauerlicherweise' Recht geben, dass zumindest Deutschland 
"25 Jahre oder *mehr* hinter den Vereinigten Staaten" 
im Bibliothekswesen hinterherhinkt. Ich habe mich längere Zeit mit der Frage, 
ob es 10 oder 20 Jahre sind beschäftigt, und ebenso bedauerlicherweise 
feststellen müssen, dass der Versuch, den Vorsprung mit den 
Fachinformationsprogrammen (70er - 90er Jahre) aufzuholen,
sich nicht verringert, sondern auf etwa 20 Jahre vergrößert hat. 
Daran scheinen jetzt die Virtuellen Fachbibliotheken und Fachportale 
auch nur wenig zu ändern, da die eigentliche Problematik, 
mit der sich das amerikanische Militär, Google u.a. beschäftigen, 
mit dem Wechsel von der Informationsverarbeitung zur semiotischen bzw.
Wissensverarbeitung (Stichwort ontologies, XML etc.) hier viel zu spät, 
wenn überhaupt zur Kenntnis genommen wird.

Man sollte aber das deutsche Bibliothekswesen und die Kritik daran, 
nicht mit dem internationalen Bibliothekswesen verwechseln. 
Das Bibliothekswesen selbst ist in einer ungeheuren Prosperität,
nur die meisten Laien und politischen Entscheidungsträger verwechseln es 
mit ihren eigenen veralteten Vorstellungen. Darum ist die entscheidende Frage, 
wann in Deutschland die Entscheidungsträger begreifen, welche Rolle die 
Erkenntnis "Wissen ist Macht" in der modernen Bibliothekswissenschaft spielt. 
Davon hängt ab, ob und wie weit sich der zeitliche Abstand noch vergrößert 
oder verringert. So lange die meisten Fachleute den Unterschied 
zwischen Information und Wissen nicht erkennen, können sie auch nur schwer
den Wechsel von der Informationsverarbeitung zur Wissensverarbeitung 
bewusst vollziehen.

Bibliotheken sind in einer Wissenschaftsgesellschaft ohne Zweifel das 
wichtigste 
Rationalisierungspotential, ohne das eine solche Gesellschaft, 
die immer mehr von der Wissenschaft lebt, nicht wettbewerbsfähig ist.

Im Prinzip wird Lib 2.0 im Web 2.0 die leicht vorhersehbare globale 
Fließbandproduktion von Wissen unterstützen.
Das aber nur am Rande, da von "Henry Ford seinen Model T" bereits die Rede war. 
Der Vergleich ist, im Gegensatz zu Google und McDonald" sehr viel besser ;-).

MfG

W. Umstätter





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