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Re: [InetBib] Warum gelingt keine ernsthafte Konkurrenz zu Google



Lieber Herr Thaller,

Sie beschreiben sehr zutreffend das, was sich "Forschungsfoerderung"
nennt und seinen Gipfel in den buerokratischen Monstern der EU-
"Foerderung"/Selbstbeschaeftigung hat. Ueberall "spricht man" von
Buerokratieabbau - in der Realitaet erlebt man fast ausschliesslich das
Gegenteil.

Ich teile Ihre Meinung, dass diese Art der "Forschungsfoerderung" uns 
nie dahin bringt, ernsthafte Konkurrenz zu entwickeln.

Beste Gruesse aus Hannover,
Wolfgang Sander-Beuermann
--
Dr. Wolfgang Sander-Beuermann        Tel.: 0511-762-4383
Projektleiter Suchmaschinenlabor     http://metager.de/suma.html
Regionales Rechenzentrum fuer Niedersachsen (RRZN), Univ.Hannover




Lieber Herr Sander-Beuermann,

Dann zu erwarten, dass dieses Forschungsprojekten wie
forschungsportal.net mit 2 wissenschaftlichen Mitarbeitern 

nur rein hypothetisch. Könnten Sie da wirklich den Kern des Kernes 
getroffen haben?

Ich weiss, dass das folgende primär der sogenannten europäischen 
"Forschungsförderung" anzulasten ist. Das dort nachdrücklich vetrtetene 
Prinzip, das "Forschung" definiert, sickert m.E. in den letzten Jahren 
aber mehr und mehr auch in die Bundesrepublik - und ganz besonders in 
die im weitesten Sinne bibliothekarischen Entwicklungen ein.

Darum: Es gibt eine in einschlägigen Kreisen weit verbreitete Meinung, 
"wenn es funktioniert, kann es gar nicht Forschung sein".

Deswegen schreiben zwei amerikanische Studenten eine Masterarbeit, 
ignorieren dabei großzügig sämtliche Sackgassen, die die Information 
Retrieval Branche in den letzten dreißig Jahren ausgelotet hat, basteln 
einen cleveren Algorithmus, der extrem einfach ist, allerdings - 
horribilissime dictu! - praktische Kenntnisse im Softwareengineering 
erfordert, und siehe da ...

Den EU Projektantrag sehe ich schon vor mir:

(1) "Wir erfinden das Rad nicht neu".
20 Personenjahre zur Dokumentation sämtlicher nicht funktionierender 
Suchmaschinen.

(2) "Einhaltung internationaler Standards."
20 Personenjahre zur Definition eines europäischen Standards für 
Suchmaschinen, unter Berücksichtigung aller bereits existierenden 
Stamdards. 14 von den 20 Personenjahren sind frei von jeder Kenntnis des 
Softwareengineering, haben aber schon viele Standards gelesen. 5 von den 
Personenjahren wissen nicht wirklich, was Suchmaschinen sind, müssen aus 
Gründen des Länderproporzes aber eingebunden werden.

... OK, ich sehe ein, dass ich mir da einen Frust von der Seele zu 
schreiben beginne, der hier nicht hingehört (und wir wissen natürlich, 
dass keinerlei Ähnlichkeit mit deutschen Projekten oder deren Förderung 
gegeben ist)!

Aber, ernsthaft: Google hat JETZT 10.000 Mitarbeiter. Am Anfang war es 
"lean and mean" und bestand aus einer extrem kleinen Gruppe von Leuten, 
die dieses Projekt realisieren wollten, weil sie sich ernsthaft und auf 
einer persönlichen Ebene damit identifiziert haben.

Solche kleinen Teams, die selbstbewusst genug sind um nicht 90 % der 
Projektzeit damit zu verbringen,  papierlastige Case Studies gegen 
nachweisbare Formalfehler abzusichern, sondern ihre eigenen Ideen 
durchzudrücken versuchen (und das technisch auch KÖNNEN! - "können" 
heisst übrigens nicht, ein Pflichtenheft zu schreiben und dann einen 
Auftrag an einen externen Techniker administrativ richtig abzuzeichnen), 
brauchen wir.

Zwei Entschuldigungen:

(1)
Ich entschuldige mich ausdrücklich für jede Kränkung, die ich den 
Mitarbeitern von forschungsportal.net damit zugefügt haben könnte. Ich 
kenne die internen Strukturen dieses Projekt nicht. Meime Äußerungen 
beziehen sich in keiner Weise darauf.

Sie beziehen sich allerdings auf die m.E. völlig falsche Tendenz in 
Europa und Deutschland, zu glauben, dass man bei Projekten ähnlicher 
Durschlagskraft wie Google Erfolge damit erzielen kann, dass man 
möglichst große und demzufolge unweigerlich bürokratische Projekte 
anlegt, in denen Techniker hoffnungslos unterrepräsentiert sind. Die These

2 wissenschaftlichen Mitarbeitern gegenueber
10.000 von Google

eben.

(2)
Zu meinem Bedauern kann ich auf Repliken eine Woche lang nicht reagieren.
Die nächste Woche bin auf Reisen, um über europäische Standards, Use 
Cases und Best Practises zu diskutieren.
(Sollte die ungewöhnlich schlechte Sonntagabendlaune ...)

Einen guten Wochenbeginn,
Manfred Thaller



Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.