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Re: [InetBib] TELEPOLIS: Onleihe nur für Microsoft-User



Sehr geehrter Herr Hasiewicz,

über den Satz, es sei
"bei digitalen Medien auch "Besitz" überhaupt nicht möglich"
bin ich sehr erstaunt.
Welchen Sinn hat dann noch die bisherige juristische Unterscheidung zwischen
Besitz und Eigentum?
Dass in der allgemeinen Diskussion, nicht ausreichend zwischen Information
und Wissen
unterschieden wird, daran habe ich mich bereits gewöhnt, obwohl das auch
weiterhin
fatale Folgen haben wird.
Wenn wir aber von einer publizierten Information nicht einmal mehr Besitz
ergreifen
können, dann frage ich mich wie man diese Information noch nutzen will.

Könnte es sein, dass Sie nur sagen wollten, man würde bei der Bezahlung und
Nutzung
von Publikationen noch nicht automatisch Eigentumsrechte erwerben?
Auch beim Kauf eines gedruckten Buches wurden wir bisher nur Nutzer der
Information,
auch wenn wir das Papier als Eigentümer verbrennen durften.
Was man als anständiger Bibliophiler nur tat, wenn es 1947 sehr sehr kalt
wurde.
Da zeigt sich das wahre Manko digitaler Medien ;-)

MfG

W. Umstätter


----- Original Message -----
From: "Christian Hasiewicz" <christian.hasiewicz@xxxxxxxxxxx>
To: "'Internet in Bibliotheken'" <inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx>
Sent: Friday, September 07, 2007 3:24 PM
Subject: AW: [InetBib] TELEPOLIS: Onleihe nur für Microsoft-User


Lieber Herr Delin,

vielen Dank für Ihre E-Mail und die Ergänzung einiger Punkte. Insbesondere
ist natürlich der Verweis auf den Beitrag von Herrn Dr.
Steinhauer an dieser Stelle sehr wertvoll, da er die besondere
Herausforderung klar macht, vor der die DiViBib stand: Das geltende
Urheberrecht sieht bei digitalen Medien eine Nutzung, wie wir sie im
öffentlichen Bibliothekswesen benötigen, einfach nicht vor. Und
formaljuristisch ist bei digitalen Medien auch "Besitz" überhaupt nicht
möglich, sondern es gibt immer "nur" eine Lizensierung. Überdies kennt das
geltende Urheberrecht bei digitalen Inhalten keine Erschöpfung des
Urheberrechtes, wie es sie bei analogen Medien gibt.

Diesen gegebenen Rahmenbedingungen musste die DiViBib GmbH Rechnung
getragen
und hat vertraglich ein Produkt entwickelt, welches die Bedürfnisse von
öffentlichen Bibliotheken erfüllt: die Möglichkeit, Medien faktisch zu
kaufen und diese ihren Nutzern zur Ausleihe anzubieten. Der von Ihnen
gebrauchte Begriff "elektronisches Werkstück" beschreibt ziemlich genau,
was
wir geschaffen haben, auch wenn es dieses bis jetzt
(leider) im Gesetzeskontext noch nicht gibt.

Ein Großteil der Inhalte in der Onleihe steht der jeweiligen Bibliothek
und
ihren Kunden grundsätzlich zeitlich unbegrenzt zur Verfügung - außer bei
Lizenzen, bei denen das ausdrücklich anders vermerkt ist.

Es ist allerdings nicht das Medium selbst, das die Bibliothek erwirbt,
sondern ein Nutzungsrecht an den Inhalten. Die Medien liegen, in Form
eines
digitalen Magazins, bei uns auf dem Server. Diese Konstruktion hat den
enormen Vorteil, dass wir die Inhalte problemlos in andere Medienformate
überführen und so dem technischen State of the art anpassen können. Dies
bedeutet einen enormen Investitionsschutz für die Inhalte und bewahrt die
öffentlichen Bibliotheken vor einem VHS/Beta-Dilemma, wie es sie bald
schon
wieder bei der HD-Disc und der Blue-Ray Disc erwarten könnte.

Mit freundlichem Gruß, ein schönes Wochenende


Christian Hasiewicz

Christian Hasiewicz
Bibliothekarischer Direktor
Fon: +49 (611) 36 00 49 18
Fax: +49 (611) 36 00 49 19
mailto:Christian.Hasiewicz@xxxxxxxxxxx

DiViBib GmbH
Luisenstraße 19
65185 Wiesbaden
Deutschland
Geschäftsführer: Holger Behrens
Handelsregister: Amtsgericht Wiesbaden, HRB 21973
http://www.DiViBib.com


-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
[mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von Delin, Peter
Gesendet: Mittwoch, 5. September 2007 19:19
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: Re: [InetBib] TELEPOLIS: Onleihe nur für Microsoft-User

Lieber Herr Daniel,

wir hatten eine Präsentation in der Bibliothek und uns dabei erkundigt,
ob es sich um ein Lizenzmodell oder einen Kauf handelt. Das ist für
Bibliotheken schließlich eine zentrale Frage. Herr Hasiewicz hat uns auf
die Frage, wie lange die Files der Medien der Bibliothek zur Verfügung
stünden, versichert, dass das jeweilige Medium von der Bibliothek
gekauft werde und ihr deshalb zeitlich unbegrenzt zur Verfügung stehe.
Dies sei auch vertraglich geregelt, falls die Firma Divibib einmal nicht
mehr bestehen sollte.

Ich war darüber als Laie in diesen Dingen verblüfft, hielt das aber für
positiv, da sich mit der Zeit ja ein beträchtlicher Textpool ansammelt,
den man im Volltext durchsuchen kann. Diese Medien verbrauchen sich ja
nicht wie physische Medien. Handelt es sich nach den Prinzipien der
Nutzung bei Divibib ("Onleihe")um so etwas wie ein "elektronisches
Werkstück"?. Der Kaufpreis entspricht ja auch in etwa dem des jeweiligen
physischen Mediums.

Allerdings stellen sich in diesem Zusammenhang doch einige Fragen: Was
ist, wenn das Datenformat nicht mehr unterstützt wird? Darf man seinen
Besitz dann migrieren etc...

dazu:
Erschöpfungsgrundsatz beim Online-Erwerb

http://bibliotheksrecht.blog.de/2007/07/31/erschopfungsgrundsatz_beim_online
_erwerb~2733132

Kann es sich bei dem Erwerb des Divibib-Angebots um einen Kauf handeln,
wenn es keine "Verkörperung" gibt? Offenbar nicht.

Viele Grüße
Peter Delin

Zentral- und Landesbibliothek Berlin
Videolektorat
http://www.zlb.de/wissensgebiete/kunst_buehne_medien/videos
http://buecherei.netbib.de/coma/Filmrecherche
http://dvdbiblog.wordpress.com/



Frank Daniel schrieb:
Lieber Herr Delin, lieber Herr Schleiwies,

vielen Dank für die ergänzenden Kommentare zum Telepolis-Artikel!
Ich kann auch nur noch einmal betonen, dass wir ohne besondere
Schutzmechanismen weder Inhalte von den Verlagen bekämen noch diese auf
elektronischem Wege verleihen könnten. Etwas zu verleihen bedeutet ja
schließlich, es zeitlich befristet zur Verfügung zu stellen (und nicht
dauerhaft), das Ausleihmanagement ist nur über ein DRM möglich. Es ist
jedoch nicht ganz richtig, dass die Bibliothek das jeweilige Medium
besitzt. Sie erwirbt lediglich Lizenzen für Inhalte, die die Firma
DiViBib den Kunden der Bibliothek zugänglich macht.

Mit freundlichen Grüßen
im Auftrag
Frank Daniel

StadtBibliothek Köln
Recherche und Elektronische Dienste
Josef-Haubrich-Hof 1
50676 Köln

E-Mail:  daniel@xxxxxxxxxxxxxx
WWW: http://www.stbib-koeln.de



----- Original Message ----- From: "Delin, Peter" <delin@xxxxxx>
To: "Internet in Bibliotheken" <inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx>
Sent: Monday, September 03, 2007 12:33 PM
Subject: Re: [InetBib] TELEPOLIS: Onleihe nur f?r Microsoft-User


Zur Divibib noch einige ergänzende Informationen:

- Die Bibliotheken schließen keinen Lizenzvertrag, sondern kaufen das
jeweilige digitale Medium. Die Bibliothek besitzt dieses Medium,
allerdings mit den von den Rechteinhabern geforderten
DRM-Beschränkungen. Es gibt kein Verfallsdatum für die Bibliothek (die
laufenden Kosten beziehen sich auf das Hosting von Divibib).

- Der gesamte Textbestand ist im Volltext recherchierbar.

- Ein Ausdruck ist möglich.

- Die "Onleih"-Dauer kann individuell festgelegt werden. So können bei
kurzen Fristen z.B. für den "Spiegel" höhere Nutzungszahlen erzielt
werden.

- Divibib liefert die Metadaten, die in den Webkatalog der Bibliothek
integriert werden können.

Viele Grüße
Peter Delin

http://www.zlb.de/wissensgebiete/kunst_buehne_medien/videos
http://buecherei.netbib.de/coma/Filmrecherche
http://buecherei.netbib.de/coma/Filmliteratur
http://dvdbiblog.wordpress.com/

u.herb@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx schrieb:
Dieser TELEPOLIS Artikel wurde Ihnen
von Ulrich Herb <u.herb@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx> gesandt.
zur Info
------------------------------------------------------------
Onleihe nur für Microsoft-User
Reiner Sladek 03.09.2007

Als könnte man die Tagesschau nur mit dem Fernseher empfangen, der
die Sendung sponsort

Die Stadtbüchereien von Hamburg, Würzburg, Köln und München haben
sich mit dem privaten Dienstleister  DiViBib (1) zusammengeschlossen
um Medien per Download zu verleihen. Diese  "Onleihe" (2) ist das
erste Projekt seiner Art in ganz Europa. Sie verwenden für die
Ausleihe von Mediendaten das Windows Media Format, mit zusätzlichem
Digital Rights Management (DRM) und einem digitalen Wasserzeichen, in
das die Benutzernummer eingearbeitet ist.

Dieses DRM-WMF ist proprietär und derzeit weder auf Apple noch auf
GNU/Linux portiert. Die Projektbetreiber argumentieren, dass das
System ja "nur" die Apple- und GNU/Linux-User nicht bedienen würde,
also maximal ein paar Prozent der Benutzer dies nicht nutzen können.
Aber das ist Unsinn. Gerade von der jugendlichen Zielgruppe, die die
Büchereien mit dem Angebot besonders ansprechen wollen, geht es
weniger um Rechner, als um MP3-Player. Und da sieht das schon ganz
anders aus: im Januar hatte der iPod 28 Prozent Marktanteil. Das
heißt ungefähr ein Drittel der Bevölkerung kann diese Dateien nicht
benutzen - praktisch für Microsoft, die Ende des Jahres den
Musikplayer Zune in Deutschland auf den Markt bringen. Das ist der
Karren, vor den sich diese vier Stadtbüchereien gerade dankbar haben
spannen lassen. Die dazugehörige Karotte war, dass Microsoft sein DRM
kostenlos zur Verfügung gestellt hat. Wie aber verträgt sich das mit
der Hauptaufgabe der Büchereien, der Grundversorgung aller Schichten
der Bevölkerung mit Literatur und anderen Medien? Die digitale
imitiert die Einschränkungen der analogen Ausleihe Seit dem 25.07.
2007 können auch Benutzer der Münchner Stadtbücherei "onleihen". Bis
jetzt ist das Programm aus verschiedenen Gründen eher schmal. Im
e-book Bereich finden sich auch Magazine - als Flaggschiff der
"Spiegel". Bis Mitte August verzeichnete die Bücherei, die mit 11
Millionen Ausleihen jährlich eine Spitzenposition unter den deutschen
öffentlichen Bibliotheken einnimmt, respektable 80.000 Downloads. Die
digitalen Medien haben also die öffentlichen Büchereien erreicht.
Aber damit auch alle Probleme, die diese Formate mit sich bringen:
Jenseits aller Probleme mit dem Kopierschutz, wie man ihn von den
kommerziellen Verkaufsportalen her ja bis zum Abwinken kennt, haben
die Bibliotheken zusätzliche Probleme. Zwei sind besonders
erwähnenswert: Erstens: Die digitale Ausleihe muss so tun, als handle
es sich bei dem Download um eine tatsächliche CD, DVD, ein Buch oder
eine Zeitschrift: Konkret heißt das, wenn die Bücherei fünf
Abonements des "Spiegel" gekauft hat, dann können maximal fünf
Exemplare gleichzeitig ausgeliehen werden. Das ist zuhause nich
anders als in den Lesesälen. Dort ist die elektronische Wiedergabe
von Literatur an Lesegeräten (sprich Computern) auf genau die Anzahl
von Exemplaren beschränkt, in der das betreffende Werk in Papierform
vorhanden ist. Wenn es nur ein Exemplar von einem Buch gibt, darf es
auch nur auf einem Bildschirm betrachtet werden (Vgl.  Der
Gerechtigkeit einen Korb geben (3)). Zweitens:Die Verlagslobby setzte
durch, dass auch elektronische Ausleihen ein digitales Verfallsdatum
bekommen.  Das heißt eine "ausgeliehene" PDF-Datei kann man nur einen
Tag lang öffnen, Musikdateien bleiben eine Woche lang spielbar.  Die
digitale Form sorgt dafür, dass Inhalte schneller dahin kommen, wo
sie gebraucht werden - zu Leuten, die eben nicht einfach mal schnell
in die Bücherei gehen können, zum Beispiel in Krankenhäusern,
Altenheimen, aber auch in Kinderzimmern. Auf diesem Weg so zu tun,
als wäre eine PDF-Datei ein reales Buch, ist albern. Die "Onleihe"
ähnelt dadurch im Augenblick einer Puppenstubenbibliothek. Was gibts
umsonst? Die digitale Ausleihfrist wurde mit dem bereits eingangs
erwähnten DRM-System umgesetzt. Solche Systeme gibt es unter anderem
von Microsoft und von Apple. Im Open-Source-Bereich ist dagegen
umstritten, inwieweit Rechteeinschränkungen für die Benutzer
funktionieren sollen und können (4).  Microsoft hat sein System
kostenlos zur Verfügung gestellt, Apple hätte dagegen 50.000 Euro
verlangt, erzählt Ernst Zimmermann, der Fachreferent der Münchner
Onleihe. Deshalb werden alle graphischen Daten als Adobe PDF und alle
Mediendaten als Window Media Files (WMF) ausgeliefert.

Während sich aber die DRM-PDFs wenigstens auf MacOS öffnen lassen,
funktioniert das Microsoft-System weder auf GNU/Linux noch auf Apple
- und damit auch nicht auf iPods. Diese Tatsache ist unter anderem
deshalb von besonderem Interesse, weil die EU-Kommission vor allem
wegen der Monopolisierungstendenzen im Medienbereich gegen Microsoft
Rekordstrafen verhängte. Hinzu kommt, dass ausgerechnet die Stadt
München 2003 beschloss (5), den Anbieter aus Redmond den Rücken zu
kehren und die ganze Stadtverwaltung auf GNU/Linux bzw. "LiMux"
umzustellen - obwohl Microsoft-CEO Balmer extra seinen Skiurlaub
unterbrochen hatte, um ein persönliches Gespräch mit
Oberbürgermeister Ude zu führen. Ernst Zimmermann erklärt dazu: --"Es
war  nicht leicht mit unserem Projekt durch den Stadtrat zu kommen,
der natürlich auch diesen Widerspruch gesehen hat. Nur ist das
Projekt kein rein münchnerisches, sondern eines der Bibliotheken
Hamburg, Köln, Würzburg und München mit einem privatwirtschaftlichen
Dienstleister. Unsere Alternativen waren lediglich, entweder das
Projekt in dieser Form anzugehen, also mit Microsoft/Adobe zu
starten, oder gar nicht. Hätte der Stadtrat nicht zugestimmt, wäre
München aus dem Pilotprojekt zwangsweise ausgestiegen (worden) und
die Virtuelle Münchner Stadtbibliothek hätte auf absehbare Zeit
überhaupt nicht an den Start gehen können, da in den anderen Städten
die Open-Source-Problematik überhaupt keine Rolle gespielt hat und
eine technische Realisierung in Eigenarbeit an den Münchner
Ressourcen gescheitert wäre. Wir versuchen unter dem Druck Münchens
als Projektteilnehmer später Verbesserungen in Richtung andere
Plattformen zu erreichen."--
Realistisch ist das in absehbarer Zukunft nicht, auch wenn Zimmermann
erzählt, dass man im Apple Hauptquartier in Cupertino das Projekt
recht genau beobachtet. Dass das Thema die anderen Städte scheinbar
gar nicht erst interessiert, mag in der Betriebsblindheit von
Verwaltungskräften liegen; bei so viel Bevorzugung eines Konzern
durch eine öffentliche Einrichtung sollten aber bei den
verantwortlichen Politikern die Alarmsirenen zu läuten anfangen.

LINKS

(1) http://www.divibib.com/
(2) http://www.heise.de/newsticker/meldung/90373
(3) http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25724/1.html
(4) http://www.heise.de/newsticker/meldung/76110
(5) http://www.heise.de/newsticker/meldung/37197

Telepolis Artikel-URL:
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26064/1.html

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