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Re: [InetBib] Wikipedia IST höchst problematisch - Fallbeispiele



Sehr geehrter Herr Lewandowski,

ich freue mich, dass Sie den Bericht so genau studiert haben und versuchen, 
problematische Stellen zu finden. Sie sprechen sicher von dieser Passage des 
Berichts (bitte werfen Sie mir jetzt nicht Copy-Paste ins Mail vor, danke ;-):

"Some months ago the 'Wikimedia Foundation' has signed an agreement with 
'Yahoo's' rival 'Google' that guarantees that - as well as with 'Yahoo' - a 
matching Wikipedia article is ranked all above on the
list of search results." [Lorenz 2006, 86 f.; translation by the authors of 
this report]
The same scientist also speculated: "How does Wikipedia finance that? Or does 
Google donate that service?" [Lorenz 2006, 87, footnote 14; translation by the 
authors of this report] In a personal eMail
correspondence, the author informed us that the speaker of Wikipedia Germany 
strictly denied the existence of such an agreement."

Ich habe in diesen Passagen eine wissenschaftliche Veröffentlichung einer 
promovierten Kulturwissenschaftlerin zweimal direkt zitiert (und nicht etwa 
einen kollaborativ entstandenen Online-Text).

Ich kann hier beim besten Willen keine Arbeitstechnik erkennen, die mit den 
geschilderten Sachverhalten (auf die Sie nicht eingehen, warum eigentlich?) 
vergleichbar wäre. Ich habe, wie ich ja gerade im Text erwähne, Frau Lorenz in 
Bezug auf diese Behauptung per Mail kontaktiert, eben WEIL sie von Frau Lorenz 
im Text nicht belegt wird. Es existiert eine längere Korrespondenz zwischen ihr 
und mir zum Thema, in der sie mir mehrere glaubhafte Evidenzen für ihre 
Behauptung übermittelte. Zusätzlich habe ich den Sprecher von Google 
Deutschland bezüglich dieser Behauptung zweimal kontaktiert. Er hat nicht 
reagiert.

Hätte ich die Behauptung ohne Anführungszeichen und Verweis auf Frau Lorenz 
übernommen, hätte ich den von Ihnen mir unterstellten Kategorienfehler 
begangen. Aber wir können gerne darüber diskutieren. Dass ich einen Aufsatz mit 
Google finde*, sollten Sie mir bitte nicht vorwerfen. Dass damit unsere 
Recherchemöglichkeiten dramatisch beschleunigt wurden, stelle ich nicht in 
Abrede. Allerdings eben zum hohen Preis einer oberflächlichen Recherche und 
eines kursorischen Leseverhaltens.

Im Übrigen geht es hier um den Kern von Wissenschaftlichkeit, wie Sie ja ohne 
Zweifel selbst wissen. Ich wurde gerade in dieser Passage sogar 
journalistischen Standards gerecht, indem ich auch das Dementi von Herrn 
Schindler erwähnte.

Übrigens: Werden Sie auch Frau Lorenz mit Ihren Vorwürfen konfrontieren, oder 
ist nur der der böse schwarze Mann, der Frau Lorenz korrekt zitiert?

* Ein bisschen erscheint mir Ihr Argument unterkomplex. Sie sagen sinngemäß, 
wer Google verwendet (um wissenschaftliche Veröffentlichungen etwa als PDF 
rasch zu finden) und Copy/Paste macht (als Arbeitstechnik für ein direktes 
Zitat, ein ENTSCHEIDENDER Unterschied!), der dürfe nicht das 
Google-Copy-Paste-Syndrom kritisieren. Sie übersehen damit eine grundlegende 
Differenz. Sie schauen nicht genau genug hin. Ich sage immer, würden 
Herzchirurgen so arbeiten wie Kulturwissenschaftler, dann wäre die 
Lebenserwartung um einiges geringer.

LG
sw



----- Original Message ----- 
From: "Dirk Lewandowski" <dirk.lewandowski@xxxxxxxxxxxxxxxxxx>
To: "Internet in Bibliotheken" <inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx>
Sent: Saturday, December 08, 2007 10:35 PM
Subject: Re: [InetBib] Wikipedia IST höchst problematisch - Fallbeispiele


Lieber Herr Weber,


Ich spreche vielmehr vom Entstehen eines Wissenskosmos zweiter bis  
n-ter Ordnung (kategorial anders und zumindest wesentlich rascher  
als in der Printkultur!), in dem sich immer mehr Unschärfen  
einstellen. Ein Beispiel: Wikipedia-Autor N. N. fasst einen Test  
eines Computermagazins zusammen (vielleicht hat er selbst schon  
nicht das Original gelesen, sondern einen Blog-Eintrag kopiert...).  
Fortan wird als Quelle für die Untersuchung nur noch die Wikipedia  
indirekt zitiert. In der vierten Seminararbeit zum Thema findet  
sich eine abweichende Realität im Vergleich zum Computermagazin.

Nun, da wundere ich mich aber schon, daß Sie selbst in eine ganz  
ähnliche Falle getappt sind, wie ich vorhin schon an anderer Stelle  
(http://blog.suma-ev.de/node/44/15#comment-15 ) über die von Ihnen  
mitverfaßte Studie über die Gefahren durch Suchmaschinen/Google  
(http://www.iicm.tugraz.at/iicm_papers/dangers_google.pdf )  
geschrieben habe:

"Es wird behauptet, es würde eine Vereinbarung zwischen Google und  
Wikipedia bestehen. Als Beleg wird ein Aufsatz zitiert. Schaut man in  
diesem nach, findet sich tatsächlich die gleiche Behauptung,  
allerdings unbelegt. Vor diesem Hintergrund ist es wohl dann auch  
nicht ganz so erstaunlich, daß die Wikipedia-Vertreter eine solche  
Verbindung "leugnen". Vielleicht gibt es ja gar keinen Anhaltspunkt  
dafür, daß es eine solche gibt... (Und übrigens ist das auch eine  
Unterform des Google-Copy-Pase-Syndroms: Etwas behaupten und es dann  
mit einem im Internet (mittels Google?) gefundenen Texts belegen, der  
auch nur irgendetwas behauptet.)"

Viele Grüße
Dirk Lewandowski



Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.