[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Re: [InetBib] Enquetekommission empfiehlt in ihremSchlussberichtBibliotheksgesetze



Lieber Herr Steinhauer!

Ich hatte Ihre Bemerkung dahingehend verstanden, daß Sie sich auf die
Überschrift zu Abschnitt 3.1.2.3 Öffentliche Bibliotheken (Bundestag Drucksache
16/7000) S. 129 beziehen. Schon auf dieser Seite ist jedoch auch von Staats-,
Universitäts-, Hochschul- usw. Bibliotheken die Rede.

Mein eleganter Schlenker zum Urheberrecht hat inhaltlich nichts mit dem Bericht
der Enquete-Kommission zu tun. Ich wollte nur auf die sprachliche Unschärfe
hinweisen.

Jedoch: Mir fällt auf, daß Sie meine Frage noch nicht beantwortet haben. Deshalb
nochmal:
 
"Im neuen § 52b UrhG steht "öffentlich zugänglicher Bibliotheken". Im neuen §
53a
UrhG lesen wir dagegen mit Erstaunen die Worte "öffentliche Bibliotheken". Sind
somit wissenschaftliche Bibliotheken zukünftig vom Kopienversand "für Zwecke der
wissenschaftlichen Forschung" ausgeschlossen?" 

Sie sollten sich Ihre Antwort sorgfältig überlegen! Wir führen eine öffentliche
Diskussion; die halbe Welt kann mitlesen. Wenn Sie meine Frage mit JA
beantworten, gerät der Kopienversand in Deutschland in Schwierigkeiten (um es
vorsichtig auszudrücken).

8-); (= hinterhältig verschmitzt lächelnd)

--
Dr. Harald Müller
 
Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht /
Bibliothek
Max Planck Institute for Comparative Public Law
and International Law / Library
Im Neuenheimer Feld 535; D-69120 Heidelberg
Phone: +49 6221 482 219; Fax: +49 6221 482 593
Mail: hmueller@xxxxxxx

-----Original Message-----
From: inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
[mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] On Behalf Of Eric Steinhauer
Sent: Thursday, December 13, 2007 11:41 AM
To: Internet in Bibliotheken
Subject: Re: [InetBib] Enquetekommission empfiehlt in
ihremSchlussberichtBibliotheksgesetze

Lieber Herr Müller,

der Streit um Worte ist in der Tat die Lieblingsbeschäftigung von uns Juristen. 
So gesehen, darf man dem Gesetzgeber dankbar sein, wenn er sich nicht präzise
ausdrückt. :))

Waren Ihre Ausführungen zu meiner Ansicht zu § 52b UrhG ein wörtliches Zitat? 
Über methodische Fragen der Auslegung im Bereich der urheberrechtlichen
Schranken 
können wir uns an anderer Stelle ja noch einmal unterhalten. 
:)
Aber Sie haben recht: Ich halte § 52b UrhG durch Auslegung und vor allem 
Analogie(!) für nicht reparierbar. Aber das ist heute ja nicht Thema. 

Sie sprechen eine terminologische Unschärfe im deutschen Urheberrecht an, wonach
"öffentliche Bibliotheken" im wesentlichen die öffentlich zugänglichen
Bibliotheken sind. Unter diesen Begriff der öffentlichen Bibliotheken fallen, da
ist sich die Kommentarliteratur nach meiner Kenntnis wohl einig, natürlich auch
die wissenschaftlichen Bibliotheken an den Hochschulen, mitunter sogar
Behördenbibliotheken. Öffentlich ist in Abgrenzung zu privat zu verstehen.

Ich bezweifle aber, dass die EK Kultur sich hier vom Urheberrecht hat
inspirieren lassen.

Zwar werden in der Einleitung des Berichts auch die wissenschaftlichen
Bibliotheken, ja die gesamte deutsche Bibliothekslandschaft erwähnt, wenn es
aber um die Frage nach einem Bibliotheksgesetz geht, verengt sich der Blick der
Kommission doch sehr eindeutig:

"Eine ... rechtliche Normierung gibt es für kommunale Bibliotheken nicht.
Kommunale Bibliotheken sind Kultureinrichtungen und zählen zu den freiwilligen
Aufgaben der Kommunen - sie sind nicht ausdrücklich als kommunale Pflichtaufgabe
normiert."
S. 129 f.

Und hier kommt dann die Empfehlung:

"Die Enquete-Kommission empfiehlt den Ländern, Aufgaben und Finanzierung der
öffentlichen Bibliotheken
in Bibliotheksgesetzen zu regeln. Öffentliche Bibliotheken sollen keine
freiwillige Aufgabe sein, sondern eine Pflichtaufgabe werden."
S. 132

Dieser Satz kann sich, betrachtet man die einleitende Passage auf S. 129 f. nur
auf die öffentlichen Bibliotheken in kommunaler Trägerschaft beziehen,
antiquiert ausgedrückt, die (Volks)Büchereien. 
Wie sollte auch eine Hochschulbibliothek eine Pflichtaufgabe sein? Dieser
Begriff entstammt dem Kommunalrecht!

Ich bleibe dabei, dass die konkrete gesetzgeberische Handlungsempfehlung einen
wichtigen Teil des deutschen Bibliothekswesens, nämlich die wissenschaftlichen
Bibliotheken, ausspart. 
Das ist schade und nicht auf der Höhe der Zeit! 

Wenn ich hier nicht genau gelesen habe, dann zeigen Sie doch eine Stelle, 
aus der etwas anderes hervorgeht. Ich wäre dafür wirklich dankbar. 

Aber vielleicht meinen Sie ja dies: Da die EK in ihren Ausführungen immer wieder
Projekte und Dienstleistungen auch der wisseschaftlichen Bibliotheken anspricht,
könnte man diese Sätze mehr betonen:

"Wichtiger Bestandteil einer Reform des Bibliothekwesens in Deutschland muss
eine rechtliche Aufwertung von Bibliotheken sein. Mehr Verbindlichkeit und
Unterstützung könnten Bibliotheken durch eine rechtliche Festschreibung in Form
von Bibliotheksgesetzen erfahren."
S. 131

Hier kann man durchaus auch die wissenschaftlichen Bibliotheken hineinlesen, 
die gehören ja auch zum "Bibliothekswesen in Deutschland". 

Allerdings fürchte ich, dass der Begriff "Bibliotheksgesetz" im zweiten Satz
wieder in der üblichen engen Sicht verstanden wird, die sich in der
Handlungsempfehlung niedergeschlagen hat. 

Diese Sicht geistert seit mehr als 50 Jahren durch das deutsche Kulturrecht. 
Danach gehören die wissenschaftlichen Bibliotheken ins Hochschulgesetz, die
"Volksbüchereien" sollen ein Bibliotheksgesetz bekommen. Vgl. schon  Süsterhenn/
Schäfer, "Kommentar der Verfassung für Rheinland-Pfalz" (!950), S. 176.

Dennoch sagt die EK Kultur: "Wichtiger Bestandteil einer Reform des
Bibliothekwesens in Deutschland muss eine rechtliche Aufwertung von Bibliotheken
sein."

Das ist für mich der wichtigste Satz in dem ganzen Abschlussbericht, wenn es um
die Projektierung von Bibliotheksgesetzen geht. Hier kommt das ganze
Bibliothekswesen in den Blick, also auch die wissenschaftlichen Bibliotheken.
Nur, leider, ist das nicht Gegenstand der abschließenden Handlungsempfehlung.
Der Jurist freilich hat gelernt, auch aus "obiter dicta" Honig zu saugen. 

In diesem Sinne herzliche Grüße
Eric Steinhauer





Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.