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Re: [InetBib] Offene Fragen zum neuen Urheberrecht



On Sat, 05 Jan 2008 11:21:32 +0100
 "Jörn Heckmann" <joern.heckmann@xxxxxx> wrote:
Sehr geehrte Damen und Herren,
aufgrund einiger Rückfragen eine kleine Ergänzung zu
meinen Folien zur 1. Konstanzer OA-Tagung:

* Eine Rechteübertragung OHNE Ausübung des Widerrufrechts
ist nach meiner Auffassung nur bis zum 1.01.2008 zulässig
gewesen. Hierfür spricht insbesondere  (wie Herr Dr.
Steinhauer in Konstanz richtig angemerkt hat) der
Wortlaut der Regelung.

Der Wortlaut der Regelung kann auch fuer meine Ansicht in
Anspruch genommen werden. 

Dazu meine Ausfuehrungen in der open-access.net
Mailingliste:

Es braeuchte eigentlich hier nicht wiederholt zu werden,
was in den
Kommentaren zu
http://archiv.twoday.net/stories/4572178/
schluessig dargelegt ist. Entscheidend ist nicht, wie ein
Laie das
Gesetz versteht, sondern was mit dem Gesetz nach Ausweis
der amtlichen
Begruendung(en) beabsichtigt wurde.

Zitat:

" Letzte Unklarheiten beseitigt ein Blick in die
"Begründung der
Beschlussempfehlung" (Beschlussempfehlung und Bericht des
Rechtsausschusses (6. Ausschuss) des Bundestages, BT-Drs
16/5939,
Synopse S. 5 und 12, Begründung S. 44 und 46). Es heißt
dort

Auch für die Übergangsregelung des § 137l soll die Anregung
des
Bundesrates zu § 31a Abs. 1 Satz 3 und 4 aufgegriffen (...)
und auch
für Altverträge die Rechte des Urhebers bei der Nutzung von
Werken in
heute noch unbekannten Nutzungsarten gestärkt werden.
Dementsprechend
bestimmt der neu eingefügte Satz 3, dass der Verwerter
verpflichtet
ist, den Urheber unter der letzten ihm bekannten Anschrift
zu
informieren, bevor er beginnt, das Werk in einer Art zu
nutzen, die
zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes noch
unbekannt war. Das
Widerspruchsrecht des Urhebers erlischt, parallel zur
Regelung des
§31a, drei Monate nach Übersendung der Information über die
beabsichtigte Aufnahme der Nutzung in der neuen
Nutzungsart. Für die
Nutzung von Werken in Nutzungsarten, die beim
Vertragsschluss noch
unbekannt waren, inzwischen aber als neue Nutzungsarten
bekannt
geworden sind, bleibt es bei der Regelung des
Gesetzentwurfes der
Bundesregierung.

Steinhauers Ansicht (Fristen bei § 137 l UrhG, 10.12.2007),
der Verlag
könne die einjährige Widerspruchsfrist bei Altverträgen
durch ein
Informationsschreiben über die beabsichtige Digitalisierung
auf 3
Monate verkürzen, ist daher abwegig."

Fuer jede Abweichung vom Text eines Regierungsentwurfs im
Zuge der
parlamentarischen Behandlung gibt es eine amtliche
Begruendung, die
vom federfuehrenden parlamentarischen Gremium verantwortet
wird. Wie
man die obige amtliche Begruendung missverstehen kann, ist
mir nicht
klar.

Sie sagt unzweideutig, dass die Benachrichtung durch den
Verlag mit
der Dreimonatsfrist nur stattfindet, wenn die Nutzungsart
am 1.8.2008
unbekannt war. Online-Nutzung ist aber seit ca. 1995
allgemein
bekannt.

Will ein Verlag die Online-Nutzung aufnehmen, so muss er
sich nach
meiner Rechtsauffassung 2008 mit dem Autor ins Benehmen
setzen, da die
Uebertragungsfiktion nach dem Wortlaut des Gesetzes sich
auf ein
ausschliessliches Nutzungsrecht bezieht (wogegen
verfassungsrechtliche
Einwaende vorgebracht wurden).

Am 1.1.2008 ist entweder der Verlag oder der Autor Inhaber
des
ausschliesslichen Nutzungsrechtes. Waere es der Verlag,
duerfte dieser
den Autor von der Nutzung ausschliessen. Der Autor haette
wiederum die
Moeglichkeit, dem Verlag die Nutzungsrechte wieder
wegzunehmen, indem
er im Jahr 2008 widerspricht.

Liegt ein Widerspruch vor, hat der Verlag aber bereits
genutzt bzw.
das Buch einem Dritter unterlizensiert, wozu er nur mit
einem
ausschliesslichen Nutzungsrecht befugt ist, so muesste er
die eigene
Nutzung einstellen, waehrend sein Lizenznehmer weiternutzen
duerfte.

Diese Konsequenz waere mit der angestrebten
Rechtssicherheit nicht
vereinbar. Daher ist die Praemisse zu verwerfen und die
andere
Alternative als gueltig anzusehen: Der Autor bleibt vom 1.
Januar 2008
bis 31. Dezember 2008 Inhaber der ausschliesslichen
Nutzungsrechte und
ist insoweit frei, einem Dritten (Schriftenserver) einfache
oder
ausschliessliche Nutzungsrechte zu uebertragen.

Was geschieht mit diesen Rechten Dritter, wenn der Urheber
bis 31.
Dezember nicht widersprochen hat?

Dazu muss man die amtliche Begruendung des
Regierungsentwurfs lesen:

"Sofern ein Dritter die Rechte für die neue Nutzungsart
etwa nach
Bekanntwerden der Nutzungsart erworben hat, bleiben diese
Rechte nach
Absatz 1 Satz 2 unberührt. Hiermit wird klargestellt, dass
die Fiktion
nicht in bestehende Verträge eingreift, durch die Rechte an
vor dem
Inkrafttreten des Gesetzes bekannten Nutzungsarten wirksam
übertragen
wurden. Erfolgte die Rechtseinräumung nur beschränkt (z. B.
durch
Erteilung einer nicht ausschließlichen Berechtigung), so
greift die
Fiktion in dem verbleibenden Umfang. Hat etwa ein Komponist
einem
Dritten das nicht ausschließliche Recht zur
On-Demand-Auswertung eines
Musikstücks eingeräumt, so gilt die Fiktion dennoch auch
für das Recht
der On-Demand-Auswertung. Der Dritte ist jedoch weiter
berechtigt, von
seinem nicht ausschließlichen Nutzungsrecht Gebrauch zu
machen."

Die Fiktion greift nicht in bestehende Vertraege ein. Die
Fiktion des
ausschliesslichen Nutzungsrechts fuer den Verlag greift,
wie soeben
gezeigt, aus Gruenden der Rechtssicherheit erst, wenn fest
steht, dass
der Urheber nicht widersprochen hat. Innerhalb der
Widerspruchsfrist
greift sie nicht, da dies einen unertraeglichen
Kuddelmuddel bedeuten
wuerde. Daraus folgt zwingend, dass bis zum 31. Dezember
2008 einem
Dritten eingeraeumte Nutzungsrechte auch nach diesem Datum
wahrgenommen werden koennen. Der Verlag kann, wenn der
Autor nicht
widersprochen hat, nur im "verbleibenden Umfang" von dem
ausschliesslichen Nutzungsrecht Gebrauch machen. Schliesst
das
Repositorium oder entfernt es die Arbeit des Autors etwa im
Jahr 2009,
kann dieser keine weitere Ubertragung an ein anderes
Repositorium
veranlassen, es sei denn, er hat von seinem
Widerspruchsrecht Gebrauch
gemacht.

Jede andere Interpretation setzt sich ueber den klaren
Wortlaut der
amtlichen Gesetzesmaterialien hinweg.

Klaus Graf



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