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Re: [InetBib] [urhg-sg] Offene Fragen zum neuen Urheberrecht - Widerspruchsfristen



Lieber Herr Graf

wir haben vom Urheberrechtsbuendnis den Eindruck, dass Sie mit ihrer unten stehenden und jetzt wieder erneuerten und uns nicht richtig erscheinenden Argumentation, sicherlich entgegen Ihrer Absicht, den kommerziellen Verwertungsinteressen quasi zuarbeiten. Sie haben prinzipiell natuerlich recht, dass das Widerspruchsrecht fuer eine Nutzung, fuer die die Nutzungsart zum 1.1.2008 bekannt war (also z.B. eine Digitalisierung eines bislang analogen Textes)und fuer die bislang keine explizite Rechtuebertragung an Dritte, als Verlage, erfolgt ist, erst mit 31.12.2008 endet. Aber der Satz 3 von § 137l gilt auch. Satz 4 interpretieren Sie wohl falsch.

D.h. wenn zum 1.1.2008 die Verlage eine Absichtserklaerung an ihre Autoren bezueglich einer geplanten neuen, technisch bekannten Nutzung abgeschickt haben, für die sie bislang noch keine ausdrueckliche Vereinbarung getroffen haben, und dieser nicht widersprochen wird, dann ist mit Ende Maerz die Widerspruchsfrist abgelaufen.

Das Aktionsbuendnis hat also keine falsche Aussagen gemacht, wie Sie meinen,sondern im Interesse der wissenschaftlichen Autoren (und damit auch der oeffentlichen Repositories) vorsichtshalber den Termin 31.3.2008 gewaehlt. Aber natürlich bleiben weitere Fristen im Jahr, sobald eine Absichtserklärung des jeweiligen Verlags herausgegangen ist.

Da das Gesetz in §137l den Verlagen keine rigiden Auflagen für die Absichtserklaerung gibt (Mitteilung "unter der ihm [dem Verlag -RK] zuletzt bekannten Anschrift"), kann man davon ausgehen, dass vor allem bei nicht mehr ganz jungen Veroeffentlichungen viele Autoren von der Mitteilung der Verlage keine Kenntnis bekommen. Das gibt ihnen aber kein Widerspruchsrecht bis Ende 2008 und dann koenen auch die Repositories sich nicht mehr erfolgreich um einfache Nutzungsrechte bemühen.

Sie haben ja oft recht mit Ihren Analysen, aber diesmal sollten Sie nicht bei der Frist Ende 2008 bleiben, denn es kann dann für viele ein böses Erwachen geben, wenn es auf einmal, vielleicht nicht unbedingt Ende März (das wäre der Extremfall), aber dann irgendwann drei Monate nach der nicht angekommenen Mitteilung zu spät ist.

Das Urheberrechtsbündnis verfolgt natürlich keineswegs eine Blockadepolitik gegenüber den Verlagen. Die meisten Wissenschaftler werden nichts dagegen haben, wenn ihre alten Werke nun auch in neuer medialer technischer Form verfügbar sind (mit einfachen Nutzungsrechten für die Verlage) . Aber das Aktionsbündnis unterstützt alle Maßnahmen, die die informationelle Autonomie der Autoren unterstützen. Und im Interesse der Öffentlichkeit sollten grundsätzlich keine exklusiven Nutzungsrechte mehr an Verlage/Content Provider/"Googles" abgegeben werden. Das sollte ein Muss für neue Verträge werden.

I

Das Aktionsbündnis gesteht Ihnen natürlich weiter eine andere Einschaetzung zu, wir vertreten jedoch mit Bezug auf den Gesetzestext in der vom Bundestag beschlossenen Form die von uns verbreitete Interpretation, zumal alle anderen Einschaetzungen aus unserer Sicht rechtlich wenig fundiert sind und die Rechtsposition des Urhebers gefaehrden. Das zu vermeiden - darin sind wir uns sicher einig. Wir wären Ihnen daher dankbar, wenn Sie hren Beitrag unter http://archiv.twoday.net/stories/4572178/, auf den Sie verweisen, rasch ueberarbeiten oder zurueckziehen würden.

Die ganze Diskussion zeigt aber erneut, dass es dem Gesetzgeber leider bei verschiedenen Normen nicht gelungen ist (vgl. nur § 53), eindeutig nachvollziehbare Formulierungen zu finden - wenn selbst nicht gerade Laien zu solch unterschiedlichen Interpretationen kommen.


Mit freundlichen Grüßen
RK


Klaus Graf schrieb:
 Ein gutes Neues Jahr zuvor, liebe Liste!

 Es waere schoen, wenn konkrete Zahlen hinsichtlich der
 Nutzungsrechtsuebertragungen bis 31.12.2007 genannt werden
 koennten.

 Inzwischen gehe ich davon aus, dass Rechteeinraeumungen an
 Schriftenserver bis 31.12.2008 erfolgen koennen, die
 Verlage daran hindern, ausschliessliche Nutzungsrechte
 geltend zu machen.

 http://archiv.twoday.net/stories/4572178/ (mit Kommentaren)

 Dies scheint auch die Position des Boersenvereins zu sein
 und auch die von Heckmann in

http://www.ub.uni-konstanz.de/fileadmin/Dateien/OpenAccess/Heckmann_oa_tage_konstanz07.pdf

 "Zur Sicherung der Verwertungsmöglichkeiten sollten sich
 insbesondere Repositorien um eine Nutzungsrechtseinräumung
 bis zum 1.1.2009 bemühen."

 Dass die vom Urheberrechtsbuendnis und Steinhauer
 vertretene Auslegung der im Gesetz genannten
 Dreimonatsfrist falsch ist (diese bezieht sich nur auf
 heute noch unbekannte Nutzungsarten), zeigt schluessig BCK
 in seinem Kommentar zu:

 http://archiv.twoday.net/stories/4572178/

 Da der Boersenverein davon ausgeht, dass die meisten bisher
 eingegangenen Widersprueche nicht wirksam sind, sollte
 seitens von DBV und Urheberrechtsbuendnis dringend versucht
 werden, zu einer gemeinsamen Verstaendigung zu gelangen.
 Vermutlich bezieht sich der Boersenverein auf den bei
 Sammelbaenden und Zeitschriftenjahrgaengen nicht wider Treu
 und Glauben auszuuebenden Widerspruch.

 Der von Heckmann in der neuen ZfBB verbreitete neue
 Musterbrief enthaelt auch keine Klausel fuer
 Sammelpublikationen. Sollte also § 38 UrhG nicht gelten und
 eine Vereinbarung zwischen Verlag und Autor getroffen
 worden sein, die die Voraussetzungen von § 137 L UrhG
 erfuellt, so stellt sich die Frage, ob der Widerruf als
 Ganzes unwirksam ist, sofern mindestens eine Publikation
 gegenueber dem angeschriebenen Verlag nicht wider Treu und
 Glauben haette widerrufen werden duerfen. Davon scheint der
 Boersenverein auszugehen.

 Fuer die von Heckmann ins Spiel gebrachte Ergaenzung des
 Musterbriefs mit Einraeumung eines einfachen Nutzungsrechts
 gelten die Bedenken abgeschwaecht. Kann ein Verlag eine
 Nutzung des Sammelwerks vornehmen, stellt sich die Frage,
 ob eine Weiterlizensierung (z.B. fuer DigiZeitschriften,
 Google Book Search, Libreka usw.) moeglich sein muss. Hier
 erscheint der Entwurf fuer die Uebertragung eines
 quasi-ausschliesslichen Nutzungsrechts, der dem Autor die
 Moeglichkeit beliebig vieler
 Open-Access-Veroeffentlichungen belaesst, sinnvoll.

 Viel Streit koennte vermieden werden, wenn Verlage
 (vertreten durch den Boersenverein) und Verbaende
 wissenschaftlicher Urheber bzw. Bibliotheken als Betreiber
 von OA-Repositorien zu einer vernuenftigen Einigung kaemen,
 die Verlagsnutzungen UND OA parallel ermoeglicht.

 Klaus Graf






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Prof. Dr. Rainer Kuhlen
Department of Computer and Information Science
University of Konstanz, Germany
Speaker of the Coalition "Copyright for Education and Science"
http://www.urheberrechtsbuendnis.de/
URL: www.kuhlen.name
Email: rainer.kuhlen@xxxxxxxxxxxxxxx
Phone/Konstanz: 0049 7531 882879
Phone Berlin: 0049 30 27594241; Cell: 0171 4527010



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