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Re: [InetBib] Kopienversand nach § 53a UrhG



On Thu, 07 Feb 2008 15:19:27 +0100
 Bernd-Christoph
Kämper  <bernd-christoph.kaemper@xxxxxxxxxxxxxxxxxxx> wrote:
Hierzu zwei Fragen:

1. In welchem Verhältnis steht §53a zu §53?

Nach §53 durften nach bisherigem Verständnis auch
Bibliotheken auf Antrag ohne Zustimmung des
Rechteinhabers für den Auftraggeber digitale Kopien
herstellen

- zum privaten Gebrauch auf beliebigem Träger, sofern sie
weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen.
Digitale Kopien dürfen nur unentgeltlich hergestellt
werden, wobei die Unentgeltlichkeit nach herrschender
Meinung auch vorliegt, wenn Bibliotheken Gebühren oder
Entgelte erheben, solange diese nicht die
Kostendeckungsgrenze überschreiten,
- zum wissenschaftlichen Gebrauch auf beliebigem Träger,
wenn und soweit die Vervielfältigung zu diesem Zweck
geboten ist und sie keinen gewerblichen Zwecken dient

(Das ergab sich aus §53 (1) "Der zur Vervielfältigung
Befugte darf die Vervielfältigungsstücke auch durch einen
anderen herstellen lassen, sofern ...", §53 (2) "Zulässig
ist, einzelne Vervielfältigungsstücke eines Werkes
herzustellen oder herstellen zu lassen, ...")

Für Vervielfältigungen "zum sonstigen eigenen Gebrauch"
galten und gelten nach §53 stärkere Einschränkungen, wie
die Beschränkung auf "kleine Teile eines erschienenen
Werkes oder um einzelne Beiträge handelt, die in
Zeitungen oder Zeitschriften erschienen sind", seit
mindestens zwei Jahren vergriffene Werke, und die
Beschränkung auf die Vervielfältigung auf Papier (oder
Fax) oder eine ausschließlich analoge Nutzung.

§53 regelt die Rechte des individuellen Nutzers. §53a
regelt den "Kopienversand auf Bestellung" durch
"öffentliche Bibliotheken, sofern die Nutzung durch den
Besteller nach §53 zulässig ist".

Mit Klaus Graf (Archivalia, 10. Juli 2007,
http://archiv.twoday.net/stories/4056977/, dort aber mit
anderem Akzent) wäre zu fragen, ob §53a eine allgemeine
"Schranken-Schranke" darstellt (Klaus Graf verneint das)
oder sich im wesentlichen auf das Massengeschäft der
Fernleihe und der Direktbestelldienste der Bibliotheken
und von Subito bezieht.

Die weitergehenden Schrankenbestimmungen von §53 für
privilegierte Zwecke zum privaten Gebrauch und zum
wissenschaftlichen Gebrauch werden nun aber offenkundig
in §53a nicht abgebildet. Nach §53a ist die
Vervielfältigung und Übermittlung in digitaler Form für
nach §53 privilegierte Nutzer ohne Zustimmung des
Rechteinhabers nicht möglich, wenn der Dienst für den
privaten Gebrauch in Anspruch genommen wird. Und auch der
Ausnahmetatbestand für den wissenschaftlichen Gebrauch
greift nur, wenn der Verlag kein eigenes pay-per-view
Angebot zu angemessenen Bedingungen macht. Er wird von
seinem Umfang her gegenüber §53 (2), Nr. 1 aber auch für
wissenschaftlichen Gebrauch auf das eingeschränkt, was
nach §53 (2) Nr. 4 für "sonstigen eigenen Gebrauch" oder
nach §53 (3) für den Gebrauch "zur Veranschaulichung des
Unterrichts" gilt, nämlich "kleine Teile" oder "einzelne
Beiträge". Heisst das, dass für Bibliotheken nun
Sonderregelungen (die von §53a in Verb. mit §53) gelten,
auf Grund derer sie von ihren Benutzern für weiter
gehende Ausnahmebestimmungen aus §53 nicht mehr in
Anspruch genommen werden dürfen?

§ 53a UrhG

http://bundesrecht.juris.de/urhg/__53a.html

betrifft nach meiner Ansicht nur diejenige Dienstleistung
von Bibliotheken, bei denen fuer (externe) Nutzer
Vervielfaeltigungen von Zeitschriftenbeitraegen und
Buchkapiteln im Rahmen des § 53 UrhG erstellt UND versandt
werden.

Unstrittige Anwendungsbereiche sind die Direktlieferdienste
und SUBITO.

Man kann auch die zwischenbibliothekarische Fernleihe, die
ja auf eine Einzelbestellung des Nutzers zurueckgeht, hier
subsummieren. Die Frage ist, ob das zwingend geboten ist.
Ich moechte das offen lassen.

Fuer alle anderen Dienstleistungen von Bibliotheken gilt §
53a nicht, sondern § 53 UrhG.

NICHT zum Anwendungsbereich des § 53a UrhG zaehlen
insbesondere:

* Kopien von audiovisuellen Materialien (Fotos, Filme,
Tonbaender)

* Kopien vergriffener Buecher

* Kopien aus Diplom- und anderen Pruefungsarbeiten, sofern
diese nicht erschienen sind

* Kopien ungedruckter Materialien   

Siehe dazu
http://archiv.twoday.net/stories/4056977/

Hinsichtlich digitaler Unterlagen erscheint es mir
angemessen, nur die digitalen Aequivalente von
Zeitschriftenaufsaetzen und Buchkapiteln in den
Anwendungsbereich von § 53a UrhG einzubeziehen.

Nicht unter § 53a UrhG fallen alle Vervielfaeltigungen, die
nicht versandt, sondern vor Ort abgeholt bzw. uebergeben
werden.

Ergaenzend zu den Fallbeispielen in Archivalia aaO moechte
ich den Fall vergriffener Werke beleuchten. Seit zwei
Jahren vergriffene Werke erscheinen in § 53 Abs. 2 Satz 1
Nr. 4 b) und - beschraenkt auf die Untergruppe der Noten,
Buecher und  Zeitschriften - in Abs. 4.

Unter der Voraussetzung, dass § 53a umfassend die
Vervielfaeltigung von Werken fuer Nicht-Selbstabholer in
Bibliotheken regelt (Schranken-Schranken-Theorie) wuerde
sich sofort ergeben, dass die Regelung fuer vergriffene
Werke leerlaeuft, da nur kleine Teile erschienener Werke
von § 53a erfasst werden.

Kommerzielle Dienste, Privatpersonen, Museen,
nicht-oeffentliche Bibliotheken duerften
selbstverstaendlich  die vom Gesetz erlaubte
Komplettvervielfaeltigung vergriffener Werke anbieten, nur
eben nicht oeffentliche Bibliotheken.

Wo aber sind, frage ich, vergriffene Werke am leichtesten
anzutreffen als in oeffentlichen Bibliotheken?

Beispiel 1: Die Universitaetsbibliothek Ei. moechte gern
eine geschenkte Schallplattensammlung loswerden und
beschliesst diese zu vernichten. Ein Musikliebhaber bittet
vor der Entsorgung um eine digitale Kopie einer bestimmten
sehr seltenen Orgelmusik-Aufnahme, um mit einem Aufsatz
fuer ein Journal fuer die Orgel (Schott) Geld zu verdienen.

Die Bibliothek bejaht einen mittelbaren Erwerbszweck im
Sinne von § 53 Abs. 1 UrhG und verneint eine Privatkopie.

Da weder Absatz 4 (Buch oder Zeitschrift) noch Absatz 3
(Unterrichtsprivileg) relevant sind, ist der eigene
Gebrauch nach Abs. 2 zu pruefen.

Der wissenschaftliche Gebrauch darf nicht zu gewerblichen
Zwecken erfolgen. Falls Ei. diesen verneint und der
wissenschaftliche Charakter des Aufsatzes glaubhaft ist,
darf ein Digitalisat ausgehaendigt werden. Sonst ist bei
einem vergriffenen Werk nur eine analoge Tonbandaufnahme
zulaessig (dies ergibt sich aus Abs. 2 Satz 3 mit seinem
Verweis auf Satz 2 Nr. 1 oder 2).

Nach der Schranken-Schranken-Theorie duerfte die Kopie auf
keinen Fall versandt werden, da die Gattung AV-Unterlage
dort nicht vorgesehen ist.

Beispiel 2: Die Universitaetsbibliothek Ei. beschliesst ein
Rarissimum, ein nur in einem Exemplar erhaltenes gedrucktes
Buch aus der NS-Zeit wegzuwerfen. Ein Liebhaber bittet
zuvor um eine Kopie.

Da es sich um eine vollstaendige Kopie handelt, ist § 53
Abs. 4 UrhG einschlaegig. Hier darf fuer den eigenen
Gebrauch unbedenklich digital ausgehaendigt werden, da
"mangels entsprechender Verweisung die Regelung des Abs. 2
Satz 3 nicht anzuwenden ist" (Loewenheim in Schricker, UrhG
³2006 § 53 UrhG Rz. 46).

Nach der Schranken-Schranken-Theorie duerfte nur ein
kleiner Teil des Buchs von einer oeffentlichen Bibliothek
versandt werden.

Unberuehrt von § 53a bleibt meines Erachtens neben den
Regelungen ueber die vergriffenen Buechern auch die
Herstellung von (analogen) Kopien von Funksendungen zur
eigenen Unterrichtung ueber Tagesfragen (Abs. 2 Nr. 3) und
zum Unterrichts- oder Pruefungsgebrauch (Abs. 3).
Bibliotheken duerfen das Erstellen solcher Kopien anbieten.

Angesichts ihrer offensichtlich absurden Konsequenzen ist
die Schranken-Schranken-Theorie daher als widerlegt
anzusehen.
  
 
2. Nach Armin Talke ist die DBV-Rechtskommission der
Auffassung, dass 53a UrhG nicht für einrichtungsinterne
Dokumentlieferung (interner Kopienversand) gilt.
Erstreckt sich das bei Hochschulbibliotheken nun auf den
hochschulinternen Versand an Hochschulangehörige, sodass
die von zahlreichen Bibliotheken eingerichteten
hochschuleigenen lokale Dokumentlieferdienste von §53a
unberührt blieben, sofern die Hochschulbibliothek eine
rechtlich unselbständige Einrichtung der Hochschule ist?

§ 53a UrG liegt offenkundig das Leitbild des extern
anfragenden Nutzers zugrunde. Sofern der eigene Gebrauch
nach § 53 UrhG  erlaubt ist, gilt das fuer den betriebs-,
behoerden- und daher auch hochschulinternen Gebrauch
(Loewenheim Rz. 17).

Behoerden duerfen aktuelle Sendungen in einigen Exemplaren
aufnehmen und ihren Angehoerigen zuleiten (ebd. Rz. 29 nach
der Amtl. Begruendung  BT-DS IV/270, S. 73).

Auf interne Verbreitungsvorgaenge kann sich § 53a daher
nicht beziehen, die Praxis der hochschulinternen
Lieferdienste ist meines Erachtens nach wie vor
rechtmaessig.

Klaus Graf



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