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Re: [InetBib] Juristische Frage zur Verlinkung in News-Archiv



On Thu, 30 Oct 2008 11:10:11 +0100
 Erich Weichselgartner <wga@xxxxxxx> wrote:
Liebe ExpertInnen,

kann uns jemand mit folgender Frage helfen:

- Eine deutsche Hochschule veröffentlicht den Volltext
einer Seminararbeit (nicht auf einem
Hochschulschriftenserver, sondern als Lehrstuhlangebot).

- Wir haben im Rahmen eines kurzes inhaltsbeschreibenden
Textes (Kommentars) auf diese Arbeit hingewiesen, da sie
fachlich einschlägig ist.

- Nach drei Jahren fordert der Autor der Seminararbeit
die Entfernung der öffentlichen Zugänglichmachung des
Volltextes bei der Hochschule.

- Darüber hinaus fordert er die Löschung des
(kommentierten) Links aus unserem Nachrichtenarchiv.

Die Hochschule will dem Begehren nachkommen und den
Zugang zum Text unterbinden. Wir werden demzufolge den
Link auf den Volltext (quasi im Rahmen der üblichen
Linkprüfung) deaktivieren. Müssen wir den Kommentar zu
dem Link im Online-Archiv aus dem Jahre 2005 tatsächlich
auch entfernen? Abgesehen davon, dass in diesem Fall nach
drei Jahren digitale Spuren an vielen Stellen existieren
dürften, müssen wir unser Archiv 'bereinigen'?

Für Hinweise wären wir dankbar. (Weitere Informationen
gerne auf Anfrage; wir wollen nicht noch mehr 'Spuren'
erzeugen.)

IANAL.

Ein weiteres Beispiel fuer den Dilettantismus in Sachen
Urheberrecht.

Grundsaetzlich ist es aus Gruenden der wissenschaftlichen
Ueberpruefbarkeit geboten, dass alle wissenschaftlichen
Arbeiten im Internet ebenso dauerhaft zur Verfuegung stehen
wie gedruckte Publikationen. Dies ist bei der Auslegung
eines - nicht schriftlich fixierten - Einstellungsvertrags
und seiner Kuendigungsmoeglichkeiten zu beruecksichtigen.

Nicht selten liegen muendliche oder konkludent
abgeschlossene Rechtsgeschaefte vor, die
auslegungsbeduerftig sind. Siehe Schricker, UrhR § 31 Rz.
9f. Entscheidend ist der Vertragszweck, wobei die
Zweckuebertragungsregel meist fuer den Urheber streitet.

Ohne einen wichtigen Grund erscheint mir die Kuendigung
eines konkludent eingeraeumten Nutzungsrechtes nicht ohne
weiteres moeglich.

Trotzdem gilt:

Wer im Internet eine wissenschaftliche Arbeit zugaenglich
macht, sollte sich unbedingt in einem schriftlichen Vertrag
das Recht der dauerhaften Zugaenglichmachung einraeumen
lassen.

Die bei Hochschulschriftenservern ueblichen Vertraege, die
dem Autor den Rueckzug der Arbeit ermoeglichen, tragen den
grundlegenden Interessen der Wissenschaft nicht Rechnung.

Der Autor kann sich in Ausnahmefaellen auf sein Recht zum
Rueckruf wegen gewandelter Ueberzeugung (§ 42 UrhG) oder
auf sein Persoenlichkeitsrecht bzw. verletzte Rechte
Dritter berufen (wenn die Arbeit ein Plagiat ist,
Faelschungen enthaelt, strafrechtliche Beleidigungen usw.)

War die Veroeffentlichung von Anfang an rechtswidrig, wird
man in der Regel solche Zitate aus der Arbeit nicht
weiterverbreiten duerfen, die selbst Schoepfungshoehe
besitzen, was ich bei den Zitaten auf 
http://www.zpid.de/index.php?wahl=news&uwahl=news117
bezweifle.

War die Veroeffentlichung rechtmaessig, wovon auszugehen
ist, besteht selbstverstaendlich kein Anspruch darauf, die
Spuren der Arbeit zu tilgen. Die Existenz der Arbeit, die
Tatsache ihrer Online-Veroeffentlichung, die
Internetadresse, Zitate aus der Arbeit duerfen nach wie vor
oeffentlich berichtet werden. Eine "Archivbereinigung" kann
generell nur in Ausnahmefaellen verlangt werden (z.B. bei
Rehabilitationsinteresse eines Straftaeters im
Presserecht).

Ausdruck und Einstellung der Arbeit in eine
Praesenzbibliothek halte ich fuer vereinbar mit § 53 UrhG,
was ich aber nicht ausfuehrlich begruenden moechte.

Wissenschaft beruht auf Ueberpruefbarkeit. Das muss auch im
Online-Bereich gelten, und es gilt, dreisten
Zensur-Versuchen von Autoren entgegenzutreten.

Klaus Graf    
 

 



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