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RE: [InetBib] Europäische Digitale Bibliothek Europeana



Lieber Herr Wolf,

Wirklich verwundert bin ich über dieses Fiasko nicht. Es scheint so: Je
mehr Geld in ein Projekt gesteckt wird, desto weniger kommt am Ende
raus.

Sollen wir jetzt daraus schließen, daß, wenn kein Geld in etwas gesteckt wird, 
etwas dabei rauskommen wird? Ich persönlich glaube nicht, daß es die von Ihnen 
angedeutete Relation tatsächlich gibt. Vor allem nicht in dieser 
Generalisierung. Die These hilft auch nicht zu verstehen, was da eigentlich 
genau passiert ist. 

Im Bekanntenkreis wurde ich sogar auf die Europeana angesprochen - das
passiert schon höchst selten, dass mich jemand auf ein
bibliothekarisches Thema anspricht. Ich habe aber meinen Bekannten
geraten, sie sollen lieber funktionierende und einfach zu nutzende
Dienste verwenden: Inernet Archive, Google Books, Amazon und solch
schöne Suchmaschinen wie OAISTER und natürlich BASE benutzen. 

Wie viel Material aus Archiven und Museen ist denn über Internet Archive, 
Google Books, Amazon, OAISTER und BASE zu finden? Das höchst Erfreuliche aus 
meiner Sicht an der Konzeption von Europeana, soweit ich das nachvollziehen 
konnte aus dem Studium der Dokumentation und eigener Ansicht in der viel zu 
kurzen "Betaphase", war doch, daß die "große Spaltung" im Bereich der 
Kulturgutzugänglichkeit (a) national, (b) institutionell und (c) technisch 
überwunden werden sollte. Dafür braucht man (a) "kleinste gemeinsame Nenner" 
und (b) Standards. Aber vor allem auch: (c) eine gemeinsame Vision. Alles das 
war in weiten Teilen vorhanden, auch wenn wir es nicht mehr sehen konnten.

In die Europeana kann man ja mal in 1-2 Jahren wieder reinschauen - wenn die
Server denn bis dahin wieder laufen.

Man sollte doch - und das sage ich als jemand, der hier nicht unaufgeregt die 
eigenen Eindrücke kommentiert hat - doch die Kirche im Dorf lassen: der Launch 
der Europeana scheint sich durch einen ebenso geschickten wie trivialen 
Web-2.0-Hack zu einem GAU ausgewachsen zu haben. Hat man erst mal verstanden, 
was da (a) eigentlich genau passiert ist und (b) warum sowas überhaupt 
passieren konnte, dann kann man entsprechende Gegenmaßnahmen relativ schnell 
umsetzen. Das gilt in unserer Welt des Gegenständlichen - ich zitiere nochmal 
den Artikel in der Welt -:

"Selbst der offenherzige Psychoanalytiker Jacques Lacan, der den 'Ursprung der 
Welt' 1955 erwarb, hatte sich extra einen Verschieberahmen anfertigen lassen. 
Nicht jeder, der Lacans Landhaus in Guitrancourt besuchte, bekam das skandalöse 
Werk Courbets zu sehen."

Das gilt auch: in der Welt informationstechnischer Systeme.

Beste Grüße,
Kay Heiligenhaus



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