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Re: [InetBib] Open Library und Deutschland (Europa)



Dr. Werner Popken <Werner@...> writes:


Hallo allerseits,

ich habe mich bei der Liste angemeldet, obwohl ich mit Bibliotheken
eigentlich gar nichts zu tun habe. Neulich bin ich bei der Suche nach
bibliografischen Daten zu einem seltenen Buch auf Open Library
gestoßen und war von dem Konzept sehr angetan. Mir fiel auf, daß
bisher anscheinend ausschließlich amerikanische Quellen verarbeitet
wurden. Daraufhin habe ich mich in der Diskussionsliste angemeldet und
gefragt, ob deutsche Daten gewünscht sind, was einfach bejaht wurde.

Heute habe ich nun ein bißchen recherchiert und bin zu dem Schluß
gekommen, daß die ganze Angelegenheit entsetzlich kompliziert ist.
Beispielsweise findet sich in der Wikipedia ein Link auf einen Artikel
in der Zeit, der verschiedene Vertreter deutscher Bibliotheken
zitiert, die auf dieses Konzept durchweg ablehnend reagieren. Als Laie
habe ich den Eindruck, daß die Europäer eigene Anstrengungen
unternehmen wollen, wobei anscheinend nicht gekleckert wird, aber
trotzdem (oder vielleicht gerade deswegen) kommt kaum etwas dabei
heraus.

[OT: Mir fällt dabei die neue Webseite der Agentur für Arbeit ein, die
angeblich weit über 20 Millionen gekostet haben soll und aus
fachlicher Sicht vollkommen unmöglich und unbrauchbar ist. Gerade
jetzt hat die Bundesregierung anscheinend wieder ein paar 100
Millionen für Entwicklungen mit dem Vornamen Open ausgetan, wovon man
wahrscheinlich ebenfalls nichts hören wird.]

Jedenfalls hatte ich den Eindruck, daß die verschiedenen europäischen
Anstrengungen im Bibliothekswesen, die auch in dem Zeit-Artikel
erwähnt wurden, mehr oder weniger tot sind, ganz im Gegensatz zu den
unglaublichen Entwicklungen in den USA. Irgendetwas machen die
Europäer ganz grundsätzlich falsch, scheint mir.

Informationen zu den Hintergünden sind vermutlich schwer zu bekommen;
deshalb hoffe ich, daß es in dieser Liste vielleicht Insider gibt, die
etwas darüber wissen. Das Thema Open Library findet sich im Archiv
jedenfalls nur sehr sporadisch. Vielleicht ist das gar keine so gute
Idee? Ich lasse mich gerne belehren. Jedenfalls möchte ich ungern
meine Energie verschwenden und Türen zu offnen versuchen, die
ausdrücklich verschlossen bleiben sollen.

Ich bin mir allerdings dessen bewußt, daß dieses Projekt von
Bibliothekaren als Angriff auf deren ureigenste Sphäre angesehen und
schon aus diesem Grunde prinzipiell und grundsätzlich abgelehnt werden
kann. Insofern bin ich darauf gefaßt, daß ich mögliche Antworten mit
Vorsicht interpretieren muß. Trotzdem bin ich natürlich für jeden
Hinweis dankbar.

Mit freundlichen Grüßen
Werner Popken



Hallo Herr Popken,

ich habe ihre Nachricht nun seit einigen Tagen offen und war/bin als
"Bibl.-Student" selber interessiert an Antworten (oder Meinungen) von
"Internen". Die Sache ist allerdings wohl tatsächlich "entsetzlich kompliziert"
und die eine Position oder der eine Entscheider in dieser Frage existiert
einfach nicht. Vor einer Weile gab es viel Wirbel um die Beteiligung der
Bayerischen Staatsbibliothek an dem Digitalisierungsprojekt von Google Books, wo
ganz offensichtlich die Meinungen weit auseinander gingen. Vom Detail her
(Google als wirtschaftliches Unternehmen, Open Library "frei") ist das sicher
nicht vergleichbar, aber vom Prinzip her (Hergabe von "Etwas" an "Jemand") geht
es möglicherweise in die selbe Richtung.

Jetzt bin ich gerade auf der Seite des Goethe-Instituts auf folgenden dort im
Volltext hinterlegten Titel gestoßen:

Seefeldt, Jürgen; Syré, Ludger: "Portale zu Vergangenheit und Zukunft" -
Bibliotheken in Deutschland. Hrsg. im Auftrag von Bibliothek & Information
Deutschland e.V. (BID). 3., überarbeitete Auflage, Hildesheim 2007. ISBN
978-3-487-13347-8 (http://www.goethe.de/wis/bib/prj/bde/deindex.htm)

Insbesondere die Kapitel "Kooperation im Bibliothekswesen" und "Die Zukunft der
Bibliothek, die Bibliothek der Zukunft" sind in den Zusammenhang interessant,
obwohl sie beide nicht besonders auf internationale Zusammenarbeit oder gar auf
"Open Library" eingehen. Trotzdem kriegt man eine guten Eindruck, warum eine
einheitliche "Richtungsfindung" des deutschen Bibliothekswesens in solchen
Fragen schwierig sein mag, sicher nicht zuletzt wegen der "dezentrale Struktur
des deutschen Bibliothekswesens".

Diese Antwort bzw. der Hinweis ist sicherlich etwas unbefriedigend, aber es gibt
auch BibliothekswissenschaftlerInen, die sich mit Open Library beschäftigen,
obwohl sich die Erwähnung in bibliothekarischen Blogs nach einer kurzen
Recherche auch eher in Grenzen halten. Ein sehr interessanter Beitrag wurde aber
kürzlich über die Person geschrieben, die dahinter steht (Brewester Kahle):
http://bibliothekarisch.de/blog/2009/03/10/der-idealistische-bibliothekar-des-internets/
. Meines Erachtens gibt er eine gute Ahnung davon, weshalb man das Projekt Open
Library schon aufgrund der Reputation des "Machers" nicht ignorieren sollte.

Ich hoffe, dass Ihnen das ein klein wenig hilft bei der Frage "Jedenfalls möchte
ich ungern meine Energie verschwenden und Türen zu offnen versuchen, die
ausdrücklich verschlossen bleiben sollen."

Viele Grüße,
Tobias Zeumer


PS: Hinsichtlich Ihres Interesses an Titelrecherche, könnte sie noch der
Karlsruher Virtuelle Katalog interessieren, sofern nicht schon bekannt:
http://www.ubka.uni-karlsruhe.de/kvk.html . 

PPS: Entschuldigung, dass ich die ganze ursprüngliche Nachricht zitiert habe.
Ich hätte sie nur gerne noch mal in meinem Mailarchiv :-)



Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.