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Re: [InetBib] OT: Darum floppt das E-Book-Portal des Buchhandels



Sehr geehrter Dr. Popken,

wenn ich die eingangs gestellte Frage, und das Statement: „Irgendetwas
machen die Europäer ganz grundsätzlich falsch, scheint mir.“ richtig
verstanden haben, dann war unklar, warum man hierzulande sich nicht
einfach an „Open Library“ anhängt.

Dass die Person Brewster Kahle sehr dafür spricht, dies zu tun, ist sicher richtig.

Es gibt aber in Europa bekanntlich auch die Befürchtung, mit solchen
Mitarbeiten, sich immer stärker in die Abhängigkeit zu den USA zu begeben.
Bei Google ist unsere Abhängigkeit bekannt, und in diesem Forum schon
öfter verbalisiert worden, und bei Open Library wäre das auf längere Sicht ähnlich.

Die Vielzahl an Projekten in Europa orientieren sich aus meiner Sicht
(bewusst oder unbewusst) sehr viel mehr an den Interessen der Verlage, und
daran eine oder mehrere Wissensbanken zu entwickeln, die vollautomatisch
erkennen, bei welcher Publikation, an wen, wie viel Geld überwiesen werden muss. Das wird auch für e-books gelten, die wir ja im Prinzip schon längst
viel besser (als in der Palmgröße) auf unseren Notbooks nutzen.

Ich habe das Problem schon mal versucht deutlich zu machen.
http://archiv.tu-chemnitz.de/pub/2008/0153/data/umstaetter.pdf

Sobald das funktioniert, ist es für die meisten Verlage keine großes
Schwierigkeit, in kürzester Zeit ihre Produkte im Internet verfügbar zu
machen. Einen Vorgeschmack dessen haben wir ja schon bei elektronischen
Zeitschriften mit pay per view etc.

Dass der „Schachzug des OCLC der Anfang vom Ende“ sei, scheint mir die
Erfahrungen und die Macht von OCLC und auch die der großen Verlage dieser
Welt sehr zu unterschätzen. Das wissen zumindest die Bibliothekare, die
die Entwicklung von OCLC seit fast einem halben Jahrhundert verfolgt haben.

Der Schein trügt, wenn viele glauben, dass Google in Zukunft große Mengen
an Büchern im Internet kostenlos zugänglich machen wird. Bisher gab es
keinen wirklichen Zweifel daran, dass man dort das bisherige Vorgehen noch in die Kategorie fair use einstufte, und dass Schluss mit lustig ist, wenn
es wirklich um größere Mengen an Geld der Verlage geht.

Die Open Access Bewegung ist zweifellos notwendig und in meinen Augen eine
schlichte Konsequenz der bisherigen Copyrights. Aber zu glauben, dass
damit die Verlage von der Bildfläche verschwinden, ist unrealistisch.
Bisher haben sie an Macht gewonnen, und das eigentliche Problem, ist
sogar, dass sie in den letzten Jahrzehnten, nach dem Elsevier fast pleite
gegangen wäre, und A. Gore bzw. B. Clinton ~1995 die Bedeutung des
Internets für den Publikationsmarkt politisch vorbereiten half. Damit
erhielten die großen Verlage zu viel Macht.

Hier die richtige Balance für große und kleine Verlage, Bibliotheken und
Leser zu finden, ist das eigentliche Problem, und dazu ist es notwendig,
dass die Wirtschaftswissenschaftler, Politiker und auch die Juristen
endlich den Unterschied zwischen Information und Redundanz begreifen. Nach
althergebrachter Erfahrung der Marktwirtschaft, Wissen zu verknappen,
damit es eine gewinnbringende Ware wird, ist auf die Dauer nicht haltbar,
und provoziert schon heute die größten Spannungen in der Welt.

Mit freundlichen Grüßen

W. Umstätter


On Mar 14, 2009, at 3:02 PM, Dr. Werner Popken wrote:

Hallo!

Eine schöne Glosse zum Thema Digitalbuch und Online-Vertrieb:

http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,druck-613158,00.html

Könnte man sich noch besser blamieren? Ich finde, der Autor hat sich
noch sehr zurückgehalten; man hätte viel schärfere Worte finden
können. Wo und wann leben diese Leute eigentlich?

Ebenfalls interessant die dort genannten Links. Tausende Bücher in
einem elektronischen Lesegerät, das zu benutzen Spaß macht? (Dafür ist
es noch zu früh, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis es soweit
ist.) Welche Rolle spielen dann noch die Bibliotheken?

Ich habe dazu ein bißchen phantasiert, aber ich weiß nicht, ob das
hierher gehört und jemanden interessiert.

Herzliche Grüße
Werner Popken




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