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Re: [InetBib] Friede den plumpen Servern



Erst einmal herzlichen Dank für Ihre Mail. Polarisierung ist hier ja die Spielregel, aber Sie bieten mir einen Freistoss an, den ich gerne annehme. Vielleicht gelingt mir ja ein Schritt zur Abrüstung in diesem Schaukampf.

"Hier die Bibliothekare (und Bibliothekarinnen?), die nahe an klassischer Sklaventreiberei agieren, ..."

Das hab ich nicht gesagt. Das klassisch Sklaverei-Beispiel bezog sich nur auf das Thema Entscheidungsfreiheit der Autoren (ich schreibe auf dem Handy, also bitte ich um Dispens für die geschlechtsneutral gemeinten Formulierungen). Bibliothekare sind hier Opfer eines Ungeistes, und ich respektiere die ehrenwerten dieses Berufsstandes weiterhin.

"dort sie als Fuersprecher der Verlage "
Ja, das meine ich für mich in Anspruch nehmen zu können, wenn man mich bei der nächsten Wal nicht abwählt.

Gerne wiederhole ich hier auch noch einmal: es spricht überhaupt nichts gegen Open Access!!! Das ist ein Geschäftsmodell unter anderen. Ich schätze den Wettbewerb, weil er dem Besseren zur Durchsetzung verhilft. Ich verabscheue dagegen Zwang, Bevormundung und Behinderung des Wettbewerbs, weil das Ergebnis eben nicht das Bessere ist, sondern das von selbsternannten Besserwissern gewollte durchsetzt.

"Hier (Open Access?) viel Sichtbarkeit und wenig Wahrheit, dort (in Ihrem Dunstkreis?) vielleicht weniger Sichtbarkeit, aber viel Wahrheit -- "

Hab ich ja auch nicht gesagt. Ich habe nur darauf hingewiesen, dass der Satz über die Währung Sichtbarkeit falsch ist, weil er verkürzt und eine Anmaßung ist, als ob jemand die Wünsche und Ziele aller Wissenschaftler kennen würde. Wie Sie zu Recht sagen: die Welt ist erheblich komplexer, als es der Satz suggeriert.

Nun bin ich nicht mehr sicher, ob Sie wirklich ueber Open Access schreiben:"

Nein, ich meinte das weiter gefasst. Die Verkürzung auf Zeitschriften und Wissenschaft ist eine Katastrophe. Ich verstehe schon, dass man da das Problem sieht. Aber Wissenschaft insgesamt macht gerade mal 15% des Buchmarktes aus und von diesen ist der größte Teil noch das Lehrbuch. Und die erreichten und noch angestrebten Änderungen des UrhG differenzieren nicht nach Wissenschaft und dem Rest. Das wäre, als würde man um ein Unkraut zu vernichten den ganzen Garten ausmerzen. (Ich habe jetzt nicht OA mit Unkraut verglichen!) Und wenn man den Markt der Zeitschriften nimmt, dann fällt das Gewicht der Wissenschaft noch viel geringer aus. Das Bestreben Uniserver zu füllen erstreckt sich ja nicht nur auf Artikel, es meint auch Dissertation und Habilschriften und alle Arten von Monografien. Und: ein fertiges Buch sieht eben anders aus als ein wissenschaftliches MS. Auch hier wiederhole ich mich gerne: ein Verlag, der keinen Mehrwert bringt, der erübrigt sich von selbst.

"Und da Sie den Akzent auf Aufmerksamkeit legen: "wir" Wissenschaftler/innen sind im Internet angekommen, anders als (bedauerlicherweise!) viele grade kleine Verlage."

Böse gesagt: wenn den kleinen Verlagen das jemand zahlen würde, dann wären manche schon weiter. Aber die müssen, bevor sie investieren können auch erst mal Steuern zahlen... Seriöser gesagt: wenn ich Herrn Grafs Worten Glauben schenken darf, dann sind die Fortschritte bei der Digitalisierung der Bibliotheken zum Heulen. (Und statt sich um die riesigen Bestände zu kümmern digitalisiert man in den Bibliotheken ausgerechnet das, was die Verlage bereits digital anbieten. Toll. Große Leistung!)

Mein Angebot zur Abrüstung:
Open Access ist ein gutes Modell (unter anderen) für wissenschaftliches Publizieren. Es wird nicht billiger (von den Produktionskosten her) wenn die Hochschulen es selbst machen. Aber das ist nicht mein Problem als Verleger, sondern als Steuerzahler (aber das ist Aufgabe des Rechnungshofes). Die naturwissenschaftlichen Zeitschriften einiger weniger Verlage sind skandalös teuer. Und die große Zahl der kleinen und mittleren Verlage tragen als Kolateralschaden nun die Folgen. Die Budgets für Bildung und Wissenschaft sind skandalös niedrig. Eine Schande. Ein gemeinsamer Protest hier hätte uns alle viel weiter gebracht.

Herzlichst
Ihr Matthias Ulmer


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