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Re: [InetBib] Elektronischer Leseplatz und Recht auf Privatkopie



Hallo Herr Ulmer,

ich arbeite in einer großen Universitätsbibliothek und betreue hier einen
Teil der Lehrbuchsammlung. In diesem Haus werden seit Jahrzehnten große
Summen für die Aktualisierung der LB-Bestände ausgegeben; zusätzlich zu den
gedruckten Ausgaben (wohlgemerkt: zusätzlich) wird seit einigen Jahren in
das Angebot von e-books bekannter Anbieter investiert. In diesem Paket
finden sich etliche Parallelausgaben aus unserem Lehrbuchbestand.

Trotz der (legalen, weil vertraglich vereinbarten) Downloadmöglichkeit
einzelner e-book-Kapitel haben wir bisher keinen bemerkenswerten Rückgang in
der Benutzung der gedruckten Ausgaben feststellen können - die Kundschaft
verlangt zum Lernen nach wie vor Printausgaben.

Was mich jedoch immer wieder ärgert, ist die Praxis vieler Verlage, jährlich
vermeintliche Neuauflagen zu immer höheren Preisen auf den Markt zu werfen,
bei denen es sich allerdings faktisch um Nachdrucke der Vorgängerauflagen
handelt. Hier sehe weniger "Visionen" der Verlage, sondern eher die plumpe
Erkenntnis, dass durch entsprechende Nachfrage von Nutzerseite an die
Bibliotheken ein Druck aufgebaut wird, diese "Neuauflagen" abzunehmen. Ein
Beispiel für schlichte Geldschneiderei. 

Ich glaube, diesen Popanz aufzubauen, dass alle Bibliotheken künftig alle
Lehrbücher in einem Exemplar anschaffen, um dieses dann zu digitalisieren
und an PC-Arbeitsplätzen zum Download anzubieten, ist völlig unrealistisch.
Als Lobbyist ist es zwar Ihr Job, hier aktiv zu werden, doch sollten Sie den
Aspekt, dass über die elektronische Nutzung eines qualitativ hochwertigen
Titels auch die Printversion beworben wird, stärker berücksichtigen.

Viele Grüße,

Hardy Warlich

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
[mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von Matthias Ulmer
Gesendet: Freitag, 3. April 2009 00:48
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: Re: [InetBib] Elektronischer Leseplatz und Recht auf Privatkopie

In der Theorie haben Sie Recht. Aber die KMK hält einen Betrag von  
100.000 Euro für ein Jahr und sämtliche Werke in allen Bibliotheken  
für angemessen. Und eine Erfassung der tatsächlichen Nutzungen,  
titelbezogen, für unzumutbar. Sollen wir Verleger auch hier wieder vor  
Gericht ziehen?

Ich hätte aber an alle Diskutanten eine andere Frage:
Lassen wir das juristische Thema mal beiseite und nehmen an, das ist  
alles rechtens. Und gehen wir davon aus, dass Bibliothekare und  
Verleger das Interesse teilen, dass gute und aktuelle Lehrbücher für  
Studenten bereit stehen. Meine Frage: wie stellen Sie sich das vor,  
wenn alle Lehrbücher von den Bibliotheken eingescannt werden und  
Studenten sich diese downloaden können. Wie soll da die Konzeption und  
Produktion durch Autoren, Verlag, Grafikern, Setzern usw. finanziert  
werden? Ein neues Lehrbuch kostet im Bereich Naturwissenschaften  
mindestens 50.000 Euro. Als Verleger sehe ich nicht, wie die dafür  
notwendige Auflage unter den Darmstädter Bedingungen noch erreicht  
werden sollen. Wenn man das Angebot durch die Bibliothek aber für  
wünschenswert hält, dann muss man doch eine Vision haben, wie ein  
hohes Qualitätsniveau und breites Angebot an Lehrbüchern dann  
entstehen soll.

Es würde mich interessieren, welche Visionen Sie dafür haben.

Über Antworten freut sich
Matthias Ulmer




Am 02.04.2009 um 23:34 schrieb "Hans-Martin Moderow"
<Hans-Martin.Moderow@xxxxxxxxxxxxxxxxx 
:

Liebe Diskutanten,

ich kann ja verstehen, dass die Verleger ihre
Interessen wahren möchten. Doch scheint mir der
Weg zu den Gerichten nicht sinnvoll. Der vom
Gesetzgeber vorgesehene Weg ist der Weg über die
Verwertungsgesellschaften.

Vgl.


http://ebook-bibo.blog.de/2009/04/02/elektronischer-leseplatz-recht-privatko
pie-5880159/

Das heißt aber auch, dass es am Ende nicht billig
wird.

Mit freundlichen Grüßen

Hans-Martin Moderow

-- Dr. Hans-Martin Moderow
Bibliotheksvolontär
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek
Bibliotheksplatz 2, 07743 Jena





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