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Re: Re: [InetBib] Herr Ulmer, sein Brief, der Artikel im Börsenblatt und der Heidelberger Appell



Guten Morgen, Herr Ulmer,

gern beantworte ich Ihnen zuerst einmal Ihre erste Frage:

1. Ist das Vorgehen der ULB Darmstadt (und der zweiten Bibliothek) legal?
Das kann ich von hier aus nicht beurteilen. Es ist möglich, dass das Vorgehen nicht legal ist. Das müsste dann unterbunden werden, und ggf. muss Ausgleich für entstandenen Schaden an Verlage/Verfasser/innen geschaffen werden. Für Ihren Ärger, hätte/habe ich vollesVerständnis.

2. Die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre (Grundgesetz, Art. 5, Abs. 3) ist vereinbar mit den Forderungen der Allianz der Wissenschaftsorganisationen (Schwerpunktinitiative „Digitale Information“ der Allianz-Partnerorganisationen), vgl. hierzu auch die "Gemeinsame Erklärung der Wissenschaftsorganisationen" vom 25.03.09, http://www.helmholtz.de/aktuelles/pressemitteilungen/artikel/detail/gemeinsame_erklaerung_der_wissenschaftsorganisationen/

In Ihrem Brief
an Ihre Autoren, in dem Sie zur Diskussion auffordern und in dem Sie zur Unterstützung des Heidelberger Appells auffordern, vermischen Sie das Urheberrechtpersönlichkeitsrecht und dem Verwertungsrechten derjenigen, die die Werke schaffen (UrhG § 11 S.1) mit den Nutzungsrechten, die der Urheber anderen einräumen kann (UrhG § 31) und die Urheber Verlagen einräumen müssen, wenn diese ihre Publikationen veröffentlichen sollen.
Diese Vermischung führt zu Unklarheiten.
Ausgehend von zwei Bibliotheken, die möglicherweise gesetzeswidrig handeln, werfen Sie Bibliotheken und anderen Organisationen (Abs. 6 Ihres Briefes) vor, sie wollten sich über die Eigentumsrechte der Autoren hinwegsetzen. Das ist nicht korrekt. Und ich als Bibliothekarin, der an Aufklärung gelegen ist, der diese ganze Thematik sehr am Herzen liegt, fühle mich dadurch verunglimpft.

Der Heidelberger Appell
Im Grundgesetz § 5 sind die Meinungsfreiheit inkl. der Freiheit, diese Meinung zu veröffentlichen, die Pressefreiheit und Freiheit der Berichterstattung (S. 1), mit einschränkenden Gesetzen (S. 2) und, in S. 3 die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre geregelt/gewährleistet. Das Recht auf auf freie und selbstbestimmte Publikation ist um Urheberrecht gewährleistet (UrhG § 12).
Beides wird gleich im ersten Satz vermischt.

Nicht unterschieden wird im Appell zwischen der Art der Werke. Kunstwerke, wissenschaftliche Werke, literarische Werke, Zeitungsartikel, Radio- und Fernsehsendungen werden in einen Topf geworfen. Das führt unweigerlich zu

Das Vorgehen von Google bei GoogleBooks und das Vorgehen vieler einzelner Personen auf YouTube wird vermischt mit den Bemühungen der deutschen Wissenschaftsorganisationen, wissenschaftliche Information auf gesetzlicher Grundlage möglichst schnell für möglichst alle verfügbar zu machen und ihnen wird vorgeworfen, dass diese Bemühungen Eingriffe in Presse- und Publikationsfreiheit seien, das Grundrecht bedrohten und somit gesetzwidrig seien.
Google und die Einzelpersonen sind eine Sache.
Die Bemühung um freie Verfügbarkeit wissenschaftlicher Information (auf gesetzlicher Basis!) ist eine andere Sache, die hier nicht korrekt dargestellt wird. Ebenso falsch dargestellt ist, dass dieo.g. Allianz die Autoren auf eine bestimmte Publikationsform vepflichten will. Jede/r soll weiterhin zuerst dort und so publizieren, wie er/sie möchte, um aber die freie Verfügbarkeit von wissenschaftlicher Information zu ermöglichen, werden u.a. im Rahmen des einfachen Nutzungsrechts frei zugängliche Zweitveröffentlichungen vorgeschlagen, wobei selbstverständlich das Urheberpersönlichkeitsrecht, das Urheberverwertungsrecht und das/die Nutzungsrechte beachtet werden sollen. Eine "politische Toleranz" gegenüber Raubkopien gibt es nicht, dazu wurden Gesetze geschaffen. Diese Gesetze müssen angewendet werden. Zuwiderhandlungen müssen angeklagt werden, dann können sie auch verfolgt werden.

Diesen Appell haben Sie nicht geschrieben, aber Sie rufen zur Unterschrift auf. Das führte zu meiner Erwartung ...

Ihr Artikel im Börsenblatt, http://www.boersenblatt.net/314659/
Im Zusatz zum Titel schreiben Sie immerhin vom "Geschäft der Verlage" und nicht von"das Urheberrecht". Satz 1 überträgt das im dritten Satz vorgeworfene Fehlverhalten einer Bibliothek gleich auf ganz Deutschland.
Das kann nicht korrekt sein.
Im 2. Satz, unterstellen Sie der Leitung des Deutschen Bibliotheksverbandes, dass sie gesetzwidriges Handeln "der Bibliotheken" trägt. Das tut sie sicher nicht. Und es handeln nicht "die Bibliotheken" gesetzwidrig, sondern möglicherweise eine, die Sie dann in Satz Nr. 3 nennen. Im und 4. und 5. Satz verallgemeinern Sie gleich wieder: "Wille der Bibliothekare" und "So fördert man ..."

Im 2. Absatz geht es um § 52b, der genau eingrenzt, welche Werke eine Bibliothek digitalisiert in ihren Räumlichkeiten an elektronischen Leseplätzen anbieten darf, nämlich "soweit dem keine vertraglichen Regelungen entgegenstehen". Entsprechend ist die Empfehlung des DBV: http://www.bibliotheksverband.de/stellungnahmen/DBV_Info_UrhGRev_060707.pdf. So ist auch Herrn Prof. Müllers Kommentar aus Satz 2 Ihres Artikels zu verstehen. Teile eines Werkes - auch des digitalisierten - zu kopieren ist mit Einschränkungen erlaubt nach UrhG § 53,1-5. Die Verbreitung dieser Kopien ist nicht erlaubt (UrhG 53,6) - damit machen sich die Personen strafbar, die diese Kopien im Internet frei zur Verfügung stellen, nicht aber die Bibliothek.

In Absatz 6 unterstellen Sie dieser (?) Bibliothek und ihrem möglicherweise gesetzwidrigen Verhalten, dass sie Fakten schaffen möchte, bevor dem Gesetz Recht verschafft wird. Das dürfen Sie natürlich, aber eine Tatsache, sprich korrekt, ist es damit nicht.

Ich wünsche mir, dass ich Ihre Fragen beantworten konnte.
Und wenn es denn unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten eines Gesetzes gibt, muss eine Lösung gefunden werden, die für alle Beteiligten zufriedenstellend ist. Dafür sind Dialoge nötig. Bitte ohne verallgemeinernde Vorwürfe und Schuldzuweisungen, und bitte mit korrekten Darstellungen.

Mit freundlichen Grüßen,
Angelika Finke




Matthias Ulmer schrieb:
Sehr geehrte Frau Finke,

mir ist schon am Dialog gelegen. Verständnisorientiert. Das muss beiderseitig sein. Machen Sie den Versuch. Ihre Mail ist dazu kein guter Ansatz. Aber ich möchte auf ein paar Punkte gerne eingehen (übrigens machen wir auch wissenschaftliche Zeitschriften).

Es gibt zwei Fragen, die offen sind:

- ist das Vorgehen der ULB Darmstadt legal?
- ist die Forderung der Allianz der Wissenschaftsorganisationen vereinbar mit der Freiheit von Forschung und Lehre?

Der Gedankenaustausch zu beiden Themen ist hilfreich. Vor allem Herr Steinhauer bringt sachliche Argumente, die ich interessant finde. Ich bin auch froh, dass es Stimmen gibt von Bibliothekaren, die das Vorgehen in Darmstadt auch nicht positiv finden.

Dennoch sind die Fragen beide nicht geklärt. Ich bin in meinem tiefsten Inneren überzeugt, dass das Vorgehen der ULB Darmstadt nicht legal ist. Und dass der Plan der Allianz ausgesprochen gefährlich für die Freiheit der Forschung und Lehre ist. Aber ich weiß auch, dass viele hier im Forum im gleichen Maße vom Gegenteil überzeugt sind. Und letztlich muss das wohl ein Gericht entscheiden. Bis dahin scheint es mir angemessen, dass ich das Vorgehen als illegal bezeichne und Sie es legal nennen. Da kann ja noch keine Verunglimpfung entstehen.

Dennoch kann man sich ja über einige Fakten oder Aussagen einigen, weil sie überprüfbar sind. Und da muss ich Sie bitten, dass Sie mir die Sätze nennen, in denen mein Artikel im Börsenblatt (nach Ihren Worten):

"stellt Behauptungen auf, die nicht korrekt sind, stellt Dinge falsch dar, stellt Fakten in falsche Zusammenhänge und entwirft so ein völlig falsches Bild der Situation."

Ich habe ihn jetzt noch einmal gelesen und fürchte, so absurd der Artikel auch klingt, dass jeder Satz richtig ist. Aber ich würde das gerne mit Ihnen klären. Dann kann ich das richtigstellen, was ich falsch dargestellt haben sollte.

Eine Entschuldigung müssen Sie von mir nicht fordern, wenn ich falsch liege. Ich denke, ich habe mich auch mit Herrn Müller soweit ausgetauscht, dass wir uns gegenseitig nichts nachtragen.

Betrachten Sie das schon als ernsthafte Form den Dialog zu suchen.

Mit freundlichen Grüßen
Matthias Ulmer



Der Brief (in dem es nicht nur um die möglicherweise ungesetzliche Vorgehensweise von zwei Bibliotheken geht) stellt Behauptungen auf, die nicht korrekt sind, stellt Dinge falsch dar, stellt Fakten in falsche Zusammenhänge und entwirft so ein völlig falsches Bild der Situation. Und verunglimpft einen gesamten Berufsstand. Gleiches gilt für den Heidelberger Appell und erst recht für den Artikel im Börsenblatt, der offensichtlich sogar* nach *der Disskussion in dieser Liste entstand.




Eine Entschuldigung an alle Bibliothekarinnen und Bibliothekare, die ihren Beruf völlig korrekt ausüben!




Eine korrigierte Fassung Ihres Briefes an Ihre Autoren.
Eine modifizierte Fassung des Heidelberger Appells mit korrekter Darstellung der Zusammenhänge um Publikationen, Urheberrecht und Open Access.

Aber darauf kann ich wohl lange warten, denn Ihr Artikel im Börsenblatt, Herr Ulmer, ist noch um einige Grade heftiger in seinen Aussagen als Ihr Brief und der Heidelberger Appell es sind. Ich empfinde das als unverfrorene Frechheit!

"Den Dialog suchen" sieht wahrhaftig anders aus!

Angelika Finke

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