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Re: [InetBib] Frage zu Hybridpublikationen



Lieber Herr Ulmer!

Sie werden mir mit Recht sofort den Vorwurf machen "Eine Schwalbe macht noch
keinen Sommer". Aber das letzte Buch von Rainer Kuhlen:

Erfolgreiches Scheitern - eine Götterdämmerung des Urheberrechts? / Rainer
Kuhlen. - 1. Aufl.. - Boizenburg : Hülsbusch, 2008. - 641 S. - ISBN:
978-3-940317-21-6 - ISBN: 3-940317-21-7 - (Schriften zur
Informationswissenschaft ; Bd. 48)
 
wird sowohl als Hardcover verkauft, als auch als PDF zum kostenlosen Download
angeboten. Natürlich habe ich mir das PDF heruntergeladen. Für eine sorgfältige,
wissenschaftliche Durcharbeitung ist aber die Druckversion unverzichtbar. Nach
mir vorliegenden Informationen verkauft sich das Buch in einer für ein
wissenschaftliches Werk sehr erfreulichen Höhe (Beweis: KVK-Abfrage). 

Nochmal: Ein einzelnes Beispiel beweist noch gar nichts. Aber ein Trend ist
nicht zu leugnen: Der Publikationsmarkt verändert sich genauso wie z.B. der
Musikmarkt. Ich kenne selbst mehrere Leute, die mit Musik gutes Geld verdienen.
Das läuft aber nicht mehr über die großen Musikkonzerne. Deren Manager haben vor
Jahren den Trend nicht erkannt und sitzen heute auf der Strasse. Der Kunde, der
Konsument entscheidet, wofür er sein Geld ausgibt, und nicht der Anbieter.
Meines Erachtens mangelt es der deutschen Verlagswirtschaft an Leuten mit
innovativen, kühnen Ideen. Wie man es macht, haben in den letzten 30 Jahren
Microsoft, Apple, Google, YouTube, Facebook etc. vorgemacht. Wo sind bei uns die
Leute mit den gleichen Fähigkeiten und Visionen? Ich sehe nur Kleingeister, die
mit aller Kraft versuchen, am Gestrigen festzuhalten.

Trotzdem nicht ohne Hoffnung grüßt

--
Dr. Harald Müller
 

-----Original Message-----
From: inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
[mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] On Behalf Of Matthias Ulmer
Sent: Wednesday, August 05, 2009 9:58 AM
To: Internet in Bibliotheken
Subject: Re: [InetBib] Frage zu Hybridpublikationen

Lieber Herr Kohle,

Die Frage, welche Auswirkung Onlinepublikationen auf den Print-Absatz  
haben ist eben nicht so leicht zu beantworten.
Zunächst einmal gibt es noch nicht so viele Erfahrungen, dass man  
klare Aussagen machen könnte.
Dann fallen die Antworten ganz sicher unterschiedlich aus, je nachdem  
ob es sich um einen Roman, einen Reiseführer, ein Schulbuch, eine  
Monografie etc handelt.
Und zusätzlich wird das Ergebnis davon abhängen, ob es sich um eine  
Neuerscheinung handelt, der Titel ein Jahr alt ist, bereits als  
Taschenbuch vorliegt oder zum ominösen Long tail gehört.

Wer in der komplexen Fragestellung mit Aussagen kommt wie: in den USA  
gibts einen Verlag, der zeigt, dass es geht und überhaupt habe ich auf  
meiner Website 18 Links zu Aussagen, die irgendwas beweisen... der  
macht sich die Dinge zu leicht.

Ich nenne Ihnen mal drei Beispiele: UVK veröffentlicht ein Fachbuch  
parallel zum kostenlosen Onlinelesen und hofft dadurch auf steigende  
Printerlöse. Die ersten Zahlen sind positiv.
Ein Prof stellt sein Lehrbuch an seiner Uni auf den Server und die  
Verkaufszahlen in der Stadt gehen auf Null runter. Das Buch ist tot,  
eine Neuauflage wird es nicht geben.
Ein Verlag bietet seine Lehrbücher als E-Books an der Bibliothek an  
und die Verkaufszahlen brechen ein, das Geschäft kann aber in der  
Summe positiv ausgehen.

Also: es wird dauern, bis man allgemeingültige Schlüsse ziehen kann.  
Bis dahin ist es die Verantwortung des Verlegers zu entscheiden, wie  
er die Pflichten aus dem Verlagsvertrag (Verbreitung, Honorar) optimal  
erfüllt. Da es um seine Investitionen geht wird er die Aufgabe  
verantwortlicher machen als jemand, der ihm aus der dritten Reihe  
wohlfeile Ratschläge gibt.

Noch zwei Punkte aus der wunderbar komplexen Realität: Die  
Verkaufszahlen in diesem Frühjahr waren schlecht. Dafür gibt es  
folgende Gründe:
- schwache Neuerscheinungen
- Wirtschaftskrise
- Konsumzurückhaltung
- Piraterie
- E-Book Konkurrenz
- Auswirkungen der Schranken im UrhR
- Änderung des Leseverhaltens
Und das sind noch nicht alle. Wie soll man aus einer solchen Gleichung  
mit vielen Unbekannten eindeutige Aussagen ziehen?

Und: bei Google Booksearch und Amazons SITB wurde auch immer  
behauptet, dass dadurch der Verkauf ansteigt. Auch hier gibt es kein  
klares Ergebnis. Bei manchen Titeln sieht es positiv aus, bei anderen  
ist der Absatz eingebrochen und beim Rest ist nichts passiert.

Also: es gibt noch keine eindeutigen Aussagen. Aber Sie können sicher  
sein, dass das aktuell für alle Verleger eine der wichtigsten Fragen  
ist und wor bei jeder Gelegenheit unsere Erfahrungen dazu austauschen.

Herzliche Grüße
Matthias Ulmer



Am 05.08.2009 um 09:18 schrieb "Hubertus Kohle"
<Hubertus.Kohle@xxxxxxxxxxxxxxxxxxx 
:

Liebe Collegae
man hoert oefter einmal, dass online-Publikationen den Verkauf der
gedruckten Version nicht behindern, sondern befoerdern. Das ist eine
faszinierende Perspektive, die doch eigentlich auch die Verlagsbranche
brennend interessieren sollte. Leider scheinen mir die Belege eher ein
wenig schmalbruestig. Warum nimmt der Boersenverein des deutschen
Buchhandels da eigentlich nicht mal eine fundierte Analyse in Angriff,
anstatt immer nur den Teufel an die Wand zu malen?
Schoene Gruesse Hubertus Kohle

-- 
http://www.inetbib.de


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