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Re: [InetBib] Die Open-Access-Heuchelei der Bibliothekare



Liebe Kolleginnen und Kollegen,

1.      Eine Wissenschaft wird nicht dadurch zweitrangig, dass große Teile der
Gesellschaft die wirkliche Problematik nicht verstehen.
2.      Wenn man eine Problem nicht versteht ist das nicht immer ein Zeichen
von Unsinn.
3.      Eine etwas differenziertere Betrachtung eines komplexen Problems ist
keine Heuchelei.
4.      In der Informationsgesellschaft gab es seit  Jahrzehnten zwei 
Strömungen:
A.      Die Bedeutung von Information muss sich, ebenso wie bei der Bezahlung
nach Arbeitsleistung, an ihrem Preis erkennen lassen. Einfacher gesagt:
Information muss bezahlt werden, wenn sie etwas Wert ist.
B.      Information muss allen Menschen in dieser Welt kostenlos zur Verfügung
gestellt werden. Diese Position spielte insbesondere beim Aufbau des
modernen Bibliothekswesens der Demokratisierung der Gesellschaft, bei den
Emanzipationsbemühungen der Bibliothekarinnen, den negativen Erfahrungen
totalitärer Staaten, beim IuD-Programm 1974 und insbesondere in der
Freiheit der Wissenschaft eine wichtige Rolle.

Wenn die Bibliothekare also in der OA-Bewegung weitaus weniger Erfolgreich
waren, als es viele von ihnen wünschten, lag dies nicht an ihrer
Halbherzigkeit, oder ?Heuchelei? sondern an den massiven Gegenstömungen in
denen große Teile der Gesellschaft davon ausgehen, dass die
?Informationsgesellschaft? hauptsächlich von der Produktion, der
Weiterverarbeitung und der Verbreitung von Information lebt (Daher ihr
Name).

Für die meisten Menschen ist die Tatsache, dass Information keine Ware wie
jede andere ist, schon darum unverständlich, weil die Informationstheorie
für sie ein Buch mit sieben Siegeln ist. Sie können dieser Wissenschaft
nicht folgen, weil sie sich nie ausreichend Zeit nahmen sie zu verstehen.
(s. Punkt 1. ;-)

MfG

W. Umstätter

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Maximilian Lowisch schrieb:
Heißt das, Herr Kämper, dass Sie der Bibliothekswissenschaft als
Wissenschaftsdisziplin nicht trauen?
[...]
Als angehender Student dieses Faches bin ich über dessen
Herabwürdigung und meinen Platz in der "zweiten Reihe" betrübt.

Zweiter Platz wäre ja schon gar nicht mal so schlecht! Wer kennt nicht den
Spruch: "Bibliothekswesen, muss man das studieren?" Bei solchen Sprüchen
kann man sich schon durchaus geringer als zweitklassig empfinden.

Bernd-Christoph Kaemper schrieb:
Im übrigen ist es mit der Wissenschaftlichkeit des Bibliothekswesens ja
nicht soweit her. Bibliothekare werden auch nicht vom Steuerzahler
bezahlt, um wissenschaftlich zu veröffentlichen.

Wenn sich was ergibt, wo der Bibliothekar etwas veröffentlichen kann,
vielleicht nicht die grosse Monographie sondern ein guter lesenswerter
Zeitschriftenartikel, dann ist das richtig. Und oft ergibt sich etwas
gerade durch die Arbeit. Insofern wird der Bibliothekar zwar nicht
bezahlt, um wissenschaftlich zu veröffentlichen, aber er wird auch
bezahlt, um sich weiterzuentwickeln, was unter anderem in einer
Veröffentlichung resultieren kann.
Mal ehrlich: wenn dann einer etwas schreibt oder einen Vortrag hält, und
neben dem Namen der Person steht der Name der Institution, ist das nicht
auch für diese eine Art kleiner Prestigegewinn, den man gerne sieht und
dann auch bei Gelegenheit, z.B. in Jahresberichten, dem Träger/Geldgeber
und der Öffentlichkeit (Steuerzahler) gegenüber gerne erwähnt?

Ehrlich gesagt interessieren sich die Wissenschaftler an unseren
Universitäten, wenn es nicht gerade Informationswissenschaftler sind
(und auch die nur in begrenztem Umfang) herzlich wenig für die
Publikationen der Bibliothekare - denen ist mehr damit geholfen, wenn
ihre eigenen Publikationen möglichst gut sichtbar sind und im Gegenzug
die Publikationen der Wissenschaftler an anderen Universitäten und aus
öffentlichen Mitteln geförderten Forschungseinrichtungen

Dazu fällt mir ein: Was der Bauer nicht kennt, das isst er nicht. Es gibt
genug Akademiker, die trotz - oder gerade wegen? - Promotion mit
Scheuklappen durch die Gegend laufen. Ist das nicht das eigentlich
Bedauerliche, dass vorwiegend in der eigenen Küche gekocht wird, aber die
Gerichte aus einer der anderen, hier der Bibliotheksküche, ignoriert oder
als minderwertige Kost abgewertet werden? Absolventen von anderen
Hochschulfächern, die unter Umständen etwas hochnäsig auf Bibliothekare -
gerade Dipl-Bibl. (FH) - hinuntersehen, habe ich auch schon genug
kennengelernt - erfreulicherweise allerdings im Gegenzug auch welche, die
über ihren hohen(?) Tellerrand hinübersehen können und es auch wollen!

Was bibliothekarische Fachzeitschriften angeht: BUB und ArBiDo flattern
mir als BIB- bzw. BIS-Mitglied ins Haus, auf viele andere habe ich am
Arbeitsplatz aufgrund des Abonnements Zugriff, inklusive der gebundenen
älteren Jahrgänge im Magazin. Zugriff ist also primär ein Problem für
OPL-Kollegen/innen (die jedoch hoffentlich entsprechend vernetzt sind und
sich das über Freunde im Kollegenkreis besorgen können) oder Fachfremde,
die jedoch - siehe die Erfahrung von Herrn Kämper - nur in Ausnahmefällen
ein Interesse haben. Klaus Graf müsste dann wohl zu den Ausnahmefällen
gerechnet werden. Da empfehle ich: Anstelle mit Heuchelei-Vorwürfen um
sich zu werfen, einfach mal an freundliches Wort an die
Bibliothekare/innen vor Ort (oder auch in der Liste), dann bekommt man
auch, was man möchte.

Mit freundlichen Grüssen
Bernd Martin Rohde

_______________________________________________________
Bernd Martin Rohde
Dipl-Bibl. (FH), UP in Rare Book Librarianship
Obergütschstrasse 9, CH 6003 Luzern, Tel.: +41 41 420 44 68
mailto:b.m.rohde@xxxxxxx, http://berndmartinrohde.gmxhome.de
(dienstl.: mailto:bernd.rohde@xxxxxxxxxxx)

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